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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Kultur und Wissen
Das Wort am Sonntag: „Mit Gott und den Faschisten“ Folge VIII
Hitlers Lobsinger
Von Karlheinz Deschner

Im Kölner Dom wurde unter großem öffentlichem Beifall ein Kirchenfenster eingeweiht, das  nicht - wie ursprünglich geplant – sechs WiderstandskämpferInnen gegen die Nazis ehrt, sondern stattdessen 11.263 quadratische Glasstücke in 72 verschiedenen Farbtönen zeigt. Warum die katholische Kirche – deren Kardinal Meisner wenig später mit dem Hinweis, dass „die Kultur entartet“, Schlagzeilen machte – solche Probleme mit dem Aufarbeiten ihrer jüngeren Vergangenheit hat, wird durch Karlheinz Deschners Serie zur Politik der Päpste im 20. Jahrhundert deutlich. – Die Redaktion.

Das römische Papsttum – durch Krieg und Betrug groß geworden, durch Krieg und Betrug groß geblieben – hat sowohl den Ausbruch des ersten Weltkriegs gefördert als auch entscheidend die Heraufkunft des Faschismus in Italien, Deutschland und Spanien. Und während die päpstlichen Komplizen Mussolini, Hitler, Franco Triumph auf Triumph an ihre Fahnen hefteten, standen selbstverständlich die Bischöfe dieser Staaten – und nicht nur sie – unverbrüchlich zu den Starbanditen des Jahrhunderts. 

In Deutschland legten so gut wie alle namhaften Vertreter des Katholizismus Treuebekenntnis um Treuebekenntnis zu Adolf Hitler ab. 

Die prominentesten Theologen bekannten sich begeistert zu ihm und seiner Bewegung, Joseph Lortz etwa, Michael Schmaus oder Karl Adam, ein katholischer Gelehrter von Weltgeltung, der noch 1940, als Hitlers Ruhm gipfelte, schrieb: „Nun steht dieses neue dritte Reich vor uns, voll heißen Lebenswillens und Leidenschaft, voll unbändiger Kraft, voll schöpferischer Fruchtbarkeit. Wir Katholiken wissen uns als Glieder dieses Reiches und erblicken unsere höchste irdische Aufgabe in unserem Dienst am Reich… Um des Gewissens willen dienen wir dem neuen Reich mit allen unseren Kräften, mag kommen, was will…”. 


Theodor Heuss
abgebildet auf
einer Briefmarke 
Quelle: Wikipedia
Nun freilich, was kam schon! Das Jahr 1951 – und das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland für Karl Adam. Verliehen vom Bundespräsidenten Theodor Heuß, der seinerseits schon 1932 in seinem Buch „Hitlers Weg” Hitlers „lautere Beweggründe”, „Aufrichtigkeit”, „fabelhafte Leistung”, seinen Willen, „der nicht handeln und bandeln, der siegen will”, gerühmt hatte, obwohl Heuss wusste, dass „Köpfe rollen” würden. Und auch der Bundespräsident Heuß erhielt, wie Hitlers Lobsinger Adam, den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. 


                                Adolf Kolping
Wie die renommiertesten Theologen, so traten auch die Führer der deutschen katholischen Jugend mit aller Ent- schiedenheit für Hitler ein, der Verbands- führer des CV, Forschbach, der General- präses des Jungmännerverbandes, Monsignore Wolker, der Generalsekretär des katholischen Gesellenvereins, Nattermann. Er feierte den Stifter des Gesellenvereins – den dann 1980 auch von Papst Johannes Paul II. in Köln hoch gelobten – Adolf Kolping und schrieb an Hitler, er, der Führer, habe Kolpings Streben durch politische Macht vollendet. 
Dass die katholischen (und natürlich ebenso die evangelischen) Bischöfe Deutschlands dem nationalsozialist- ischen Bluthund beistanden, dass sie seinen Staat und ihn selber immer wieder priesen, wurde hier bereits gezeigt. Doch nicht nur 1933 sahen sie im Hitlerreich, wie alle Bischöfe zusammen bekannten, „einen Abglanz der göttlichen Herrschaft und eine Teilnahme an der ewigen Autorität Gottes”. Nicht nur 1933 stellten sie sich, wie man der Welt immer wieder weismachen will, „durch Hitlers diabolische Taktik” getäuscht, hinter diesen. Nein, die klare, durch Hunderte von Hirtenbriefen und Bistumsblätterhymnen zu beweisende Tatsache ist: Bis in die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs unterstützten die deutschen (und seit 1938 auch die österreichischen) katholischen Bischöfe mit zunehmender Intensität einen der größten Verbrecher der Weltgeschichte. 

Konsequent wurde von ihnen jeder, der den NS-Staat angriff, preisgegeben, ja, oft im Sinn der Nazis zu bekehren versucht! So versichert 1935 die Denkschrift der Fuldaer Bischofskonferenz an Hitler: „Wir lehnen jede staatsfeindliche Handlung oder Haltung von Mitgliedern strengstens ab”. Nicht genug: Noch Hitlers Gegner in Zuchthäusern und Konzentrationslagern wollten sie zu Nazi-Kreaturen machen. Beteuert doch die Fuldaer Bischofskonferenz 1935 wieder: „Die für die Gefangenen bestellten Geistlichen werden ... den Sträflingen zur ... Anerkennung der staatlichen Obrigkeit verpflichten und so zur inneren Umstellung und Besserung der Gefangenen mithelfen.” Als der Bischof Berning von Osnabrück 1936 die damals bereits berüchtigten Konzentrationslager im Emsland besichtigte, bejubelte er die Tätigkeit Himmlers und seiner Kreaturen und wollte, wörtlich, alle hierhergeführt sehen, „die noch zweifeln an der Aufbauarbeit des Dritten Reiches”. Im selben Jahr, Dezember 1936, versichern die deutschen Bischöfe wieder gemeinsam, Hitler in seinem Abwehrkampf „mit allen Mitteln zu unterstützen”. 


Erzbischof Gröber
1937 veröffentlichte der Freiburger Erzbischof Gröber, Förderndes Mitglied der SS, ein „Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen”, und zwar, wie auf dem Titelblatt steht: „Herausgegeben mit Empfehlung des deutschen Gesamtepiskopates”. Darin geloben die katholischen Kirchenführer Hitler ihre besondere Treue und die freudige Hinwendung der Katholiken zum nationalsozialistischen Staat; sie bescheinigen Hitler die Wiederherstellung der Menschenwürde; sie feiern das Dritte Reich als Rechtsstaat; sie preisen es als Verteidiger europäischer Kultur; und sie bekennen sich zum totalitären Regime. „Sofern der Staat auf dem wesenseigenen Gebiet die Totalität beansprucht..., die Zügel straffer spannt..., weiter geht als in Zeiten ruhiger Entwicklung, so ist er mit alledem durchaus im Recht.” Kein einziger Hirtenbrief, so erklärt der deutsche Primas, Kardinal Bertram, seinerzeit, habe den Staat, die Bewegung oder den Führer kritisiert. 


       Bischof von Galen
In der Tat: Mit Ausnahme von Bischof Galens Protest gegen die Vernichtung von physisch Kranken betraf der so genannte Kirchenkampf lediglich ihre eigenen Interessen, Hitlers Religionspolitik, seine Verletzung- en des Konkordats. Dagegen begehrte der deutsche Episkopat auf. Er wehrte sich gegen die Beschneid- ung kirchlicher Ansprüche auf dem Gebiet der Jugenderziehung, des Schulwesens, der Presse; er wehrte sich gegen die Gleichschaltung katholischer Vereine, gegen die Konfiskation von Kirchengütern, die Mönchsprozesse, gegen Kritik am Alten Testa- ment, an den Evangelien. Aber nie protestierten die deutschen Bischöfe gegen Hitlers Aufhebung der demokratischen Grundrechte, der Presse-, Rede-, Versammlungsfreiheit, was ja auch uralten katholischen und päpstlichen Vorstellungen entsprach. Nie protestierten sie gegen die massenweise Verhaftung von Kommunisten, Sozialisten, Liberalen, die sie ja selbst bekämpften. Nie protestierten sie gegen Hitlers über Millionen von Leichen gehende Kriege, ihnen zumal im Osten hochwillkommen. Und dass sie für die zu Tode geschundenen Juden nicht viel empfanden, versteht sich nach dem fast zweitausendjährigen grauenhaften christlichen Antijudaismus, den Hitler nur fortsetzte, von selbst. 

Kurz, nie protestierten diese Bischöfe gegen eine Politik, mit der der Faschismus die halbe Welt ins Unglück stürzte. Das störte sie nicht. Das unterstützten sie scham- und hemmungslos und immer wieder, wie sie seinerzeit in ihrer Gesamtheit selbst bekundeten. Und machen seitdem ihre wohldotierten Funktionäre der Welt das Gegenteil vor, so nur deshalb, weil ihresgleichen der Welt immer etwas vorgemacht hat, immer; weil ein Theologe, laut Nietzsche, mit jedem Satz, den er spricht, nicht nur irrt, sondern lügt. Ihre Dokumente, ihre „Hirtenbriefe“, ihre Bistumsblätter sprechen hier eine kompromittierende, eine vernichtende Sprache. (CH)

Karlheinz DeschnerKarlheinz Deschner,1924 in Bamberg geboren, im Krieg Soldat, studierte Jura, Theologie, Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte. Über seine literarischen, literatur- und kirchen-kritischen Werke berichtet der Dokumentarfilm „Im Grunde bin ich ein aus lauter Zweifeln bestehender gläubiger Mensch“ (siehe www.kaos-archiv.de). Der 83jährige arbeitet zurzeit am 9. Band seines Werks „Kriminalgeschichte des Christentums“ (siehe www.deschner.info) und erhielt – nach einigen anderen Literaturpreisen – Anfang 2007 in Mailand den Giordano-Bruno-Preis.

Einen Teil des hier vorliegenden Textes finden Sie als Filmausschnitt in dieser NRhZ-Ausgabe.


Online-Flyer Nr. 122  vom 21.11.2007

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