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Aktueller Online-Flyer vom 26. September 2025  

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Inland
„Wir dürfen die Fehler von 1933 nicht wiederholen!“
Gedanken zum 1., 2. und 8. Mai
Von Ulrich Sander

Zum Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft am 8. Mai wollten der Kölner Jugendclub Courage und das Netzwerk Buntes Pulheim im Geschwister Scholl-Gymnasium Pulheim eine Infoveranstaltung über "Autonome Nationalisten" durchführen. Weil die Schulleitung wegen einer kurzfristig angesagten Neonazi-Veranstaltung eine Gefahr für die Kinder sah, wollte sie die Schulveranstaltung zunächst absagen, führte sie aber schließlich doch wegen breiter öffentlicher Unterstützung durch. Unter anderem deshalb finden Sie in dieser NRhZ-Ausgabe zwei Beiträge anlässlich dieses Jahrestages. - Die Redaktion.

Dachau
Überlebende im KZ Dachau nach der Befreiung
Quelle:
www.annefrankguide.net
 
2. Mai 1933 – 1. Mai 2008
 
In Duisburg haben die Nazis am 2. Mai 1933 beim Sturm auf das Gewerkschaftshaus die Gewerkschaftsfunktionäre Julius Birk, Emil Rentmeister, Michael Rodenstock und Johann Schlösser erschlagen. Auf einer Gedenkveranstaltung im Dokumentationszentrum der VVN-BdA sagte der DGB-Regionsvorsitzende Rainer Bischoff, die Männer seien nach dem „nationalen“ Maifeiertag der Nazis, zu dem in völliger Fehleinschätzung der Situation auch die ADGB-Führung aufgerufen hatte, arglos in ihrem Büro erschienen. Doch das Zurückweichen der ADGB-Führung vor den Nazis unter dem Motto „Wir erhalten unsere Organisation bis die Nazis abgewirtschaftet haben“, habe diese nur noch bestärkt in ihrem Terror gegen die Arbeiter und ihre Organisationen. Für heute gelte es, die Lehren zu ziehen: Wir dürften den Nazis keinen Fußbreit Boden gewähren, sonst gäbe es vor einem neuen Verhängnis kein Entrinnen.
 
In Hamburg hatte der DGB den Nazis kampflos seine traditionelle Route der Maidemonstration überlassen. Und so kam es, dass die Nazischläger am 1. Mai 2008 in

Foto kommt von HDH
Hamburg – 1. Mai 2008
Foto: arbeiterfotografie


Hamburg den Versuch wagen konnten, das mörderische Geschehen des 2. Mai 1933 zu kopieren. Es hätte Tote geben können, kommentierte die Polizei der Hansestadt die ungeheuerliche Aggression, die sich in dem Vorgehen der heutigen NPD-Faschisten gegen die jungen Gewerkschafter zeigte, welche sich ihnen in den Weg gestellt hatten.
 
Frühzeitig entgegentreten!
 
Der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker hatte gewarnt: „Wir dürfen die Fehler von 1933 nicht wiederholen. Wenn die Rechtsextremisten am 1. Mai aufmarschieren, knüpfen sie an das Konzept ihrer faschistischen Vordenker von 1933 an:

ÖTV Mai 1933
Quelle: ÖTV
 
Gewerkschaftliche Themen besetzen und gewerkschaftliche Passivität nutzen, um Mitglieder zu vereinnahmen und Massenanhang zu gewinnen. Einer solchen Entwicklung muß frühzeitig entgegengetreten werden. Wir kritisieren, daß die Gewerkschaftsmitglieder nicht sofort informiert und mobilisiert wurden, als bekannt wurde, daß am 1. Mai in Hamburg ein Aufmarsch der Neonazis bevorsteht.“ - Heute muss der Feststellung, es gelte, die Lehren aus dem 1. und 2. Mai 1933 zu ziehen, jene hinzugefügt werden: Es gilt auch, die richtigen Schlüsse aus dem 1. Mai 2008 von Hamburg-Barmbek zu ziehen.

Peter Kraus
Peter Krause
Quelle:
www.thl-cdu.de
Die Absicht der CDU von Thüringen, ausgerechnet am 8. Mai den ultrarechten Publizisten und Landtagsabgeordneten Peter Krause zum Kultusminister und damit übrigens zum obersten Chef der Gedenkstätte Buchenwald zu machen – um die Rechten politisch einzubinden und damit wirkungslos zu machen, wie es so schön heißt -, konnte nur als unfassbare Provokation empfunden werden. Energische Proteste von Antifaschisten, Linken und Sozialdemokraten wurden in diesem Fall auch von den Medien aufgegriffen, so daß Krause am Montag mitteilte, er werde am 8. Mai im Parlament nicht zur Vereidigung antreten und nicht Nachfolger von Thüringens derzeitigem Kultusminister Jens Goebel (CDU) werden.
 
Sicherheitspolitik der Union
 
Nicht besser ist die Idee der Sicherheitspolitiker der Union, die NPD zwar nicht verbieten zu lassen, denn man müsse sich ja mit ihr „politisch“ auseinandersetzen, den „Extremisten“ aber finanzielle Förderungsmittel nach dem Steuergesetz streitig zu machen und ihnen – wie in Bayern – mit einem Versammlungsgesetz die Versammlungen zu erschweren. Derartiges zielt gegen die den organisierten Antifaschismus und gegen linke Organisationen. Den Nazis aber kommt ein derartiges „Sicherheitskonzept“ sehr zu pass.
 
Gewerkschafter und andere Antifaschisten in Bayern haben deshalb an diesem 1. Mai den Entwurf des neuen Versammlungsgesetzes, das nach der Föderalismusreform nun in allen Bundesländern möglich wird, entschieden zurückgewiesen. Es richtet sich nämlich z.B. mit seinen Anmelderegelungen gegen jede spontane gewerkschaftliche Regung, gegen Warnstreiks, gegen Versammlungen ohne Polizeiaufsicht. Es zeigt sich, dass dem „Stoppt die Nazis“ hinzugefügt werden muß: Hände weg von der Demokratie, schützt die Grundrechte!
 
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-BdA erklärte rechtzeitig zum 1. und 2. Mai: „Die faschistische Bewegung richtete sich in aller Brutalität gegen die organisierten Kräfte der Arbeiterbewegung. Wer sich – wie die NSDAP – für die politischen und expansionistischen Interessen des großen Kapitals einsetzt, der muss die Gewerkschaftsbewegung bekämpfen. Dies gilt in modifizierter Form auch heute.“ Und das gilt besonders, wenn die Nazis auch noch Unterstützung durch die CDU-CSU-Politik bekommen.
 
Unterstützung durch die ökonomischen Eliten
 
Die Gewerkschaftsfeindlichkeit der Nazis, auch daran muss erinnert werden, gehörte zu den Punkten, die den besonderen Zuspruch der ökonomischen Eliten der Weimarer Republik fanden. Das wirtschaftspolitische und allgemeinpolitische Programm z.B. der „Ruhrlade“ der Montanindustriellen im Rheinland und in Westfalen schrie geradezu nach einem Mann wie Hitler: Tarifverträge allenfalls im Betrieb, also nicht überbetrieblich, Beschränkung aller sozialen Ausgaben, Verringerung der Arbeitslosenunterstützung und „Kampf mit den Gewerkschaften mit aller Schärfe“, so schrieb Paul Reusch (Gutehoffnungshütte/MAN-Konzern) an Redakteure, die in seinem Solde standen.

reusch
Paul Reusch
Quelle:

www.schoene-aktien.de
Reusch wies im Sommer 1932 als Mitbesitzer der Münchner Neuesten Nachrichten deren Journalisten an, hinter dem NSDAP-Organ Völkischer Beobachter nicht sehr zurückzustehen, und erklärte namens des Aufsichtsrates zur „vornehmsten Aufgabe des Blattes“ die Pflege des „nationalen Gedankens“. Ihm ist heute noch eine Straße im baden-württembergischen Weil der Stadt gewidmet - ähnlich wie in Köln eine Straße an die Familie von Hitler-Wegbereiter und NSDAP-Mitglied Kurt Neven DuMont erinnert, dessen Kölnische Zeitung schon lange vor dessen Machtübernahme wusste: „Auf Hitler kommt es an“.
 
Reuschs Weisungen enthielten „die damals in konservativen Kreisen allgemein vertretenen Positionen“ (so schrieb später der Dortmunder Stadtarchivar Prof. Gustav Luntowski), als da waren: „Ein ,großdeutsches Reich' (Zusammenfassung aller geschlossen siedelnden Deutschen und Anschluß Deutsch-Österreichs), Bekämpfung des ,Systems von Versailles’ und der ,Kriegsschuldlüge’, Wiederherstellung der deutschen Wehrhoheit, Revision der Ostgrenzen (Korridorfrage), Ablehnung des demokratisch-parlamentarischen Systems von Weimar, schärfste Bekämpfung des Marxismus, Unantastbarkeit des Privateigentums usf.“. Ähnliche Töne hatte Hitler im Januar 1932 im Düsseldorfer Industrieklub angeschlagen (zitiert nach „Ossietzky“ 25/07).
 
Die Gewerkschaftsführung hätte dies 1932/33 niemals außer Acht lassen dürfen.  (PK)
 
Ulrich Sander ist Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten NRW (VVN/BdA) und wurde durch seine Recherchen zu NS-Verbrechen bekannt. In diesem Zusammenhang wurden im Dezember 2003 seine Wohnung sowie das Landesbüro der VVN/BdA in Wuppertal von Beamten des Polizeilichen Staatsschutzes durchsucht und sein PC und persönliche Briefe beschlagnahmt.
 
Zum 8. Mai 1945 im Rheinland gibt es in dieser NRhZ-Ausgabe einen Beitrag von Manfred Demmer
 
 

Online-Flyer Nr. 145  vom 07.05.2008

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