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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Kultur und Wissen
Über die achte „Nippes-Nacht" – ein besonderes Kulturereignis
Nippeser Nächte sind gut!
Von Christian Heinrici

Es war nicht meine erste Nacht in Nippes, sondern meine (grobgeschätzte) 6205. Die meisten waren gut – aber die achte offizielle „Nippes-Nacht“ am 19. August 2007 war besonders gut! Ich durfte sie aber auch mit rund drei bis viertausend Besuchern teilen, die sich zu einem ganz besonderen Kulturereignis in dem Viertel nördlich der Kölner Innenstadt einfanden. An 35 – teilweise kuriosen – Orten traten Kabarettisten, Schauspieler und Chöre auf, unzählige Bands spielten alles zwischen Jazz, Rock, Soul, Klassik, Punk und Folk, was dem menschlichen Ohr gefällt.


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An vielen Orten klebten die Besucher an den Fenstern
Foto: Christian Heinrici


Der Eintritt zur ganzen Nippes-Nacht kostete dieses Mal 8 Euro an der Abendkasse, und lag damit zwar einen Euro höher als letztes Jahr, war aber angesichts des opulenten Kulturangebots weiterhin durchaus vertretbar. Die Organisatoren hatten keine Mühen gescheut, und so konnten die zahlreich erschienenen Kulturbeflissenen 109 verschiedene Auftritte in Nippes besuchen – nach Aussage der Veranstalter waren 680 einzelne Künstler vertreten. Solch ein Pensum ist natürlich für den Normalsterblichen überhaupt nicht zu schaffen, zumal jeweils ein Drittel der Künstler gleichzeitig auftrat. Also musste man sich entscheiden und mit Hilfe eines Plans nach dem Klang des Bandnamens, dem Veranstaltungsort oder nach Musikgusto aussuchen.

Beswingter Auftakt


Der Auftakt zur Nippes-Nacht fand wie in den letzten Jahren auch auf dem Schillplatz statt, der sich schon in den letzten Jahren zu einem inoffiziellen Dorfplatz gemausert hat. Nach einem Chor aus Frechen, der leider etwas in unerwartetem Platzregen unterging, spielte die „Marching Brass Band Tohuwabohu“ eine wilde aber wohlabgestimmte Mischung aus klassischen Brassbandhits mit starken Latin- und Funkelementen. Und dabei versteht sich die mit Profimusikern besetzte Combo offensichtlich auch auf profimäßiges Stimmungsmachen: Mit komischen und flott choreographierten Tanzeinlagen pflegten sie die Interaktion mit dem Publikum. Das kommt natürlich rüber – selbst bei den Kleinsten. Für die gab es dann auch mit „Hey, Pipi Langstrumpf!“ eine extra Einlage... dass ein Tohuwabohu so schön klingen kann!

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Tohuwabohu" auf dem Schillplatz
Foto: Christian Heinrici


Auf Entdeckungsfahrt durchs Veedel


Danach wurde es ernst, denn die erste Entscheidungsfindung stand an. Ich schnappte mir also mein Fahrrad und beschloss möglichst flexibel zu bleiben. Im AIDA gab es sicher neues zu entdecken: einen frisch eröffneten Biergarten mit lateinamerikanischen Spezialitäten und heiße Rhythmen in einem verregneten Kölner Sommer. „Aida y su Guateque“ hieß die Band, die dort spielte, und die Namensgleichheit war kein Zufall: Aida heißt die venezolanische Besitzerin des Lokals, und die trat dort gleich selbst nebst Band auf: Schöne Samba, Salsa und Merengue-Rhythmen, die die Zuhörer immer wieder zum Tanz aufforderten – „Guateque“ heißt so etwas wie Tanzfest. Doch dazu kam es vorerst nicht: Die zahlreichen deutschen mit den Füßen wippenden Besucher hatten sich noch bis etwa acht Uhr durch das gute Essen ablenken lassen.

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Aida y su Guateque
Foto: Christian Heinrici


Und mich riss mein Entdeckergeist fort. Da La Papa Verde, eine meiner Kölner Lieblingsbands, ihren Auftritt im wiedereröffneten Feez (neuer Name „4 Grad“) kurzfristig abgesagt hatten, durfte ich stattdessen „Drück“ kennenlernen. Vor dem „Blue Moon“, Nippeser Kneipengängern als „letzte ausschenkende Instanz“ bekannt, sammelte sich schon eine Menschenmenge: Funk und HipHop stand auf dem Plan, ursprünglich nicht auf meinem, denn beides gehört eigentlich nicht zu meinen bevorzugten Musikrichtungen – bis zur Nippes-Nacht: Eike Drück und Band begeisterten mit einer absolut tanzbaren Mischung aus Funk, Soul und ein wenig HipHop mit starken Jazzelementen.

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Eike Drück und Band
Foto: Christian Heinrici


Unglaublich zu sehen, wie Berufsmusiker Drück sein Saxophon bearbeitete – eine Leidenschaft, die mitriss, daneben waren zuweilen auch starke Gitarren- und Keyboardeinlagen zu hören. Das kleine Konzert in den viel zu engen Räumlichkeiten war selbstverständlich improvisiert – was der musikalischen Qualität aber keinen Abbruch tat. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass sich der Keyboarder nach der Hälfte der Songs verabschieden musste. Doch nach dem dritten Aufruf, ob sich im Publikum nicht jemand befände, der Noten lesen könne, fand sich Phillip, der wie ein etabliertes Bandmitglied einstieg. Ich mag Improvisationen – vor allem, wenn sie mit Jazz verbunden sind!

Wer also die Gelegenheit hat, Drück einmal live zu erleben, auf jeden Fall hingehen, hinhören und mitgehen – für mich wirklich eine Entdeckung!

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Drück – Freejazz-Foto
Foto: Christian Heinrici


Vor dem Café Eichhörnchen am Baudriplatz gab es mit „Children of Lir“ klassischen Irish Folk, und die standen diesmal auf meiner „To-Listen“-Liste. In fast besinnlicher Atmosphäre hatte sich ein ganz gemischtes Publikum versammelt, um der sehr schönen Stimme von Sängerin Diana und Irish Traditionals zu lauschen. Mit virtuosen Tanzeinlagen bewies sie, dass man auch mit den Füßen ein kleines Percussion-Orchester ersetzen kann, was dem Publikum auch immer einen Extra-Applaus wert war. Dass Children of Lir auch in der Lage sind, die vielleicht zuweilen etwas eng gesetzten Grenzen des klassischen Folks zu verlassen, bewiesen sie durch den Einsatz von Didgeridoo und der zur Fiddel umfunktionierten Gitarre.

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Children of Lir
Foto: Christian Heinrici


Experimentelles und Klassisches erwartete mich auch im „Denkmal“ – der vielleicht nettesten Nippeser Dorfkneipe, denn der Name ist irgendwie Programm. An diesem Abend hätte man sie selbstverständlich in „Hörmal“ umtaufen müssten, denn es spielten Prinz Floyd. Auch ihr Name ist irgendwie Programm, denn sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, den nur geringfügig bekannteren Pink Floyd ein musikalisches Denkmal zu setzen. Ein durchaus mutiges Anliegen, zieht man in Betracht, dass sie dazu „nur“ drei akustische Gitarren zur Verfügung haben. Aber es ist nicht übermütig, denn es gelingt Prinz Floyd ganz hervorragend dem teils dichten psychedelischen Sound der musikalischen Vorbilder neue Klangfarben zu entlocken, ohne dabei lau aufzuwärmen: Engin Ilgazli begeisterte mit virtuosen Gitarrensoli, die dem berühmten Vorbild zur Ehre gereichten, Udo Prinz mit Gesang und auch mit seinen humorvollen Einlagen.

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Prinz Floyd: Virtuoses Spiel und Humor
Foto: Christian Heinrici


Die kommen dann besonders zum Tragen, wenn die Band die Pfade ihres gecoverten Vorbilds verlässt, wie in einem kuriosen Medley von „Another Brick in the Wall“ und „Money“, das zusätzlich noch mit einem Reggae-Rhythmus unterlegt wurde. Das Publikum forderte vehement Zugaben – mein persönliches zweites Highlight der achten Nippes-Nacht. „Wish you were there!“ Aber wer’s verpasst hat, kann Prinz Floyd hoffentlich am 22. Oktober in der Mausefalle in Bonn nachholen. Die Nippes-Nacht Nummer acht kann man nicht nachholen, man muss die nächste erleben! (CH)

Weitere Infos zur Nippes-Nacht

Online-Flyer Nr. 109  vom 22.08.2007

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