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Globales
Regierungsprogramm zur Landreform in Namibia gescheitert
Landreform in Namibia – (kein) Land in Sicht?
Von Endy Hagen und Gabi Pehle

130 Gewerkschafter, Mitglieder von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), Vertreter politischer Parteien und Ministerien diskutierten am 11. und 12. Mai 2007 in Windhoek über die Landreform. Den Kongress hatte die Gerwerkschaft der namibischen Farmarbeiter NaFWU ausgerichtet. Denn in  Namibia, von 1883 bis 1915 deutsche Kolonie, hat das koloniale Erbe auch die anschließenden Jahre der südafrikanischen Besatzung überdauert.

Eine Geschichte der Enteignungen 

Wie die Geschichte aller kolonialisierten Länder ist auch die Geschichte Namibias von Enteignungen geprägt: Bis im Gefolge der Missionare auch die Vertreter deutscher Handelsgesellschaften ins Land kamen, war ein Eigentumsbegriff im europäischen Sinne unbekannt und die Aufteilung des Landes hatten die Einheimischen unter sich ausgemacht – teils in Verhandlungen, teils durch gewaltsame Auseinandersetzungen. Die Vertreter der deutschen Kolonialgesellschaften nutzten diese Unerfahrenheit der afrikanischen Bevölkerungsgruppen mit europäischem Recht und ließen sich von deren Chiefs in betrügerischen Verträgen das Land übereignen.
 
Auf der Berliner „Kongo-Konferenz“ 1884/1885 wurde Afrika dann unter den europäischen Kolonialmächten aufgeteilt. Damit war die deutsche Vorherrschaft über Namibia auch politisch gesichert. Die deutschen Kolonialherren vertrieben die Afrikaner von ihrem Land beziehungsweise zwangen sie unter sklavenartigen Bedingungen zur Arbeit. Jeglichen Widerstand schlug die Kolonialmacht mit brutaler Militärgewalt nieder. Der Vernichtungskrieg der deutschen „Schutztruppen“ gegen die aufständischen Hereros, der in dieser Zeit stattfand, gilt als der erste systematische Völkermord in der Geschichte. 



Buchhandlung in Namibia
Foto: Gabi Pehle


Nach der deutschen Niederlage im ersten Weltkrieg kam Namibia unter britisch-südafrikanische Verwaltung. Die Besitzverhältnisse im Land blieben davon jedoch unberührt, und die rassistische und koloniale Politik wurde durch die südafrikanischen Apartheidsgesetze weiter perfektioniert.

Der Landreform-Kongress von 1991
 
Der Widerstand gegen die Besitzverhältnisse auf dem Land war eine der Wurzeln des antikolonialen Kampfes in Namibia. 1991, ein Jahr nach der Unabhängigkeit, fand unter Leitung der neuen SWAPO-Regierung[1] und mit Unterstützung der Oppositionsparteien ein Kongress statt, der die notwendige Landreform einleiten sollte. Dort wurde unter anderem beschlossen, dass ungenutztes Land in Staatseigentum übergehen solle. Landeigentümer, die nicht in Namibia lebten, sollten enteignet und die Arbeits- und Lebensbedingungen der Landarbeiter insgesamt verbessert werden. Dabei handelte es sich allerdings um reine Absichtserklärungen. Entsprechende Gesetze sowie Maßnahmen zu deren Durchsetzung wurden nicht beschlossen.
 
So setzte man vor allem darauf, dass weiße Landbesitzer ihren Boden freiwillig verkaufen würden. Dies nannte man  „Willing Seller-Willing Buyer-Prinzip“. Der Staat sollte dann jeweils das Vorkaufsrecht haben und vor allen Dingen auch wahrnehmen, um dergestalt eine einvernehmliche Umverteilung des Eigentums an Boden zu erreichen.
 
Willing Sellers – Willing Buyers?
 
Das Scheitern eben dieses „Willing-Seller-Willing-Buyer-Prinzips“ ist aus Sicht des Kongresses der NaFWU eine der Hauptursachen für die bislang schleppend verlaufende Umverteilung des Landes: Es habe nur einige weiße Farmer reicher gemacht und die Situation der armen und landlosen Bevölkerung habe sich kaum verbessert.
 
Einerseits verpflichte die namibische Verfassung die Politik dazu, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass allen Bürgern der Zugang zu Grund und Boden ermöglicht werde. Auf der anderen Seite garantiere sie den Schutz bestehenden Privatbesitzes. Die Position der NaFWU ist eindeutig: „Die Verfassung schützt existierende Eigentumsrechte an Land. Aber der Landbesitz gründet sich auf Diebstahl während der Kolonialzeit, der nachträglich gesetzlich abgesichert wurde.“, erklärte NaFWU-Vorsitzender Alfred Angula laut einem Bericht auf der südafrikanischen Nachrichten- Website IOL. Dieser ungelöste Widerspruch lähme den Prozess der Landreform und verhindere eine wirtschaftliche Entwicklung, an der alle Namibier beteiligt sind.


Alfred Angula im Büro der NaFWU
Foto: NaFWU


Ein ernüchterndes Fazit

 
Auch siebzehn Jahre nach der Unabhängigkeit ist ein großer Teil des namibischen Landes in weißem Privatbesitz und unzugänglich für Infrastrukturmaßnahmen der Regierung. Und entlassenen Farmarbeitern und Landlosen bleibt in Ermanglung von Siedlungsgebiet oft nur ein improvisiertes Dasein zwischen Zäunen und Straßenrändern oder in den immer größer werdenden Townships. „Wenn es ein besseres Leben für mich geben sollte, dann vielleicht nach meinem Tod im Himmel“, beschrieb ein Kongressteilnehmer seine Enttäuschung und Verzweiflung.
 
Aus den Misserfolgen der bisherigen Landpolitik zogen die Kongressteilnehmer den Schluss, dass die politisch Verantwortlichen endlich Schritte zur Durchsetzung einer Bodenreform beschließen und vor allem auch umsetzen müssen. Ein ganzer Handlungskatalog wurde daher entworfen, der nun auch der Regierung vorgelegt werden soll. 
 
Es geht um konkrete Schritte
 
So fordert der Kongress unter anderem, dass Landbesitz künftig nur noch im Land lebenden Namibiern gestattet sein soll. Andere Landbesitzer sollen innerhalb der nächsten zehn Jahre gegen Ausgleichszahlungen der Regierung enteignet werden. Ungenutzte und unproduktive Ländereien sollen ohne Entschädigung in den Besitz des Staates übergehen. Verbindliche Bodenpreise sollen Preisspekulationen verhindern, wirtschaftliche Konzentrationen im Agrarbereich per Gesetz ausgeschlossen werden.
 
Dies würde die Voraussetzung dafür schaffen, dass der Staat tatsächlich allen vertriebenen Farmarbeitern neues Land zur Ansiedlung anbieten kann, wie es die NaFWU fordert. Zugleich, so der Kongress, soll die Regierung Farmarbeiter und Landlose bei ihren Bemühungen um Neuansiedlung oder Umsiedlung unterstützen. Viele von ihnen können weder lesen noch schreiben und sind mit den gesetzlichen und formalen Verfahren überfordert.
 
Die weißen namibischen Farmer sollen aufgefordert werden, ihr Land mit ihren Farmarbeitern zu teilen, oder ihnen eine Kooperation in Form von Eigentums-Beteiligung anzubieten. Zudem forderten die Teilnehmer der Tagung in Windhoek, die gewerkschaftliche Interessenvertretung der Landarbeiter, die NaFWU, an den verschiedenen regionalen und staatlichen Umsiedlungs-Komitees zu beteiligen.
 
„Unrealistische Erwartungen“?
 
Die AZ, eine der drei Tageszeitungen Namibias, war in ihrer Stellungnahme zu diesem Kongress eindeutig. „Unrealistische Erwartungen“ titelte die – wie ihrer Kopfzeile zu entnehmen – „älteste Zeitung Namibias – Nachrichten von A-Z auf gut Deutsch“ daher am 29. Mai.
 
Sie wirft der NaFWU und ihrem Vorsitzenden Alfred Angula vor, bewusst zu ignorieren, dass das Ministerium für Ländereien und Neusiedlung seit der Unabhängigkeit „sage und schreibe 785 angebotene Farmen mit einer Gesamtfläche von 3,6 Millionen Hektar als ungeeignet abgelehnt und damit auf sein Vorkaufsrecht für diese Ländereien verzichtet habe. Tatsächlich bestätigt dies aber die Auffassung des Kongresses, dass das „Willing-Buyers-Willing-Sellers-Prinzip“ gescheitert ist, denn nur Farmer, die mit ihrem Land nichts anfangen können, sind bereit, es zu verkaufen. Unerwähnt bleibt auch, welche Preisvorstellungen diese Farmer hegten.
 
Einen Hinweis darauf gab Isak Katali, Vizeminister des Ministeriums für Ländereien und Neusiedlung, auf dem NaFWU-Kongress. Es gebe, so sagte er, nicht genügend Grundbesitzer, die bereit seien, ihre Farmen zu einem vertretbaren Preis an die Regierung zu verkaufen. Bevorstehende Enteignungen versuchten sie mit juristischen Mitteln zu verhindern oder zumindest zu verzögern.


Farmarbeitersiedlung entlang des Trans-Kalahari-Highways
Foto: Gabi Pehle


Kein zweites Zimbabwe
 
Es ist davon auszugehen, dass die SWAPO, die seit der Unabhängigkeit die absolute Mehrheit im Parlament stellt, an einer friedlichen Lösung des Landkonflikts interessiert ist. Zugleich steht sie unter Druck, die Versprechungen, die sie der Bevölkerung gegeben hat, auch einzulösen. Dies wird in Anbetracht der wirtschaftlichen Interessen und postkolonialen Borniertheit des Großteils der – meist weißen – Landbesitzer schwer werden. Will man aber eine gewaltsame Entwicklung wie in Zimbabwe verhindern, so gibt es keinen anderen Weg, als die Vorschläge des NaFWU-Kongresses in die Tat umzusetzen. (YH)


[1] Die South-West-Africa People’s Organisation war die nationale Befreiungsbewegung Namibias. Heute arbeitet sie als politische Partei und stellt seit der Unabhängigkeit des Landes 1990 die Regierung.


Online-Flyer Nr. 102  vom 04.07.2007

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