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Kultur und Wissen
Junge Fotografen der Bremer Kunsthochschule bei Galerie Lichtblick Köln
„The Things we do for Love“
Von Peter V. Brinkemper

Was tut man nicht alles aus Liebe, auch zur Fotografie? Anja Engelke formuliert es so: „Ich trage den Fotoapparat offen um den Hals und hole ihn nicht heimlich aus der Tasche, um ein Foto zu machen.“ Trotz dieses klaren Bekenntnisses gelingen ihr immer wieder unglaublich diskrete Bilder. Zusammen mit Tobias Gratz, Joanna Kosowska, Jørgen Kube und Laura Marina stellt sie in der Galerie Lichtblick Köln bis zum 26. August 2007 aus.

Die jungen Fotografinnen und Fotografen aus der Klasse von Peter Bialobrzeski an der Hochschule für Künste Bremen haben gelernt über ihr Wirken nachzudenken. Das beweisen sie in einer zeitgleich in Köln, Hamburg und Frankfurt stattfindenden Ausstellung – in eindrucksvoller stilistischer und thematischer Vielfalt. Peter Bialobrzeski gesteht nur ungern ohne sich eine Zigarette anzuzünden, dass das Motto der Ausstellung, dieses emotionale Credo, ein erfolgreicher Solo-Hit-Titel der Band „10cc“ aus dem Jahre 1976 ist.

Tobias Gratz geht mit seiner fotografischen Leidenschaft methodisch um: „Als junger Fotograf muss man viel investieren, um sich selbst kennen zu lernen. Man sollte immer wieder seine aktuelle Arbeitsweise genauer herausfinden, in Frage stellen und sich zeitweise distanzieren. Das Ziel ist die eigene Veränderung, um produktiv zu bleiben.“

Tobias Gratz „Once Bombay“ 2006/07

„Mumbai, ehemals Bombay,“ führt Tobias Gratz aus, „ist eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt. Zugleich ist sie die kulturelle Hauptstadt und Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs Indiens. Die politische Führung sieht die Zukunft der Stadt positiv und vergleicht sie gerne mit anderen boomenden Städten mit kolonialer Geschichte wie Hongkong. Kritische Stimmen weisen jedoch auf schier unlösbare Probleme hin. So beherbergt Bombay den größten Slum Asiens. Ideen, die Stadt auszubauen, scheiterten bereits an miserabler Planung. Diese fehlschlagenden Konzepte der Infrastruktur stehen dem Lebensraum gegenüber, den sich die Menschen irgendwie selbst schaffen müssen.“


Foto: Tobias Gratz

Gratz’ Serie „Once Bombay“ weist auf die Verabschiedung des alten portugiesisch-englischen Namens hin. Landesweit werden Städte- und Straßennamen umbenannt und von kolonialen Anklängen befreit. Der Name „Mumbai“ ist von einer hinduistischen Göttin abgeleitet. Tobias Gratz: „Meine Bilder handeln weniger vom Wandel als von einer Verwandlung.“

Sein Augenmerk legt Gratz nicht auf eine umfassende Dokumentation der Entwicklung einer Riesenstadt. Auch Einzelschicksale werden keineswegs in Form einer Reportage verfolgt. Es geht darum, individuelle Bilder zu schaffen, die in ihrer Zeichenhaftigkeit widersprüchlich sind.

„Das Leuchten, das man von der Skyline einer modernen Stadt erwartet, taucht hier bereits in einer kleinen Hütte auf. Die Menschen auf der Straße registrieren anscheinend nicht, was sich hinter ihrem Rücken erhebt. Ein Mann, der zur Arbeit geht, wirkt seltsam entrückt, sein Aufzug kommt einer Verkleidung gleich. Die Bewohner, die einem in Bombay meist als Teil der Masse begegnen, stehen in den Fotografien alleine da. Respektvolle Distanz wird gewahrt, wodurch die Person immer im Ensemble seiner Umgebung als Teil einer fremdartigen Konstruktion erscheint. Damit wird die Frage aufgeworfen, inwieweit hier Identität geschaffen, gewahrt oder zerstört wird.“


Foto: Anja Engelke

Anja Engelke „Deutschland“, offenes Projekt seit 2006

Ein junges Paar in den Dünen. Ein beleibter Mann und die innige Zuwendung einer vor ihm knienden Frau: eine intime Situation, vor dem dramatischen Hintergrund einer heranziehenden Gewitterfront. Ein stimmungsvolles Wechselbild zwischen Sonnenschein und Dunkelgrau. Anja Engelke, die Fotografin, belauscht gleichsam mit graphischer Präzision die Figuren im Vordergrund. Dabei werden sie in ihrer ganz realen Gestik wie auf einer Bühne präsentiert, wirken hintergründig humorvoll inszeniert. Engelke: „Personen sollte man so lassen wie sie sind, denn sie machen sowieso bessere Dinge, als ich mir selbst erdenken könnte.“ Die Fotografin spielt subtil mit den im Freien erfassten Mitmenschen. Geduld, präzise Beobachtung und das Gespür für den entscheidenden Moment schaffen einen Inszenierungsspielraum möglicher Geschichten, die aber nicht weiter verraten werden – ein Stück plastisches Realtheater vor Naturlandschaften und städtischer Kulisse.


Foto: Laura Marina

Laura Marina „Transylvania“ 2005/06

Die in Deutschland lebende Fotografin Laura Marina fühlt sich immer noch ihrer rumänischen Heimat eng verbunden. So präsentiert sie ein Stück Heimat in ihrer Serie: Einblicke, Porträts und Stillleben, Szenarien und Panoramen, zwischen Ferne und Nähe, jenseits gewöhnlicher Klischees. Die Kölner Auswahl betont die ländliche Seite: Scheinbar auch idyllische Motive, die nicht idyllisch inszeniert werden, sondern von Brechungen und Kontrastierungen durchzogen sind. So tritt auf weitem Feld ein Schäfer mit Hirtenhund auf, wie aus einer anderen Zeit, darüber ein Flugzeug mit Kondensstreifen. „Das erinnert mich an die biblische Geschichte mit dem Stern von Bethlehem“, meint Mitstudentin Engelke dazu.


Foto: Jørgen Kube

Jørgen Kube „Places“ 2005/06

Mitten in der Nacht entstehen evokative Szenarien zwischen Dunkel, schummriger Beleuchtung und hellaufstrahlendem gleißendem Licht, die Jørgen Kube neutral „Places“ getauft hat. Bei seiner Arbeit setzt er sich zu ungewöhnlichen Zeiten mit der Erscheinung des öffentlichen Raums auseinander: Unterführungen, Parkplätze, speziell unter Hochstraßen sowie vor sich hin schlummernde Naherholungsgebiete. „Das Gefühl, dass dort etwas passieren könnte, spielt sich dabei meistens nur im Kopf ab. Die menschenleeren Plätze wirken oft unheimlich. Manchmal hat man den Eindruck einer Begegnung der dritten Art.“


Foto: Joanna Kosowska

Joanna Kosowska „Mother Earth“ – ein offenes Projekt seit 2004/05

Isländische Ansichten, dampfende Landschaften zwischen Natur und Zivilisation liefert Joanna Kosowska. Straßen, Zäune, Touristen und Busse dringen in die immer noch ungezähmte Zone von Land, Küste und Meer, Vulkanen, Dampf und Wolken ein. Die längst eingefahrene menschliche Routine prallt auf oder verschwindet in der Sphäre wuchtiger planetarer Elementarität. Wer wird siegen? (CH)


Die Ausstellung ist bei Galerie Lichtblick noch bis zum 28. August zu sehen: 
Galerie Lichtblick
Steinberger Straße 21
50733 Köln
Fon und Fax: 0221 72 92 49
Email: lichtblick@web.de
www.lichtblicknet.com

Siehe auch:
www.lichtblicknet.com
www.robertmorat.de
www.wolfgangzurborn.de



Online-Flyer Nr. 106  vom 01.08.2007

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