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Kultur und Wissen
The Spaghetti Western Orchestra in Köln
Ennio Morricone light!
Von Franziska Finke

„The Spaghetti Western Orchestra“, derzeit auf Deutschland-Premieren-Tour, zunächst in Hamburg, gab am 16. Juli 2007 in der Kölner Philharmonie mit drei Vorstellungen sein Debüt. Die fünf Solisten, Instrumentalisten, Sprecher und Chorsänger sind allesamt Multitalente: Patrick Cronin, der Erzähler und Trompeter, Graeme Leak, Schlagzeuger und Percussion, Boris Conley, Piano, Keyboards, Orgel, David Hewitt, Vibraphon und Percussion, Philip McLeod, als Bassist und mehr, führen auf ihre ganz spezielle Weise die bekannten Western-Melodien aus der Feder Ennio Morricones auf.

Denn, wer eine notengetreue Aufführung der bekannten Hits erwartet, wird ebenso verblüfft, wie der Filmfan, der die Szenen der Helden immer wieder in seinem Kopf abspult. Die Stärke der Gruppe liegt darin, dem Geist der Musik Morricones und den Filmen Sergio Leones gerecht zu werden – durch eine vitale, eigenwillige und unterhaltsame Umsetzung, zwischen Klassik, Symphonik und Jazz voller spielerischer Züge und amüsanter Varianten, in die das Publikum rasch und gerne mit einbezogen wird. Mit ihren klassischen, elektronischen und improvisierten Instrumenten treten sie wie die Desperados und Lonely Cowboys auf, die die Ohrwürmer aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Glorreiche Halunken“ und den „Nobody“- und „Dollar“-Streifen gleich mit parodieren.

Gummihandschuh-Vögel und Cornflakes-Stiefel-Schritte

Die fünf Protagonisten agieren nicht nur als Musiker, sondern auch als Darsteller, als „Performer“: Mit ihren weiß geschminkten Gesichtern und dunklen Anzügen sehen sie aus wie Figuren aus einem Stummfilm-Western, lauter Prototypen wie Barpianisten, Sargverkäufer und Totengräber aus einer Geisterstadt. Farbe bringen die filmische Ton- und Lichtregie (Steph O’Hara, Keith Tucker) und der Rhythmus der Musik in das Bühnengeschehen (Regie Denis Blais). In hohem Tempo wechselt das eingespielte Team zwischen virtuoser Musikeinlage, formaler und informeller Sprechrolle und hinterhältiger Geräuschproduktion, mit Elektronischer Singender Säge, Gummihandschuh-Vögeln und Cornflakes-Stiefel-Schritten.


David Hewitt beating the drums
Fotos: Heathcote, Bird, Box, Burdett-Coutts, Brinkemper

Eine phantasie- und humorvolle Umsetzung der Musik und ein satirischer Umgang mit der Frage, wie man einen Westernhelden bühnengerecht szenisch aufbaut oder auch wieder abschafft. Die Inszenierung bewegt sich zwischen einem „Making of“ und einem „Do it Yourself“, das vom Kölner Publikum gerne aufgegriffen wurde. Jeder Musiker beherrscht seine Instrumente virtuos, bleibt aber nicht brav an seinem Platz, sondern rennt zuweilen nach vorne ans nostalgische Radiomikrophon, um Geräuschimitationen oder eine Sprechrolle wie in einer alten BBC-Goon-Show aus den 50er Jahre über die Rampe zu bringen.

Jenseits von Gut und Böse

Damit liegen die Jungs aus Australien ganz richtig – auch der Italo-Western hatte immer mehrere Gesichter, billige Massenproduktionen, die tragisch-epischen Qualitätsfilme von Sergio Leone sowie die von ihm produzierten „Nobody“-Komödien und -Parodien. Der Italo-Western kennt kein Gut und Böse, er steht jenseits der Moral, die Situation ist eine Frage der Macht und wechselt andauernd zwischen Duell und Kooperation. Entsprechend pendeln die Musiker und Akteure zwischen den verschiedenen Stationen und Ebenen auf der Bühne, unterbrechen eine Szene und setzen plötzlich dann wieder mit Musik ein. So bleiben die Stimmungen und die Emotionen in Bewegung. Die Helden müssen eben weiterreiten oder werden weggetragen. Doch bei all dem werden Zuhörer und Zuschauer bestens unterhalten. Die Band liefert den vollen Morricone-Sound, aber für behagliches Zurücklehnen bleibt keine Zeit auf diesem Ritt durch die Themen- und Motiv-Welt des Meisters. So entsteht ein erfrischend neues Ennio-Morricone-Erlebnis. (CH)

Letzte Vorstellung in Köln: Mittwoch, 18. 07. 2007 – 20 Uhr
Lesen Sie auch dazu in dieser Ausgabe „Der Morricone Effekt"

Online-Flyer Nr. 104  vom 18.07.2007

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