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Aktueller Online-Flyer vom 09. Mai 2024  

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Lokales
Wegen ihres Engagements für Frieden und gegen Atomkrieg
Lechenicher Musikerin wieder vor Gericht
Von Anne Lamprecht

Das Oberlandesgericht Koblenz wird im Zusammenhang mit dem möglichen Einsatz von Atomwaffen heute, Mittwochmorgen ab 10.45 Uhr, in der Ferdinand-Sauerbruch-Straße 17 über die Gewissensfreiheit von Soldaten und über die Meinungsfreiheit der Lechenicher Musikpädagogin Hanna Jaskolski und des Heidelberger Sozialpädagogen Hermann Theisen urteilen müssen. Beide waren vom Landgericht nach einer Flugblattaktion vor den Toren des Fliegerhorsts Büchel in der Eifel in erster Instanz freigesprochen worden. Die Koblenzer Staatsanwältin Harnischmacher ging jedoch in die Revision.

In dem Revisionsverfahren geht es um die Rechtmäßigkeit der Verteilung eines "Aufrufs an alle Bundeswehrsoldaten des Jagdbombergeschwaders 33" in Büchel, sich nicht an einem Krieg mit den im Fliegerhorst gelagerten US-Atomwaffen zu beteiligen. In der ersten Instanz beim Landgerichts Koblenz war Richterin Wild-Völpel zu dem Schluss gekommen, es sei eine "ernsthafte und diskussionswürdige" Meinung, dass "die Lagerung atomarer Waffen, bzw. die Beteiligung an und Unterstützung der nuklearen Teilhabe...völkerrechts- und verfassungswidrig" sei. Dies lasse den Schluss zu, dass Soldaten solchen Befehlen nicht gehorchen dürften.

Die kurze Revisionsbegründung der Staatsanwältin Harnischmacher bezieht sich auf diese Argumentation. Sie liest den Aufruf - nach Meinung des Komitees für Grundrechte und Demokratie durchaus zu Recht - so, dass darin auch die aktuelle Bereitstellung, die "Wartung, Instandhaltung, Einsatzübung und Bereithaltung der Tornado-Kampfflugzeuge" für Atombomben als rechtswidrige nukleare Teilhabe verstanden wird.

Sogar FDP, Grüne und SPD fordern Abzug der US-Atomwaffen

Nach Auffassung des Komitees hat seit dem Freispruch der beiden Angeklagten durch Landgerichtsurteil auch "diese dem Aufruf zugrunde liegende Auffassung vielfältige Bestätigung gefunden." Im Vorfeld der Konferenz zur Überprüfung des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung der Atomwaffen forderten sogar Vertreter verschiedener Parteien (FDP, Grüne, SPD) den Abzug der US-Atomwaffen aus Europa. Zwei Gutachten bekannter Juristen (Dieter Deiseroth, Bundesverwaltungsgericht und Bernd Hahnfeld, IALANA) belegen diese die Rechtswidrigkeit der nuklearen Teilhabe. Einiges spreche dafür, dass schon die Bereitstellung ein "versuchtes Verbrechen" sei.

Auch im Fall des Bundeswehr-Majors Pfaff urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass
dieser zu Recht Befehle verweigert hätte, die zur Teilhabe am völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak geführt hätten. "Mitdenkender Gehorsam ist", so das Komitee "von Soldaten verlangt, die auch als Soldaten ein Grundrecht auf Gewissensfreiheit haben".

Die 69jährige Musikpädagogin äußerte sich der NRhZ gegenüber vor dem erneuten Gang zum Gericht optimistisch: "Ich erwarte die Zurückweisung der Revision und damit die Bestätigung des Freispruchs, weil der Tenor der Urteilsbegründung von Richterin Wild-Völpel die Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit laut GG ist. Und diese wollte ich mit meiner Beteiligung an der Aktion ausüben, um damit auf die Völkerrechts- und Verfassungswidrigkeit der Bereitstellung von Atomwaffen im Rahmen der "nuklearen Teilhabe" Deutschlands hinzuweisen. Die Begründung für die Revision betrifft einen sekundären Gesichtspunkt des Flugblatttextes (ein Missverständnis der Richterin)."

Düsseldorfer Friedenspreis für Hanna Jaskolski

Nach Auffassung von Hanna Jaskolski kannte die Staatsanwaltschaft das Grundsatzurteil für Major Pfaff beim Einlegen der Revision möglicherweise noch nicht. Aber: "Sie hätte, als es bekannt wurde, den Antrag auf Revision zurücknehmen können. Das ist offensichtlich nicht in ihrem Sinn." Das zeige auch "die Anordnung einer Hausdurchsuchung bei meinem Mitangeklagten Hermann Theisen, die zur Beschlagnahme von Flugblättern mit dem inkriminierten Aufruf führte." Diese Beschlagnahmung sei aber inzwischen vom Landgericht Stuttgart "mit einer sehr detaillierten Begründung, die das Urteil des Landgerichts Koblenz fortschrieb, als illegal qualifiziert" worden. Eine klare Niederlage für die Staatsanwaltschaft.

Hanna Jaskolski beim Flugblattverteilen
Hanna Jaskolski beim Flugblattverteilen - Foto: NRhZ-Archiv


Hanna Jaskolski lebt seit 1968 mit ihrer Familie in Erftstadt-Lechenich. In dieser Zeit hat die ausgebildete Musikpädagogin mit ihrem Mann vier Kinder großgezogen, drei Töchter und einen adoptierten Jungen aus Bolivien. Die Adoption eines Kindes aus der Dritten Welt, 1973 alles andere als eine Selbstverständlichkeit und mit vielen Schwierigkeiten verbunden, wurde durch Terre des Hommes vermittelt. Eine Erftstädter Gruppe dieser Organisation wurde später auch auf Anregung der Familie Jaskolski gegründet. Auch bei "Pro Asyl" in Erftstadt ist die Familie gut bekannt, hier hat Hanna Jaskolski viele Jahre Flüchtlinge betreut.

Eines ihrer Hauptanliegen ist es, allen Kindern dieser Welt eine bessere Zukunft zu hinterlassen, und dazu gehört für sie "unabdingbar eine Welt ohne atomare Bewaffnung und Kriegsauseinandersetzungen". Sie ist Mitglied der katholischen Friedensbewegung "pax christi", stellt sich, zuweilen begleitet von Ehemann und Tochter, mit Trompete und Trommel auf den Lechenicher Marktplatz, fährt aber auch quer durch Europa, um beispielsweise während des Kosovokrieges 1999 in Belgrad "Solidarität mit den Opfern der Nato-Aggression" zu bekunden und Geldspenden an die Belgrader Gruppe der "Frauen in Schwarz für Frieden" zu überbringen.

Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises
Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises - Foto: NRhZ-Archiv


Bis heute hat die inzwischen 69-Jährige insgesamt acht Mal vor Gericht gestanden. Immer wieder wurde sie zu Geldstrafen verurteilt, 2003 ist sie für ihre Überzeugung bereits zum vierten Mal ins Gefängnis gegangen. Die längst fällige Würdigung ihres Engagements erfuhr sie im gleichen Jahr durch die Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises beim Ostermarsch Rhein-Ruhr.

Weiterführende Links:
www.jaskolski.de
www.grundrechtekomitee.de
Elke Steven - Tel: 0177-7621303

Online-Flyer Nr. 11  vom 28.09.2005

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