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Lokales
50 Jahre zivil getarnte Militarisierung der Raumfahrtpolitik
Die Erde im Visier – Teil 2
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Ein auf den ersten Blick zivil wirkendes PR-Event für Jung und Alt - den „Tag der Luft- und Raumfahrt 2007“ - hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz für den 16. September angekündigt. Dass das DLR schon 2005 mit knapp 30 Millionen Euro Wehrforschungsgeldern aus dem Bundeshaushalt bedacht wurde und demnächst den Astronauten und Luftwaffenoberst Thomas Reiter als Chef für seine Abteilung „Raumfahrt-Forschung und Entwicklung“ erhält, veranlasste unseren Kollegen zu einem Blick hinter die Kulissen. Hier der zweite Teil seiner Recherche-Ergebnisse. – Die Redaktion.
“Europa braucht eine effektive Raumfahrtpolitik, damit es seine weltweite Führungsrolle in bestimmten Politikbereichen im Einklang mit den europäischen Interessen und Werten ausüben kann”, stellte die EU-Kommission am 27. Mai 2007 fest. Nachzulesen auf Seite 3 der Bundesrats-Drucksache 295/07.
 
Die Erde im Visier: Das gilt auch für die europäische, nicht zuletzt deutsche Raumfahrtindustrie und -politik. Die kann zwar bislang mit den Ressourcen nicht mithalten, die - bei allem ökonomischen Abstieg - die USA immer noch mobilisieren können, wenn irgendein vermeintlich phantastisches „neues Ziel“ verkündet wird, wie etwa der Flug zum Mars. Hinter solcher PR- und Traumfabrik-Fassade vollzieht sich selbstredend nur ein weiteres Stadium militärischer Aufrüstung. Doch damit teils konvergierend, teils konkurrierend, versucht auch die europäische und deutsche Raumfahrtlobby einschließlich ihrer politischen Auftragnehmer einen weiteren militärischen Aufrüstungsschub zu inszenieren. Die noch in den 90er Jahren diskutierte, aber schon von Rot-Grün beerdigte „Konversion“, also Umlenkung von Kriegs-„Wissenschaft“ und Kriegsproduktion auf zivile Felder, ist gerade im „friedlichen Weltraum“ endgültig out. 

DLR als Agentur der Militarisierung
 
"Die künstliche Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung muß in Deutschland endlich ad acta gelegt werden", forderte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion schon 1997. Derselben Meinung war im selben Jahr auch die SPD-Bundestagsfraktion: „"Wesentliche Nachteile ergeben sich für die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie aus der Zersplitterung zwischen militärischer und ziviler Luft- und Raumfahrt." 
 

Zivile und militärische Partner
Kennzeichnend für diese alarmierende Entwicklung ist ein öffentlich kaum wahrgenommener aktueller Vorgang in der deutschen „Forschungslandschaft“. Gegen die komplett ignorierten Proteste von Betriebsräten und der Gewerkschaft „ver.di“, jedoch versehen mit einer paßförmigen „Empfehlung“ des Wissenschaftsrates, durften Anfang dieses Jahres einige rein militärisch orientierte (Kriegs-) „Forschungs-
einrichtungen“ der „Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren“ beitreten. Damit trat ein, was der Helmholtzsche Gesamtbetriebsrat schon 2003 in einem Protest gegen die damals bereits von Rot-Grün betriebene Militarisierung der Forschungspolitik prognostiziert hatte: Eine Eliminierung der zuvor „zivilen Helmholtz-Tradition“. Bislang gab es unter Helmholtzens Dach auch nur eine Einrichtung mit teilweise militärischer Zielsetzung: das DLR - das „Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt“ in Köln-Porz. Dieser „Alien“ aber fungierte über Jahre quasi als „U-Boot“ zur endgültigen Einschleusung kriegsverwendbarer „Forschung“ in die Helmholtz-Organisation. Das DLR und der BDLI, der Bundesverband der Luft- und Raumfahrtindustrie, zeigten sich denn auch höchst zufrieden über diese wunderbare Wendung hin zu noch mehr Kriegsforschung im Himmel und auf Erden.
 
Dual Use oder: Alles für den Krieg
 
„Wie kaum eine andere Branche wird die Luft- und Raumfahrtindustrie auch dem Bedarf moderner Streitkräfte sowie dem der zivilen Sicherheitsvorsorge mit innovativen Produkten und Lösungen gerecht. Grenzen zwischen militärischen und zivilen Entwicklungen sind in diesem Bereich kaum noch erkennbar“, weiß der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Bestätigt wird er darin durch die oben erwähnte Feststellung der EU-Kommission vom 27. Mai - nachzulesen in der Bundesrats-Drucksache 295/07, Seite 7. Da heißt es nämlich: „Zahlreiche zivile Programme sind für mehrere Zwecke verwendbar und Systeme wie GALILEO und GMES können auch militärisch genutzt werden. Die Mitgliedstaaten haben den Bedarf Europas an Raumfahrtsystemen für Militäroperationen ermittelt und die Bedeutung der Interoperabilität zwischen zivilen und militärischen Verwendungszwecken hervorgehoben.“ 


Unverhohlene MilitarisierungFotos: Hans Detlev v. Kirchbach

Die feindliche Helmholtz-Übernahme ist mithin ein bezeichnender Vorgang von vielen für einen wesentlichen Trend: Die offizielle Forschungspolitik einschließlich Vor- und Umfeldorganisationen orientiert sich nun noch widerspruchsfreier als zuvor an dem „Ideal“, das Militärideologen und Rüstungslobby immer schon proklamiert hatten: „Dual Use“. Was nicht einfach nur doppelte Nutzungsfähigkeit von Technologien für zivile und militärische Zwecke bedeutet, also für Teflonpfanne und Laserkanone. Vielmehr ist mit diesem, eine „Gleichberechtigung“ militärischer und ziviler Zwecke nur vortäuschenden Begriff nichts als das Primat des Militärischen gemeint. Das aber bedeutet die komplette „Öffnung“ auch angeblich ziviler Wissenschaft und Forschung für militärische Nutzanwendung.
 
Das fällt allerdings bei gewissen politik- wie BDLI-favorisierten Spitzen- und Querschnittstechnologien wie etwa Bio- und Gentechnologie, Nanotechnologie und natürlich Optoelektronik nicht schwer. Wenn sie auch einer breiten Öffentlichkeit nicht auf den ersten Blick als Kriegstechnologien erscheinen, so beinhalten sie doch schon an sich die potentielle Option der Kriegsfähigkeit. Die noch konsequentere Umstellung der Forschungseinrichtungen in der BRD aufs Militärische jedenfalls fügt sich rückhaltlos in die Zukunftsnavigation des BDLI: „Ein neuer Schwerpunkt der deutschen Raumfahrtaktivitäten liegt künftig im Bereich von Raumfahrtprodukten für Sicherheit und Verteidigung“, so verkündet ein Verbandspapier aus dem Jahre 2007. (PK)
 

Online-Flyer Nr. 118  vom 24.10.2007

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