NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

zurück  
Druckversion

Kommentar
US-Pläne zum Angriff auf Iran werden konkret
Krieg um jeden Preis
Von Gerrit Wustmann

Vergangene Woche erteilte Deutschland im UN-Sicherheitsrat den US-Plänen zu verschärften Sanktionen gegen Iran eine Abfuhr. Zuvor hatte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA „signifikante“ Fortschritte in den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm vermeldet. Iran seinerseits hatte gedroht, im Falle weiterer Sanktionen sein Verhalten zu „überdenken“. Obwohl die Diplomatie langsam zu greifen beginnt, halten die USA ihren Kollisionskurs bei und drängen auf Krieg – mit Unterstützung Israels.

Ahmadinejad-Hitler-Bush
 

Um jeden Preis
Foto: Hendrik Nölle | pixelio
Am Freitag verglich Ayatollah Ali Chamenei den amerikanischen Präsidenten George W. Bush mit Hitler und Saddam Hussein und setzte hinzu, früher oder später werde Bush sich wegen seiner Kriegsverbrechen verantworten müssen. Umgekehrt tauchen in den Medien immer wieder Ahmadinejad- Hitler-Vergleiche aus Israel auf. Man will den Gegner diskreditieren, um jeden Preis, indem man ihn Seite an Seite stellt mit dem schlimmsten Kriegsverbrecher unserer Zeit. Beide Seiten, sowohl Iran als auch die Verbündeten USA / Israel verhalten sich wenig konstruktiv. Der große Unterschied liegt darin, dass nur eine Seite offen mit Krieg droht.
 
Unter Politologen herrscht Uneinigkeit, ob die Regierung Ahmadinejad nicht einen Krieg herbeisehnt, um die Bevölkerung, die mehrheitlich gegen ihre politischen „Führer“ steht, wieder auf Linie zu bringen. Andererseits ist der Regierung zugute zu halten, dass sie nicht über die Stöckchen springt, die ihr hingeworfen werden. Eine nach iranischem Recht legitime Hinrichtung der im Frühjahr inhaftierten britischen Soldaten hätte der „Koalition der Willigen“ einen Anlass geliefert, der sich zum Kriegsgrund hätte aufbauschen lassen.
 
Welche Wurzeln hat der Konflikt?
 
Bis 1941 war Iran politisch neutral, allerdings hegte Shah Reza Pahlavi Sympathien zu Adolf Hitlers Ideologie und Politikund hatte wenige Jahre zuvor Persien in Iran (Land der Arier) umbenannt. Auf Druck der USA und Großbritanniens musste er am 16. September zugunsten seines pro-westlich eingestellten Sohnes Mohammad Reza Pahlavi abdanken. Die neue Regierung erklärte den Achsenmächten 1943 den Krieg. Die Nachkriegspläne der Alliierten wurden maßgeblich während der Teheraner Konferenz geprägt, dem einzigen Treffen während des Zweiten Weltkriegs, an dem Churchill und Roosevelt sich auch mit Stalin persönlich trafen.
 
Mohammed Mossadegh
Mohammed Mossadegh
Quelle: wikipedia
Doch als der 1951 demokratisch gewählte Ministerpräsident Mohammed Mossadegh die Öleinnahmen verstaatlichte und der bis dahin federführenden British Petroleum damit das Monopol entzog, war es vorbei mit der Harmonie. Was folgte, war die von CIA und MI6 initiierte Operation Ajax. Zahlreiche von dem US-Geheimdienst verübte Terroranschläge gegen die iranische Zivilbevölkerung wurden der Regierung Mossadegh in die Schuhe geschoben. Nach einem Putsch von durch die CIA aufgebauten Widerstandsgruppen wurde diese 1953 zugunsten einer vom Shah geleiteten Militärdiktatur abgelöst. Mossadegh und sein Kabinett wurden für Taten, die sie nie begangen hatten, zum Tode verurteilt (das im Falle Mossadeghs, der 1967 im Exil starb, allerdings nie vollstreckt wurde). Einer der von der CIA geförderten Putschisten, General Teymur Bachtiar, wurde später Direktor des gefürchteten Geheimdienstes SAVAK, der unzählige Gegner des Shah- Regimes im In- und Ausland folterte und tötete.
 
Eine Wende zum nächsten Übel
 
Die Islamische Revolution 1979 brachte die Wende – allerdings nicht zum Guten. Zwar verloren die USA ihren Einfluss, das iranische Volk aber taumelte von der einen in die nächste Diktatur. Wenn auch die Herrschaft des Klerus nach Berichten von Menschen, die beide Epochen erlebt haben, weniger dramatisch sein soll als die der pro-amerikanischen Shah-Zeit, und sich die Repressionen gerade unter dem moderaten Präsidenten Mohammed Chatami (1997 – 2005) merklich verringert haben, so ist Iran doch immer noch ein repressiver Staat, der mit Kritikern gewissenlos umspringt. So sagte Ajatollah Ruhollah Chomeini bei seiner Amtseinsetzung: „Unser Streit geht nicht um Gott. Es geht auch nicht um den Islam. Das ist Unsinn (…). Mir selbst und euch allen geht es um die eigene Person, jeder von uns will die Macht, die ganze Macht.“
 
Die US-Regierung reagierte 1981 mit einem Terroranschlag auf eine Parteiversammlung, bei der siebzig Abgeordnete starben, und schließlich mit der massiven militärischen Aufrüstung des Irak, der von 1980 bis 1988 einen verheerenden Krieg gegen Iran führte. In diesem Krieg gab es keinen Sieger. Die sich islamisch nennende Regierung in Iran fiel nicht, Saddam Hussein wurde für die amerikanische Geopolitik nutzlos und entsprechend fallengelassen. Das Ziel eines erneuten Regierungswechsels zugunsten amerikanischer Interessen in Iran hingegen blieb bestehen.
 
Die atomare Bedrohung
 
Nun wird versucht, die Regierung Ahmadinejad in die Nähe der Nationalsozialisten zu rücken und Angst zu verbreiten vor einer möglichen nuklearen Bedrohung durch Iran. Dass dabei wieder die Phrase der Demokratisierung verwendet wird, spricht den historischen Tatsachen Hohn.


 Marionetten ...
Foto: Eric Draper
Die Regierung Ahmadinejad, in der der Präsident nicht
 
minder eine Marionette der Mullahs ist, als George W. Bush die seiner neokonservativen und marktradikalen Hardliner, ist zweifellos höchst problematisch, allerdings hauptsächlich wegen der anhaltenden Unterdrückung der iranischen Bevölkerung.
 

Washingtons Behauptung, Iran sei „eine Gefahr für die zivilisierte Welt" entbehrt der Grundlage, wenn laut der IAEA nicht einmal ansatzweise nachgewiesen werden kann, dass das iranische Atomprogramm militärischen Zwecken dient. Iran selbst verweist immer wieder gerne auf die US-Verbündeten und

... unter sich
Foto: Shoshone
   Atommächte Indien, Pakistan und Israel, die im Gegensatz zu Iran den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben. Und Experten gehe davon aus, dass – selbst wenn dies entgegen jeglicher Expertise der Fall sein sollte – die Diplomatie noch mindestens zehn Jahre Zeit habe zu agieren. Zudem erwarten sie, dass iranische Atomwaffen, sollten sie jemals das Licht der Welt erblicken, eher der Abschreckung als dem Angriff dienen würden. Derweil machen die USA keinen Hehl daraus, dass sie ihr nukleares Arsenal weiter ausbauen, und drohen sogar offen mit atomaren Attacken. Als Argument gegen Iran dient ihnen und den westliche Mainstream-Medien auch immer wieder die über BBC verbreitete angebliche Aussage Mahmoud Ahmadinejads, er wolle Israel von der Landkarte tilgen.

Nicht nur ein Verbrechen
 
 
Als Reaktion auf die gescheiterte Resolution über die Verschärfung der
 
Sanktionen gegen Iran ließen die USA nun verlautbaren, die diplomatischen Mittel seien offenbar ausgeschöpft und man müsse militärisch reagieren – und zwar innerhalb der nächsten acht bis zehn Monate, also noch innerhalb der Amtszeit George W. Bushs. Dass IAEA und EU Gegenteiliges verkünden und diplomatische Fortschritte sehen, zeigt den Kern der amerikanischen Haltung, der mit Konfliktlösung rein gar nichts zu tun hat. Unterstützt wird diese Position von Israel.
 
Ein Krieg gegen Iran wäre nicht bloß ein weiterer von unzähligen Brüchen des Völkerrechts in der Geschichte der US-Außenpolitik. Er wäre nicht bloß ein Verbrechen. Er wäre nicht bloß ein weiterer Massenmord an unschuldigen Zivilisten. Er wäre auch eine völlige Bankrotterklärung des herrschenden „westlichen“ politischen Systems. Die Demokratie würde sich selbst ad absurdum führen. Niels Minkmar brachte es am 6. Mai in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung prägnant auf den Punkt: „Über fünf Jahre haben wir das Grundgesetz, die Bill of Rights, die Genfer Konvention hoch- und den Fanatikern entgegengehalten. Höchste Zeit, die Hände wieder herunterzunehmen und in diesen Texten zu lesen. Ihre Umsetzung käme, beim derzeitigen Zustand des Westens, einer Revolution gleich.“ (YH)

Online-Flyer Nr. 113  vom 19.09.2007

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE