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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Lokales
Kardinal Meisners Feldpredigt 2008
Familiärer Kriegseinsatz
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

„Sobald der Gegner nicht mehr als vollwertiger Mensch akzeptiert wird, entfällt die angeborene Tötungshemmung.“ – Eine bemerkenswerte Einsicht, die Kardinal Meisner bei seinem diesjährigen „Internationalen Soldatengottesdienst“ im Kölner Dom angeblich der „Verhaltensforschung“ entnahm. Ob Bundeswehrminister Jung einmal darüber nachdenkt – Stichwort „Abschußbefehl“? Oder kommen gar Meisner selbst Bedenken, angesichts seiner eigenen „Entwertungen“ gegen Nicht- und Andersgläubige oder Homosexuelle? Beides bezweifelt unser Meisner-Spezialist, der sich, wie jedes Jahr, ins Allerheiligste des Bündnisses von „Kreuz und Schwert“ begab. – Die Redaktion
Der Liebesprediger

Sollte Kardinal Meisner wirklich, wie angekündigt, 2009 in wohlverdiente Rente gehen, dann wäre seine Soldatenpredigt 2008 auch seine vorletzte gewesen. Aufzuatmen – etwa so: Dann haben wir’s ja bald hinter uns – wäre aber voreilig. Wer weiß, wer sein Nachfolger wird und in welcher Weise dieser dann die Meisner-Tradition fortsetzt. Die ja, was die kirchliche Unterstützung des BRD-Militarismus angeht, beileibe nicht erst mit Meisner begann. Wie zitierte doch die Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, Nr. 27/1958, den ersten Militärbischof der Bundeswehr, den Münchener Kardinal Wendel: „Die Bundeswehr trete ein für die Verwirklichung der Ordnung Gottes. Deshalb sei der Soldatenstand ein Ehrenstand.“ Und Meisner erkannte 1998 die Bundeswehr geradezu als Inkorporation christlicher Nächstenliebe: „Weil der Mensch der höchste irdische Wert ist, ist er unserer Gesellschaft so lieb und teuer, daß sie sich die Bundeswehr leistet.“


Dieses Jahr sahen die üblichen 40 GegendemonstrantInnen aus Friedensbewegung, Internationalem Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und Freidenkerverband jedenfalls wieder Anlaß, gegen das im Dom zelebrierte Bündnis von Weihrauch und Waffen zu protestieren.
  

Draußen vor dem Hohen Dom –
Protest gegen Weihrauch und Waffen
„Deutsche SoldatInnen und PolizistInnen – raus aus Bosnien – Kosovo – Sudan – Horn von Afrika – Afghanistan – Usbekistan – Kongo“, so listete ein Demotransparent die Vielzahl „militärischer Engagements“ der BRD rund um den Erdball auf. Was man auch als ein Register deutscher (Mit-)Besatzungsgebiete betrachten könnte. Eine solche Sicht aber würde Kardinal Meisner schärfstens ablehnen. Für ihn, den sprichwörtlichen Liebesprediger – und jede anderslautende Bezeichnung ist ja in Köln und auf Erden laut jüngstem Gerichts-Spruch verboten – wäre diese Aufzählung eher eine Ehrenkollektion deutscher Liebesdienste an der Welt, oder, um das diesjährige Predigtmotto zu zitieren, an der „Menschheitsfamilie als Gemeinschaft des Friedens“. Denn, so Meisners wahrhaft waffensegnende „conclusio“: „Tatsächlich aber hat militärischer Einsatz nur da seine Berechtigung, wo Soldaten sich mit ihrem Wissen und ihrer Kraft in den Dienst der einen, weltumspannenden Menschheitsfamilie stellen, um Unheil und Unrecht von ihr fernzuhalten. Möge Gott Sie darin bestärken und mit seinem Segen begleiten!“ 


Mit KSK und Tornado ins Gottesreich

 

Kardinal Meisner – Segen für die
„Menschheitsfamilie“
Woraus zu schließen ist: Der Einsatz des „Kommandos Spezialkräfte“ (KSK) in Afghanistan, dessen tatsächliche Zielsetzungen und Verrichtungen auch gegenüber Bundestagsabgeordneten geheimgehalten werden („Gefangene werden nicht gemacht“ [1]) sowie die Auslotung von Bombenzielen für die US-Operation „Enduring Freedom“ in Afghanistan durch unsere deutschen Friedensaufklärer namens „Tornado“ – all dies ist „Dienst an der weltum- spannenden Menschheitsfamilie“ und hält von dieser „Unheil und Unrecht“ fern.

Diese Bestätigung militärischer Hardcore-Methoden dürfte „Verteidigungs“- Minister Jung (CDU) wohl gemundet haben wie Götterspeise, zumal sie von höchster Stelle kam, einer Instanz jedenfalls, an der sich dieser aufs Grundgesetz vereidigte Bundesminister weit eher orientiert als am Bundesverfassungsgericht. Somit würde andererseits auch die bereits klassische Parole bestätigt, die auch diesmal wieder bei der Gegen- demonstration auf einem Transparent zu lesen war: „Mit Meisners Segen in den Kugelregen“. Doch solcher Niederschlag wäre, notabene, in Meisners traditionsgerechter Kriegstheologie geradezu ein Regen der Liebe.

Archaische Kämpfer – Gottesdiener in Uniform
 
Was Meisner meint und sich damit zu Recht in seiner Kirchentradition sieht, das formulierte der Heeresinspekteur Generalleutnant Hans-Otto Budde 2004 weniger theologisch, sondern herzhaft praxisbezogen. Er rief im Hinblick auf die weltweiten Imperialkriege der schon recht gegenwärtigen Zukunft nach dem „archaischen Kämpfer und den, der den High-Tech-Krieg führen kann“. Buddes „Weggefährte“, der ehemalige Fallschirmjäger-Offizier Wolfgang Winkel, definiert diesen Typus militärischer Friedensstifter in der WELT vom 29. Februar 2004 als „Kolonialkrieger, der fern der Heimat in Gefahr steht, nach eigenen Gesetzen zu handeln“. Doch auch solches Handeln erscheint unter Meisners Weihrauchschwaden als Dienst an der „Menschheitsfamilie“, wenn es dazu dient, die „Menschheit“ insgesamt letztlich in die einzig seligmachende Kirche, als eigentliche „Familie Gottes“, zurückzuführen. So war es ja schon immer in der kirchlichen Kriegsgeschichte, die nicht zuletzt Kolonialgeschichte war, in dem Versuch, die noch verirrten Teile der Menschheitsfamilie eben in die „Gottesfamilie“ und den rechten Glauben

Warten auf „Reinigung der Seele“
und „Hinführung zu Gott“
einzugliedern, wenn nötig, um ihrer „Seelen“ willen auch mit mehr oder minder sanftem Zwang. Womit der „Kolonialkrieger“, in modernisierter Form natürlich, da er ja auch den „High -tech-Krieg“ führen muß, wieder seine angestammte Rolle einnehmen würde. Nämlich als Diener an der „Menschheits- familie“, die nur als „Gottesfamilie“ zur „Gemeinschaft des Friedens“ wachsen kann, also in der ewigen Wahrheit des Glaubens und ihrem einzig angestammten „Hause“, der katholischen Kirche.

 
Kardinalswort aus dem Finstern Wald
 
Vorsorglich sei allerdings klargestellt, daß „Patchworkfamilien“ und „alternative Lebensformen“, namentlich solche, die der Zölibatär als geschlechtlich fehlorientiert verdammt, in dieser „Menschheits- und Gottesfamilie“ keinen Platz haben. Denn: „Alle so genannten alternativen Modelle des menschlichen sexuellen Zusammenlebens sind aber unwahr und darum für den Menschen im Kern verderblich. Die Menschheit richtet sich hier selbst zugrunde.“ Diese Erkenntnis stammt zwar nicht aus der Soldaten- predigt, sondern aus Meisners Donnerwort in der Basilika im Schweizer Wallfahrtsort Maria Einsiedeln (passenderweise im Finstern Wald) am 7. Oktober 2007. Doch sollte dieses Meisner-Wort aus dem Finstern Wald mit dem im Hohen Dom zusammengedacht werden. Denn so lässt sich ahnen, was der Kardinal und die Kirche, die er angemessen vertritt, in „Wahrheit“ unter der mit Friedenswaffen zu schmiedenden christlichen „Menschheits- und Gottesfamilie“ versteht.
 
Krieg als Einkehr und Bekehrung
 
Den Vorkämpfern der wahren „Menschheitsfamilie“ aber hat „Gott“ ein Monopol auf „Rohstoffe und Ressourcen in aller Welt“ eingeräumt. Gottgefällig betonte daher SPD-Außen- und Kolonialminister Frank-Walter Steinmeier auf der Münchener „Sicherheitskonferenz“ am 5. Februar 2006: „Globale Sicherheit im 21. Jahrhundert wird untrennbar auch mit Energiesicherheit verbunden sein. Und die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, das verstehen Sie, muss sich dieser strategischen Herausforderung stellen.“ Wofür wir ja wieder unsere „Kolonialkrieger“ brauchen.
 
Das aber wird auch der Kirche, vulgo Gottesfamilie, zugute kommen. Jeden- falls, wenn wir Franz-Josef Jung folgen, unserem allchristlichen Bundes- minister für gerechte Kriegsführung: „Gerade in den

Auch OB Schramma und Minister
Jung (rechts) lauschten andächtig
  Auslandseinsätzen beginnt oft ein Nachdenken der Soldat- innen und Soldaten über Werte, über Sinn und Zweck des Lebens. Das weckt sogar wieder eine Hinwendung zum religiösen, zum kirchlichen Bereich.“
So freut sich der verfassungsgemäß auf religiöse Neutralität und Friedens- gebot verpflichtete Minister im Interview mit der Katholischen Nachrichten- agentur am 2. 2. 2006. Der Krieg als Läuterung,  „Reinigung der Seele“ und „Hinführung zu Gott“ – würde man nicht verwundert auf die Jahreszahl schauen, könnte man meinen, ein Zitat aus dem Hurra-Jahr 1914 vor sich zu haben – Gott mit uns!  

 
Dank des Pechs der späten Geburt ist Franz Josef Jung darum herumgekommen, als eine der blutschwatzenden Figuren in Karl Kraus’ Weltkriegsdrama „Die letzten Tage der Menschheit“ und damit in die Weltliteratur einzugehen. „Eingehen“, im Sinne von verrecken nämlich, werden aber unter der Amtsführung des Herrn Jung wohl noch unvorhersehbar viele Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, vor allem aber ZivilistInnen dieses von Deutschland mitbesetzten Landes, z.B. aufgrund der Bombenziel- Aufklärung der deutschen Tornados. Nicht immer wird dann auch ein Militärgeistlicher zur Stelle sein, um denen noch den letzten Segen zu erteilen, die da im Kugelregen oder Bombenhagel auf der Strecke blieben. Ihnen allen sei daher schon, Meisner zitierend, prophylaktisch der ultimative Trost gespendet, daß ihr Opfer, ob als deutsche SoldatIn oder afghanische ZivilistIn, im „Dienst der einen, weltumspannenden Menschheitsfamilie“ erbracht wurde und daß „Gott“ sie deshalb auch in sein ewiges Haus „mit seinem Segen begleiten“ wird. (PK)

[1] Otto Köhler: Gefangene werden nicht gemacht – VOR NEUEN EINSÄTZEN IN AFGHANISTAN – Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Spielfilm und Wirklichkeit, „Freitag“ 03/2005, 21. 01. 2005;

auch: Jürgen Rose (Oberstleutnant der Bundeswehr): Kommando Spezialkiller – GRÜNDLICHE „ENTTABUISIERUNG DES MILITÄRISCHEN“ – Sind Todesschwadronen der Bundeswehr in Afghanistan an der Eliminierung von Drogendealern beteiligt?, Freitag 29/2005, 22. 07. 2005


Online-Flyer Nr. 129  vom 16.01.2008

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