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Inland
Was wusste der Verfassungsschutz in Köln vor dem Buback-Attentat?
Herbst-Phantome
Von Richard Franz

Pflicht- und traditionsbewusst arbeiteten die deutsche Mainstreammedien nach der Sommerpause den so genannten „Deutschen Herbst“ ab. Zum 30. Mal jährten sich die Schleyer-Entführung, die Erstürmung der entführten Lufthansa-Maschine, die „Selbstmorde“ von Stammheim. Eine wahre Informationsflut prasselte auf die bundesdeutsche Öffentlichkeit rein: TV Dokumentation da, mehrteilige Serien in den Printmedien dort. Dabei legte sich das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ besonders ins Zeug:
Drei Sicherheitsrisiken vom Hals geschafft
 

Siegfried Buback
NRhZ-Archiv
Noch-Chefredakteur Stefan Aust konnte als „RAF-Experte“ eine zweiteilige Dokumentation in die ARD hieven, Georg Bönisch und Michael Sontheimer schrieben für ihr Heft eine achtteilige Serie. Neu an der Spiegel-Serie war weniger ihr Inhalt, sondern das, was zwischen den Zeilen stand. Natürlich kritisierten die Autoren nicht die offizielle Version der Stammheimer Selbstmordthese, aber immerhin hatten sie den Mumm, den Verbleib der Abhörbänder zu thematisieren. Diese Quelle könnte klären, was während der „Todesnacht von Stammheim“ in den Zellen wirklich geschah. Der ungeklärte Verbleib der Tonbänder und der Abschriften der abgehörten Gespräche birgt auch für das liberale Bildungsbürgertum nachvollziehbare Zweifel an der offiziellen Darstellung vom kollektiven Selbstmord mit Schusswaffen in einem deutschen Hochsicherheitsgefängnis. So entsteht zwangsweise das erste Herbst-Phantom: das des unsichtbaren Dritten, das zwischen Gefängnisbeamten und RAF-Führungskader Schicksal gespielt haben könnte, indem es Bonn drei Sicherheitsrisiken ein für allemal vom Hals schaffte, ohne dass die Regierung die Todesstrafe wieder legalisieren musste.
 
Diese logische Möglichkeit berührt jenen Bereich, der von den Mainstreammedien zu leichtfertig als „Verschwörungstheorie“ verunglimpft wird. Aber dabei sind es gerade staatstragende Publikationsorgane und Persönlichkeiten, die die Existenz eben jenes Herbst-Phantoms als möglich erachten.
 
Michael Bubacks Andeutungen
 

Michael Buback – prognostiziert 
„dramatische Folgen“
Quelle: www.uni-pc.gwdg.de
An erster Stelle ist dort Michael Buback, Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, zu nennen. Er behauptete Ende Oktober 2007, das RAF-Mitglied Verena Becker sei schon zur Tatzeit Informantin des Verfassungsschutzes gewesen. Sie wurde 1977, einen Monat nach dem Anschlag auf Buback, festgenommen. Bisher war nur bekannt, dass die Aktivistin 1982 in der Haft mit dem Inlandsgeheimdienst Kontakt aufnahm. Buback stützt seine Behauptungen auf Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Sollte die Zusammenarbeit von Verena Becker mit dem Verfassungsschutz bereits fünf Jahre vor dem Attentat auf seinen Vater bestanden haben, „könnte das dramatische Folgen haben“, sagte Buback der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“. Becker wurde 1989 nach 12 Jahren Haft begnadigt. Da die Justiz sie nicht für den Mord an dem Generalbundesanwalt anklagte, obwohl man bei ihr die Tatwaffe fand, könnte sie erneut belangt werden. Es sei denn, jemand hätte weiterhin kein Interesse an einem neuen Verfahren.
 
Der lange Schatten des Stammheimer Herbst-Phantoms reicht, wenn man Bubacks Andeutungen Glauben schenken will, bis vor die Tore des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln.
 
Mehrere politische Zeitbomben
 
Das Magazin Stern veröffentlichte am 25. Oktober 2007 einen längeren Artikel über die fast unbekannte „3. Generation der RAF“. Interessant an dem Beitrag ist, dass die Stern-Reporter Uli Rauss und Oliver Schröm eine anonymisierte Liste von 10 Personen veröffentlichen, die der VSchutz mit der RAF III in Verbindung bringt. Obwohl das Amt den Verdächtigen enge Verbindungen zur RAF-Aktivistin Eva Haule und zur französischen Action Directe nachweist, geschieht nichts. Zweideutig klingt das Zitat eines V-Schützers: „Die Top 10 auf unserer Liste haben in Deutschland nichts zu befürchten.“


Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln-Chorweiler
Quelle: www.bund.de

Laut Stern lehnen deutsche Sicherheitsbehörden eine offizielle Stellungnahme zu dieser Feststellung ab. Warum? Sind die 10 – wie so viele andere auch – unschuldig in die Fahndungsraster der Dienste geraten oder sind sie Teile des zweiten Herbst-Phantoms, das als das „RAF-Phantom“ durch die deutsche Gegenwartsgeschichte geistert? Wurde die RAF unterwandert und wenn ja, durch wen, und wer verübte in ihrem Namen zumindest einen Teil der 20 ungeklärten Anschläge mit 10 Toten zwischen 1984 und 1993?
 
Was wusste Bundeskanzler Schmidt?
 

Helmut Schmidt – 
Entscheidungsträger von damals
Quelle: www.spd.de
Hier ticken direkt mehrere politische Zeitbomben. Sollte sich herausstellen, dass ein bundesdeutscher Dienst bereits rechtzeitig von dem Attentat auf Buback wusste, es aber weshalb auch immer nicht verhindern konnte oder wollte, dann wäre er politisch nicht mehr haltbar. Gleichzeitig müssten sich die Entscheidungsträger von damals, angefangen bei Altbundeskanzler Helmut Schmidt, fragen lassen, was sie davon gewusst haben. Nicht nur ihr Ansehen würde Schaden nehmen, sondern auch das des Staates, den sie schützen wollten: denn wer vertraut schon auf Institutionen, die Attentate gegen die eigenen Bürger, inklusive einen Generalbundesanwalt, geschehen lassen? (PK)
 
 
Richard Franz schrieb diesen Beitrag für die jüngste Ausgabe des Magazins GEHEIM - siehe www.geheim-magazin.de.

Online-Flyer Nr. 127  vom 02.01.2008

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