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Lokales
50 Jahre zivil getarnte Militarisierung der Raumfahrtpolitik
Kriegspläne im friedlichen Jubeljahr – Teil 1
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Ein auf den ersten Blick zivil wirkendes PR-Event für Jung und Alt - den bundesweiten „Tag der Luft- und Raumfahrt 2007“ – hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz für den 16. September angekündigt. Dass das DLR schon 2005 mit knapp 30 Millionen Euro Wehrforschungsgeldern aus dem Bundeshaushalt bedacht wurde und demnächst den Astronauten und Luftwaffenoberst Thomas Reiter als Chef für seine Abteilung „Raumfahrt-Forschung und Entwicklung“ erhält, veranlasste unseren Kollegen zu einem Blick hinter die Kulissen. Hier das Ergebnis in einer vierteiligen Serie. –  Die Redaktion.
 
ARD und ZDF: Raumfahrtkritik nur in der „2. Reihe“
 
„1 Kilo Transportgut von der Erde zu ISS kostet mit dem Space-Shuttle heute so viel wie ein Kilo Gold. Und damit läßt sich kein wirtschaftlicher Betrieb aufrecht erhalten.“ Das immerhin erfuhr man über das Debakel der sogenannten Internationalen Raumstation ISS aus dem ZDF-3sat- Techologiemagazin „hitec“ im Rahmen des 3sat-„Weltraumabends“ am 3. Oktober 2007. Nein, vollkommen unkritisch war durchaus nicht jede Sendung, die zum 50.Jahrestag des „Sputnik 1-Schocks“ als Jubiläums-Hype für „50 Jahre Raumfahrt“ – u.a. per Satellit – über die Sender von ARD und ZDF ging.
 
Und nur diese wollen wir kurz streifen, immer noch der Illusion folgend, von den öffentlich-rechtlichen „Anstalten“ wenigstens eine Top-Informations- Qualität erwarten zu können. Zu der eigentlich auch eine kritische Grundhaltung gehören würde, jenseits von Interessen-Einfluß, aber auch irrationalem Enthusiasmus und automatischer Nachbeterei des Mainstreams. Der zitierte Verweis auf die Probleme der Raumstation ISS gehört jedoch zu den vergleichsweise knappen Momenten halbwegs kritischer Berichterstattung über die derzeitige Raumfahrtpolitik auch bei ARD und ZDF.


Kritische Information? Fehlanzeige
 
Daß die ISS statt der verheißenen wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften vor allem mit der eigenen Selbsterhaltung beschäftigt ist, daß man es bislang nicht fertiggebracht hat, das großartig beworbene „Arbeits-und Wohnmodul“ Columbus an die Station anzudocken, erfuhr man wenigstens auch noch von „hitec“. Im Gegensatz dazu präsentierte das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz bei seinem massenpropagandistisch aufgezogenen „Tag der Raumfahrt“ in Köln Porz am 16. September ein nett anschauliches Modell dieses Moduls - allerdings ohne den eher peinlichen Hinweis, daß „Columbus“ immer noch planwidrig im irdischen Hafen festsitzt. Eine Milliarde Euro – soviel kostet die kosmische Nußschale, selbstredend aus Steueraufkommen finanziert – liegen mithin ungenutzt brach.
 
Schaufensterinszenierungen vertuschen die Wirklichkeit
 
Derlei Abstürze vom Phantasie-Vakuum ins irdische Realitätsloch kennzeichen die Raumfahrerei allerdings international. Da bleibt nur noch der Weg von der „Vision“ zur Show. Denn private Sponsoren, die sich ein abgedrehtes Hobby schon mal astronomische Summen kosten lassen, könnten so den bislang nur durch Desinformation vermiedenen Ärger des weniger betuchten Steuerzahlers über Geldverpulverung für Luftschlösser im Weltall wenigstens dämpfen.
 
So sollen denn in Kürze einige sogenannte Promis aus der Halbwelt von Film und Show, angeblich aber auch der Jahrhundert-Physiker Stephen Hawking, einen kurzen Flohhupf ins allerdings erdnahe „Weltall“ wagen dürfen – für ein Millionensümmchen in US-Dollar. Und die ESA will demnächst Dumping-Flüge in eine 100 km hohe Parabolbahn für läppische 200.000 Euro anbieten. Was jedoch bloß zwei eherne Tatsachen unterstreicht: 1. daß Raumfahrt nur einem kleinen, elitären Bruchteil der „Menschheit“ vorbehalten bleibt und keineswegs, wie die Propagandaarien schmettern, ein „Menschheitsanliegen“ ist. Und 2.: Runter kommen müssen auch die Superhelden und Superreichen wieder. Für die „Menschheit“ gibt es eben kein „Entfliehen“ von diesem Planeten.
 
Am meisten profitiert wohl das Militär
 
Wozu also Raumfahrt? Insbesondere die völlig unverhältnismäßig teure Narretei comichaft aufgezogener bemannter Heldenspektakel im „All“? Dazu gab es dann letztlich im gesamten ARD/ZDF-Space-Theater kaum eine wirklich nüchterne Bestandsaufnahme jenseits des offiziellen PR-Getöses.
 
Geradezu lächerlich dabei die klischeehaften Motto-Titel wie etwa „Eroberung des Weltraums“ beim ZDF. Selbst das „kühnste“ derzeitige Raumfahrt-Projekt, ein im übrigen jenseits von Medienhysterie und Psycho-PR vollkommen überflüssiger bemannter Flug zum Mars, wäre nicht einmal eine „Eroberung“ unseres näheren Sonnensystems. Und das „Weltall“ an sich wird sich eh einen Dreck um NASA, ESA oder DLR scheren. Als ob das den Raumfahrt-Managern nicht selbst klar wäre. Worum es also wirklich geht, was stets die durch Propagandagetön nur zugedeckte Priorität jeglicher sogenannter Raumfahrt war und heute mehr denn je ist, das konnte man bei ARD und ZDF nur von einem nebenhin gesagten Satz erfahren: „Am meisten von der Raumfahrt profitiert hat wohl das Militär.“


Weltraumtraum mit viel heißer Luft
Fotos: Hans-Detlev v. Kirchbach

 
Mars-Mission zum „Blauen Planeten“
 
„Dieses neue Kommunikationssystem für die deutschen Streitkräfte, SATCOMBw Stufe 2, stärkt die strategische und taktische Kommunikation zwischen Heimatland und Einsatzgebieten...“ Aus einer Imagebroschüre des Bundesverbandes der Deutschen Luft-und Raumfahrtindustrie (BDLI), 2006
 
Das Militär als Hauptprofiteur der Raumfahrt: Diese klare Einsicht in einem Beitrag des Magazins “Kulturzeit“ während des 3sat-Raumfahrtabends blieb jedoch eine singuläre Sternschnuppe im Kosmos medialer PR. Ein kleiner Funke Aufklärung, nebenhin eingeworfen in ein explosives Gemisch aus Profitkalkül, militärischer Ambition und politischer Interessen, die alte Hegemonialpolitik und kruden Imperialismus auf den angeblich so friedlichen „Weltraum“ auszudehnen. Doch zur Zündung reichte das nicht, mangels zusätzlicher Erhitzung durch konkrete Information. Dabei ist das Ziel aller realer Raumfahrt nur ein Planet. Nicht etwa der Mars, der „Rote Planet“, dessen „Eroberung“ als Aufgabe der nächsten 30 Jahre auch in ARD und ZDF beschworen sowie beim Weltraum-Rummeltag des DLR geradezu hymnisch gefeiert wurde. Der für die tatsächliche Raumfahrtpolitik und den diese regierenden „Kriegsgott Mars“ einzig interessante Planet, um dessen notfalls gewaltsame Beherrschung es vorrangig geht, ist natürlich: der „Blaue Planet“, die Erde. (PK)

Online-Flyer Nr. 117  vom 17.10.2007

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