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Christian Dior und Deutschland 1947-1957, Museum für Angewandte Kunst Köln
Große Mode zwischen Kunst und Industrie
Von Peter V. Brinkemper

New Look – 50er Jahre: Eine Etage voller Büsten und blass geschminkter Foto-Gesichter, androgyne, pagenhafte Damen, deren Feminität wie aus einem Flakon stammt, korsettartig an die Figur geschmiegte Haute-Couture-Modelle, Kostüme, Kleider und Mäntel, schmal getrimmte Schultern, flach angesetzte Busen, fast weggezauberte Taillen und enge Röcke, leichte Hüte, graziler Schmuck, eine Mode aus dem Geist einer konzeptuellen aufs Minimale reduzierten Körper-Architektur: Ein damals provokantes Re-Design der Frau aus dem Geiste eines Franzosen aus der Normandie, das in seinen formalen Spindeln und unorganischen Wespenformen bereits spätere kühne Entwicklungen der Mode und der Körperkultur vorweg nimmt und dabei auch Proteststürme entfachte.

Berlins Modenblatt, 1948: „Ein Pariser Modeschöpfer, keiner von den Alten, sondern einer von den Jungen, Wagelustigen kommt auf die, sagen wir es ruhig, absurde Idee, die unkleidsamste Mode aufleben zu lassen, die jemals erdacht wurde und hat einen Welterfolg! (...) In einem Zeitalter, das überall sich bemüht, der Frau die Gleichberechtigung zu erkämpfen, macht er aus Frauen hilflos zarte Geschöpfe“. Ob diese Diagnose stimmt, steht auf einem anderen Blatt.


Susanne Erichsen im Dior-Kostüm auf den Champs-Elysées in Paris, Linie H, Herbst/Winter 1954/55 | Foto: F. C. Gundlach, Stiftung F. C. Gundlach, Hamburg

Dazu Parfüm im nostalgischen Art-Deco-Blütenkelch, als Monstranz im dreiflügeligen Spiegel-Altar. Weltbekannte Modezeichnungen von Rene Gruau, der Christian Diors Skizzen mit einem Hauch von Toulouse Lautrec historistisch ausfabulierte. Reportage- und Modefotografien unter anderem von F.C. Gundlach, Willy Maywald, Walde Huth und Hubs Flöter, die den Diven-Glamour der Horst-P.-Horst-Modefotografie einer Marlene Dietrich der 30er und 40er Jahre noch einmal beschwören, aber auch marktgerecht schrumpfen lassen. Der strenge klassische Aufnahmestil der gut angezogenen Dame von Welt als exzentrischer modischer Silhouette wird auf den Laufsteg gesetzt oder in einer künstlichen Komposition wahlweise ins Interieur, aber auch schon in die Alltagsdämmerung der Streetphotography: an der Seine, auf den Champs Elysees oder dem Kurfürstendamm, immer noch abgesetzt von der Situation einer ganz gewöhnlich angezogenen und lebenden und arbeitenden Frau.


René Gruau, Mantelkleid von Christian Dior, Linie Tulipe, Frühjahr/Sommer 1953 | Tusche, Gouache Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Mode, noch als Muße, Status und Kunst an der Grenze zur Konfektion, als Original und als exklusive Lizenz, auch für die wohlhabende, gutsituierte deutsche Nachkriegsfrau. Das ist ein ästhetisches, aber auch wirtschaftliches und ein mediales Thema, das die damaligen Zeitschriften beherrscht, oft längst verloschene Namen: Berlins Modenblatt, Chic, Deutsche Illustrierte, Münchener Illustrierte, Film und Frau, Constanze Mode (seit 1948), Elegante Welt, Revue, Illustrierte Berliner Zeitschrift und den frühen Stern.

Internationale Lizenzproduktion

Die von der Berliner Kuratorin Adelheid Rasche in Zusammenarbeit mit Christiana Thomson betreute Ausstellung „Christian Dior und Deutschland 1947-57“ – zu sehen in Köln im Museum für Angewandte Kunst – sowie der fein zur Edelzeitschrift ausgestaltete Katalog zeigen instruktiv kommentierte Modellkleider, das genaue Konzept von poetisch-strukturellen Namen, Linie, Schnitt und Stoff, mit Roland Barthes also der gesamte vestimentäre Diskurs der Mode, dazu Accessoires und Parfüms.

Deutlich wird, wie der kunstsinnige und geschäftstüchtige Patriarch Dior sein 1946 gegründetes Modehaus seit seiner ersten Dior-Marken-Kollektion 1947 sofort zu weltweitem Erfolg mit einem rasant anwachsenden Kundenstamm in aller Welt führte, mit rund zwanzig Unternehmen auf fünf Kontinenten. Die Lizenzproduktion von Artikeln durch internationale und auch deutsche Firmen war ein wichtiger ökonomischer Pfeiler für die Expansion zwischen Manufaktur und Industrie: Dior-Synthetik-Feinstrümpfe mit der ballettösen Ferse, für viele unbezahlbar, produzierte Werner Uhlmann, Lippstadt, mit aus Philadelphia importierten Cotton-Maschinen, in einer noch nicht großindustriellen Fertigung, die die Technologie der Strumpfhose vorbereitete.

Daneben gab es lizensierten Schmuck – ausführlich bebildert und erläutert: Ohrclips, Colliers, Broschen und Armbänder, Hüte, Handschuhe, Taschen, Korsagen, Strickwaren. Die deutsche Modeindustrie wird als starker Wirtschaftszweig dargestellt, die Lizenzhersteller arbeiteten für verschiedene Marken und Händler im Ausland. Ob der Boom auf dem Arbeitsmarkt in den Anzeigenteilen der damaligen Zeitungen mit Dior zu tun hat, ist allerdings fraglich: Das Bekleidungsgewerbe sucht „Rock- und Hosenbügler, Stepper, Kürschner, Pelzmaschinennäherinnen, Blusennäherinnen, Zuschneiderinnen, Zeichner und Mannequins“. Mit seinem einzigen Besuch in Deutschland 1955, zwei Jahre vor dem tödlichen Herzinfarkt, unterstrich Dior seine Kontakte. Yves Saint Larent, der junge Assistent, rettete das Haus vor dem Ruin, was die kreative Seite betrifft.


Brosche „C DIOR" von Dior '51, hergestellt von Henkel & Grosse in Pforzheim, nach 1985. Foto: Bartsch – Sammlung U. und B. Grosse, Birkenfeld

Der Mythos der Haute Couture wurde bei Dior gleich durch massives Breitenmarketing und einen wegweisenden, europäisch und transatlantisch gedachten Wirtschaftskurs konsequent abgesichert und fand auch im stilistisch noch provinziellen und restaurativen Wirtschaftswunder-Deutschland, einer Region, in der man noch immer noch von „Damenoberbekleidung“ wie von „Krupp“ spricht, sein Publikum – zwischen Hamburg und München, Düsseldorf, Essen und Berlin, garniert mit offiziellen Empfängen, auf denen oft die seit dem Vorkrieg ungebrochen erhaltene Diplomatie, Politik und Prominenz antraten. Es sieht aber so aus, als habe man die Kleiderproduktion damals noch nicht aus französischer Hand gegeben. Das wollte man auch nicht, weil es sich hierbei um das Kerngeschäft handelte und weil es bei den reichen Kunden auch in Deutschland gut lief. Dass später im Laufe der 60er und 70er Jahre Burdamoden Dior-Schnitte zum Verkauf und Nachschneidern durch professionelle, in Warenhäusern angestellte oder freiberufliche Schneiderinnen anbot, steht dann auf einem anderen Blatt.

Die Idee der Lizenz hing damit zusammen, dass Dior für andere Produkte als die Kleider Lizenzen zur Produktion im Ausland vergab. In Deutschland vor allem deshalb, weil die damaligen Einfuhrzölle vor der europäischen Währungsunion zu hoch waren und sich nur eine Produktion vor Ort lohnte.

Zwischen Exklusivität und Expansion

Diors eigene Philosophie passt sich dem Selbstverständnis seiner exklusiven und betuchten Klientel ebenso an wie der Expansion des Marktes und dem sich abzeichnenden Trend zum Sparen und zur Verbilligung: „Die Couturiers zeigen alle sechs Monate ein prunkvolles Defilé. Diese schönen Kleider können sich nur wenige Zuschauerinnen leisten. Sie träumen davon. Die Millionen anderer Frauen werden sie niemals besitzen. Ein derartiger Luxus und Aufwand für einen so begrenzten Kreis könnte als Provokation wirken. Ich glaube es aber nicht. Die Mode muss nicht direkt erreichbar sein; es genügt, dass sie gegenwärtig ist.“


Dior demonstriert die neue kurze Rocklänge, Linie Vivante, Herbst/Winter 1953/54, | Foto: Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Gegenüber dieser elitären Äußerung in Sachen Mode als exklusive Bekleidung muss das Credo beim Modeschmuck (Dior: ABC der Mode, speziell für Deutschland) schon gemäßigter ausfallen: „Echter Schmuck ist der größte Luxus, den es gibt. Ich ziehe schönen Schmuck größtem vor. Einen großen Brillanten am Finger tragen, bedeutet nur, dass Sie viel Geld haben, hat aber mit Eleganz nichts zu tun. Für mich ist die Güte des Steines, die Zeichnung und die Fassung viel wichtiger als die Größe… Diejenigen unter Ihnen, die keinen echten Schmuck besitzen, sollten ruhig Modeschmuck tragen.“ Hier geht die absolutistische Kunst-Philosophie vom Wert des Materials und der seiner einzigartigen handwerklichen Verarbeitung von Stoff und Stein in die postmoderne kapitalistische Ästhetik der flexiblen Geschmacksbildung von Form, Funktion und Design über.

Christian Dior und Deutschland – die Ausstellung der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin ist im Museum für Angewandte Kunst Köln vom 30 Juni bis zum 30 September 2007 zu sehen.
(CH)

    Weitere Bilder der Ausstellung und ihrer Macherinnen


Kurzes Abendkleid von Christian Dior, Linie Y, Herbst/Winter 1955/56 Veröffentlicht in Constanze, 1955. | Foto: Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin



Starmannequin Lucky im Dior-Kleid, Paris 1955.
Foto: Walde Huth. Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin



Walde Huth vor dem Titel-Foto mit Lucky (Katalogcover- und Plakatmotiv)
Foto: Chr. Thomson




Dr. Christina Thomson und Walde Huth. 
Foto: P. Brinkemper



Online-Flyer Nr. 103  vom 11.07.2007

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