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Aktueller Online-Flyer vom 28. April 2024  

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Medien
Erfolgreiche Kampagne von ARD und Agenturen gegen Die Linke
Der Fall Panorama./.Wegner
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Am 14. Februar wird im ‚Ersten’ ein Panorama-Beitrag mit Sätzen aus einem Interview mit Christel Wegner, Mitglied der DKP und der Fraktion 'Die Linke' im niedersächsischen Landtag, ausgestrahlt. Panorama legt ihr in den Mund, sie fordere die Wiedereinführung der Stasi. Das ist der Beginn einer Medien-Kampagne, die dazu führt, daß Christel Wegner vier Tage später aus der niedersächsischen Fraktion Die Linke ausgeschlossen wird und Die Linke in Hamburg weniger Stimmen als vorausgesagt bekommt. – Die Redaktion
Stasi in den Mund gelegt
 
14.2., 12:13 Uhr: über OTS (Originaltextservice - Dienst der dpa-Tochter 'news aktuell GmbH', über den eine Pressemeldung gegen Bezahlung in das Agentursystem eingespeist werden kann) verbreitet der Norddeutsche Rundfunk unter Bezugnahme auf die am Abend des selben Tages bevorstehende Panorama-Sendung eine Pressemitteilung mit dem Aufmacher: "Panorama: Niedersächsische Landtagsabgeordnete fordert Wiedereinführung der Stasi".
 
14.2., 13:02 Uhr: DDP verbreitet eine Meldung mit dem Aufmacher "Linke-Landtagsabgeordnete fordert Wiedereinführung der Stasi".
 
14.2., 15:23 Uhr: Für den Bundesvorstand von 'Die Linke' verbreitet deren Pressesprecherin Alrun Nüßlein eine Meldung über OTS mit dem Aufmacher "Pressestelle: Vorstand distanziert sich in aller Form".
14.2., 17:11 Uhr: AFP verbreitet in einer Meldung mit dem Aufmacher "Abgeordnete der Linksfraktion in Hannover will die Stasi zurück - Bundespartei distanziert sich von DKP-Mitglied Wegner". Neben Verurteilungen durch Gregor Gysi und die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen Marianne Birthler bringt AFP die Äußerung der Linke-Abgeordneten und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau: "Wer die Berliner Mauer noch immer rechtfertigt und die Staatssicherheit der DDR als Zukunftsmodell preist, hat nichts aus der Geschichte gelernt."
 
14.2., 21:45 Uhr: Im Fernsehprogramm 'Das Erste' wird von Panorama der Beitrag "Auferstanden aus Ruinen - Die Wiedergeburt der DKP" ausgestrahlt. Darin formulieren die Autoren Tamara Anthony und Ben Bolz die Sätze "Rechtfertigung der Stasi und der Mauer. Kein Wort zu den Opfern. Stattdessen schlägt die gewählte niedersächsische Landtagsabgeordnete die Wiedereinführung der Staatsicherheit vor, wenn nach der Revolution der Sozialismus wieder eingeführt wird." Dem wird der folgende Satz von Christel Wegner zugeordnet: "Ich denke, dass wenn man eine andere Gesellschaftsform errichtet, dass man da so ein Organ wieder braucht, weil man sich auch davor schützen muss, dass andere Kräfte, reaktionäre Kräfte, die Gelegenheit nutzen, um so einen Staat von innen aufzuweichen." Ob es eine dieser Äußerung vorangegangene Frage gegeben hat - und, wenn ja, welche -, ist dem Beitrag nicht zu entnehmen.


Christel Wegner – reingelegt und rausgeschmissen
Quelle: Panorama

Aus der Fraktion ausgeschlossen
 
18.2.: Christel Wegner wird vier Tage nach der Panorama-Sendung aus der Fraktion 'Die Linke' im niedersächsischen Landtag ausgeschlossen. In dem einstimmigen Beschluss der Fraktion heißt es u.a.: "Die Abgeordnete Christel Wegner wird gemäß Paragraph 6 der Geschäftsordnung der Fraktion 'Die Linke' aus der Fraktion ausgeschlossen. [...] Die Fraktion begründet den Ausschluß wie folgt: Unabhängig von der Frage des Zusammenschnitts ihres Interviews in der Sendung »Panorama« sind ihre dort geäußerten Positionen für Die Linke unakzeptabel. Einen Sozialismus ohne Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Reisefreiheit darf es nie wieder geben."
 
19.2., 06:00 Uhr: Einer Meldung von AP ist zu entnehmen, daß Gregor Gysi, Bundestagsfraktionschef der Partei 'Die Linke', spekuliert hat, es könne sich um eine vom Verfassungsschutz gesteuerte Aktion gehandelt haben, im Rahmen derer Christel Wegner mit ihrer Äußerung kurz vor der Hamburg-Wahl der Linken bewusst habe schaden wollen.
 
19.2., 17:11 Uhr: DPA verbreitet eine Meldung mit dem Aufmacher "Linke sieht DKP-Debatte erledigt - Wegner freut sich «diebisch»", in der es u.a. heißt: "Das DKP-Mitglied Wegner war am Montag [18.2.] aus der frisch gewählten Landtagsfraktion der Linken in Hannover ausgeschlossen worden. In der ARD hatte sie sich für ein Organ wie den DDR-Staatssicherheitsdienst zur Abwehr «reaktionärer Kräfte» beim Aufbau einer neuen Gesellschaft ausgesprochen. Ihr Mandat will sie nicht zurückgeben. In einem im Internet veröffentlichten Interview der DKP sagt Wegner, sie freue sich «diebisch», dass sie die Medien durch die öffentliche Benennung ihrer Parteizugehörigkeit zum Beweis gezwungen habe, dass es die DKP in Deutschland noch gebe." Damit wird der Eindruck erweckt, die geäußerte Freude, die sie tatsächlich in einem UZ-Interview vom 1. Februar in einem völlig anderen Zusammenhang zum Ausdruck gebracht hat, sei eine Reaktion auf die Vorgänge um die Panorama-Sendung.


ARD-Magazin Panorama – legt keine 
Beweise vor
Quelle: ARD
Stellungnahmen von Links
 
Zu diesem Vorgang gibt es Stellungnahmen auch aus den Reihen der 'Linken', die sich die im Rahmen der Medienkampagne verbreiteten Positionen (und Unterstellungen) überwiegend zueigen machen.
 
In der Tageszeitung 'Neues Deutschland' (ND) vom 22.2. heißt es: Nun lese ich in der »jungen Welt« und sicher auch in der nächsten UZ wahre Huldigungen für Christel Wegner. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Was geschehen ist, das ist ein Rückschlag für unsere Bündnispolitik. Christel Wegner hat reflexartig die DDR verteidigt. Wie es sich in der »Panorama«-Sendung anhörte, hat sie aber keine Fehler aus der Vergangenheit verteidigt, was schlimm genug wäre, sie hat ihre Wiederholung befürwortet. Und das Argument, sie habe eben einen Fehler gemacht, reicht mir nicht. Vermutlich hat Christel Wegner gar keinen »Fehler« gemacht, sondern gesagt, was sie denkt. Das entnahm man schon ihrem ersten Interview nach der Wahl in der UZ: Sie habe sich über ihre Wahl als DKP-Mitglied »diebisch« gefreut ... Ach, wie trickreich wir doch sind. Eine gewiss den Kommunisten sehr nahestehende Freundin aus der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes schrieb mir: »Leider hat insbesondere Christel Wegner so ziemlich jedes antikommunistische Klischee bestätigt. Dass eine Abgeordnete der Linken (halt eben nicht der DKP – die stand tatsächlich nicht zur Wahl) zum Besten gibt, dass ihr Programm ein anderes ist, finde ich unglaublich – so etwas schadet der Linken.«
 
Und der Chefredakteur des ND, Jürgen Reents, schreibt am 20.2. u.a.: Im Grunde ist niemand erschrocken, sondern höchst erfreut, dass endlich ein abwegiges und törichtes Klischee geliefert wurde, mit dem man die LINKE zu verhaften wünscht.
 
Schon am 15.2., einen Tag nach der Sendung, war im ND ein Artikel zu lesen, der bezüglich der nachfolgend wiedergegebenen Passage mit der AFP-Meldung vom 14.2., 17:11 Uhr, identisch ist:
„Hamburg/Berlin (AFP/ND). Eine Abgeordnete der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag hat für die Wiedereinführung der Stasi plädiert. Das DKP-Mitglied Christel Wegner sagte in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview des ARD-Magazins »Panorama«, bei Errichtung einer, neuen Gesellschaftsform werde ein Organ wie die DDR-Staatssicherheit »wieder gebraucht«, um »reaktionäre Kräfte« abzuwehren.“


Panoramas Demagoge – Oskar Lafontaine 
Quelle: Panorama

Über die Agentursysteme verbreitete Meldungen werden also - sogar vom ND - offensichtlich prinzipiell als wahr aufgefaßt und dann bedenkenlos weitergegeben. So werden die Nachrichtenagenturen zu Schaltstellen der Meinungsmanipulation. Wer es versteht, sich ihrer zu bedienen, erreicht die Massen. Die über sie in die Welt gesetzten Meldungen verbreiten sich wie die Pest - nur schneller.
 
Ein paar Fragen
 
In diesem Zusammenhang ein paar Fragen: Müssten nicht diejenigen, die Desinformationen in so ein Manipulationssystem einspeisen, und Medien, die sich in ein solches System einbinden lassen, von Links kritisiert werden, anstatt dass man sich dort auf der Basis derart fragwürdiger Kampagnen gegeneinander aufbringen läßt? Und müssten nicht auch diejenigen kritisiert werden, die so eine Medien-Kampagne zum Ausgangspunkt ihres Agierens machen - im Fall Panorama vor allem die Führung der Partei 'Die Linke'?
 
Und: Sollte nicht der Frage nachgegangen werden, wer die Autoren des Panorama-Beitrags überhaupt sind? Ein früherer Panorama-Beitrag vom 26.7.2007, an dem ebenfalls Tamara Anthony und Ben Bolz beteiligt waren, befaßte sich mit Oskar Lafontaine, zu dem es dort hieß: "Verdrehen, verschweigen, auf dem linken Auge blind: Panorama über den Demagogen Oskar Lafontaine". Man wundert sich fast, daß 'Die Linke' damals Oskar Lafontaine nicht ausgeschlossen hat.
 
So wird Politik gemacht
 
Christel Wegner bestreitet, das ihr Unterstellte gesagt oder gemeint zu haben. Als erwiesen kann angesehen werden, daß sie Begriffe wie 'Stasi', 'Staatssicherheit' oder 'MfS' im Panorama-Interview nicht in den Mund genommen hat. Träfe es zu, was über sie behauptet wird, ließe sich das anhand der kompletten Interview-Aufzeichnung ja leicht nachweisen. Doch die Panorama-Redaktion weigert sich, die Aufzeichnung herauszugeben, sondern begnügt sich auf ihrer homepage seit dem 22.2. mit einem Dementi, ohne das komplette Interview wiederzugeben. „Schäubles Mogelpackung“ hieß der Panorama-Beitrag am 14.2. vor dem mit Christel Wegner. „Panoramas Mogelpackung“ wäre wohl der passendere Titel für den der Autoren Tamara Anthony und Ben Bolz gewesen.
 
ARD, NDR und Panorama-Redaktion ist es mit Hilfe der Agenturen gelungen, Politik zu machen - etwa nach dem Motto: "Unsere Aufgabe ist es, uns dienliche Informationen... zu verbreiten und sie an wohlüberlegte Zielgruppen weiterzuleiten... Wir werden nicht bezahlt, um zu moralisieren... es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig unwirksam." – so formuliert 1993 von James Harff, Direktor der PR-Agentur Ruder Finn Global Public Affairs.
 
Ein Tipp für den Umgang mit den Meinung machenden und beherrschenden Medien: Bei Interviews eine Ton-Aufzeichnung (unauffällig) mitlaufen lassen. So sind Manipulationen und der damit beabsichtigte Rufmord nachweisbar. (PK)
 
Mehr unter http://www.arbeiterfotografie.com/medien/2008-02-14-fall-panorama-christel-wegner.html.

Online-Flyer Nr. 136  vom 05.03.2008

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