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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Medien
Breite Solidarität für NRW-Bürgerfunker auf Kundgebung in Köln
Bürger lassen sich ihre Stimme nicht nehmen
Von Rainer Stach

Nicht zu übersehen und zu überhören war die groß angelegte Protestkundgebung der Radiowerkstätten des nordrhein-westfälischen Bürgerfunks am vergangenen Samstag im Schatten des Kölner Doms. Trotz durchwachsenen Wetters kamen im Lauf des breit gefächerten Vier-Stunden-Programms mehr als tausend Menschen zur Bühne auf dem Roncalliplatz – Bürger, die sich dagegen wehren, dass die in Düsseldorf regierende CDU und FDP unter dem Deckmantel der „Qualitätsverbesserung“ ihrem Bürgerfunk den Garaus machen wollen. Ein Gesetzentwurf spricht von maximal einer Stunde künftiger Sendezeit, sagt aber nicht, wie viel es denn minimal sein soll. Die Bürgerfunker fragen: Wo bleibt die angeblich angestrebte Qualität, wenn die Quantität gegen Null gefahren wird?

Buergerfunker

Protest in den Medien „klein gekocht“

Vorweg ein Hinweis auf die „Qualität“ der Bürgerfunk-Konkurrenz in den Kölner Printmedien der Familie Neven DuMont: Dort schrieb man am Montag von rund 300 Teilnehmern, während in überregionalen Medien von „etwa 1000“ Teilnehmern berichtet wurde. Wie hätte man auch bei 300 Leuten auf der Kundgebung über 500 Protestunterschriften sammeln können – wobei man davon ausgehen muss, dass viele der Anwesenden als informierte Engagierte in den vergangenen Wochen längst unterschrieben hatten?

Allein diese manipulierte Berichterstattung beweist, wie nötig der Bürgerfunk in Köln wie in anderen Städten ist, wo die Bürger ansonsten den lokalen Zeitungsverlagen ausgeliefert sind. Und als wolle er das beweisen, verzichtete der öffentlich-rechtliche WDR auf einen Bericht auf seinem Sendeplatz „Lokalzeit“. Nicht nur die Bürgerfunker, auch eben nicht unwichtige Redner aus Politik und Gesellschaft und die Künstler wunderten sich im Nachhinein, warum für den WDR Umbaupläne für die Ringe, das Literatur-Marathon und Wolfgang Niedecken im Opernhaus wichtiger waren als die ansonsten weit über Köln hinaus beachtete Protestveranstaltung.

Breiter Schulterschluss gegen die Nutznießer

Auf der Bühne zeigten neben den solidarischen Kölner Kulturschaffenden zahlreiche Repräsentanten unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen, dass sie gegen die in Düsseldorf gewünschte Einschränkung des Bürgerfunks sind, die allein den Interessen der privaten Lokalfunkbetreiber und der dahinter versteckten Zeitungsmonopole sowie der Politiker, die sich vor kritischer Berichterstattung fürchten, dienen soll. Doch – das zeigte die Veranstaltung auch – die möglichen Nutznießer der Gesetzesnovelle reiben sich die Hände zu früh.

Pachl und Klaus
Solidarisch mit den Bürgerfunkern: Klaus der Geiger und Heinrich Pachl
Foto: NRhZ-Archiv


Das gilt für den Privatfunk, hier radio nrw, wo man behauptet, dass die Hörer abends gerade zu Bürgerfunkzeiten besonders scharf darauf sind, sein Dudelprogramm zu hören – mit der für seine Eigentümer so profitablen Werbung. Wobei die Landesregierung offenbar noch nicht begriffen hat, dass – ebenso wie im Fernsehen – Werbung der Abschalt- oder Umschaltfaktor ist und nicht der Bürgerfunk.

Der zweite große Nutznießer soll die Deutsche Hörfunkakademie sein, und Teilhaber ist dort – wie könnte es anders sein – wieder radio nrw. Die Gesetzesnovelle will nämlich kostspielige Qualifizierungsmaßnahmen vorschreiben, die dann für weit über tausend Bürgerfunker durchgeführt werden müssten. Das heißt: Man soll also künftig, um als Bürgerfunker öffentlich seine Meinung sagen zu können, erst mal Journalismus studieren, wobei eigentlich jeder weiß: Wer Journalismus studiert, muss danach im Beruf in der Regel die Meinung seines Verlegers publizieren.

Auf der Bühne das Bündnis „Pro Bürgerfunk“

Gleich zu Beginn gab der aktive Bürgerfunker Thomas Löber vom Radioclub Böcklerplatz das Motto für den Widerstand bekannt: „Wir Bürgerfunker werden weiter laut sein. Wir lassen uns nicht mundtot machen. Wir machen weiter. Wir werden weiter die Stimmen der Stadt sein, um ihre Geschichten zu erzählen.“ Anschließend sang er das aktuelle Kampflied des Bürgerfunks – hier der Refrain:

Hey, lasst sie uns hören, die Stimmen der Stadt!
Hey, lasst sie uns hören und macht sie nicht platt!
Mit Herz und Verstand wird Phantasie gemacht.
Der Bürgerfunk ist voll entfacht.
Hey, lasst sie uns hören, die Stimmen der Stadt!
Hey, lasst sie uns hören und macht sie nicht platt!

Buergerfunker
Bürgerfunker aus ganz NRW in Köln gegen die Landesregierung
Foto: NRhZ-Archiv


Wilfried Schmickler,

der unnachahmliche Kabarettist, stellte sich anschließend solidarisch in einem Beitrag an die Seite der Bürgerfunker. Sein Fazit: „Und in diesem ekelhaften Mediensalat, meine Damen und Herren, da braucht der Mensch einen engagierten Bürgerfunk wie der Fisch das Wasser, wie der Vogel die Luft oder wie die Macher dieses Bürgerfunks unser aller Unterstützung.“ Außer Schmickler bereicherten unter der engagierten Moderation von Hermann Rheindorf das Bühnenprogramm: Gerd Köster und Frank Hocker, Klaus der Geiger, Rolly Brings, Heinrich Pachl, die Magic Street Voices, Andrea Eberl und Simple Nergy.


Dr. Wolfgang Uellenberg van Dawen,

DGB-Vorsitzender Region Köln-Leverkusen-Erft-Berg, versicherte dem Bürgerfunk die Solidarität der Gewerkschafter: „Wir werden Eure Freiheit ohne Wenn und Aber verteidigen“, und sagte zum Gesetzentwurf: „Dieser Entwurf ist verfassungswidrig und er gehört in die Tonne! Das ist sein Platz! Dies ist auch ein Angriff auf die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, sich zu informieren und vor allen Dingen auch eine Vielfalt von Meinungen, von Aspekten zu hören. Das ist die Kapitulation einer demokratisch gewählten Landesregierung vor den Machtinteressen der Verlagsgruppen. Und dann sind wir wieder da, wo wir schon einmal waren, dass Freiheit der Presse heißt: Das ist die Freiheit der Verlagsgruppen und der Verleger, das zu verkünden, was sie selber wollen, das schreiben zu lassen, was ihnen Geld bringt, und das senden zu lassen, was sie in der Birne haben. Hier geht ein Stück Freiheit verloren!“


Hannelore Bartscherer,

Vorsitzende des Katholikenausschusses Köln, zugleich stellvertretende Vorsitzende der Veranstaltergemeinschaft bei Radio Köln, deckte die Gedankenlosigkeit der Gesetzesmacher auf, als sie zu den angeblichen Medienkompetenzprojekten Stellung bezog: „Hat sich die Politik bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfes eigentlich Gedanken darüber gemacht, welchen administrativen Aufwand sie für die Durchführung aufbaut? (...) Ich kann mir auch als stellvertretende Vorsitzende der Veranstaltergemeinschaft von Radio Köln nicht vorstellen, dass die Veranstaltergemeinschaften dies wirklich wollen können. (...) Darum appelliere ich an die Landespolitik und fordere die Verantwortlichen auf, den Bürgerfunk in seinen derzeitigen Rahmenbedingungen zu belassen, anzuerkennen, dass die Bürgerfunker und Bürgerfunkerinnen selbst Erhebliches tun, um Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung zu betreiben, das Erfolgsmodell Bürgerfunk als Partizipationsinstrument zu erhalten – und zum Schluss – der Einschränkung der Meinungsfreiheit und damit der Rundfunkfreiheit keinen Raum zu geben.“


Marc Jan Eumann,

medienpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, sagte den Regierungsfraktionen, was er von ihrem Plan hält: „Bürgerfunk ist für die SPD ein unverzichtbarer Bestandteil der Medienlandschaft. (...) Die Novelle von CDU und FDP ist der Anfang vom Ende des Bürgerfunks in Nordrhein-Westfalen. (...) Die zeitliche Reduzierung ist falsch. Die geplante Verschiebung auf 21 Uhr ist falsch (...), und die Kostenverschiebung wird falsch: Denn wer qualitativ aufwendigen Bürgerfunk haben will, der braucht auch eine verlässliche Finanzierung für die Radiowerkstätten. (...) Von Partizipation halten CDU und FDP nichts. Im Gegenteil: Vom Bürgerfunk mit seinen vielfältigen Facetten und Inhalten verstehen CDU und FDP nichts. Im Gegenteil: Denn nur, wer nichts vom Bürgerfunk versteht, kann sich diese Novelle ausgedacht haben.

Buergerfunker
Marc Jan Eumann, medienpolitischer Sprecher der SPD im Landtag
Foto: NRhZ-Archiv


Oliver Keymis,

Vizepräsident des Landtags, und Abgeordneter der Grünen, machte den Bürgerfunkern Mut: „Macht weiter mit dem Protest. Unsere Unterstützung ist dabei.“

Buergerfunker
Vizepräsident des Landtags Oliver Keymis, medienpolitischer Sprecher der Grünen
Foto: NRhZ-Archiv


Rolly Brings

ging in einer kurzen Rede neben einem engagierten musikalischen Beitrag ans Kölner Eingemachte: „Es ist auch etwas auffällig, dass hier bei den Reden so selten Namen genannt werden. Jeder weiß doch, dass dem Zeitungszar Neven Dumont Radio Köln gehört. Das weiß doch jeder. Dem gehört der Express, der Stadt-Anzeiger, die Rundschau.... Und wenn der was nicht will, dann kommt das nicht. Und dieser Journalist, der jetzt im Auftrag der CDU die neue Novelle geschrieben hat, das muss man sich mal vorstellen: Ein Journalist gräbt uns Demokraten ein Grab. Wir dürfen nicht mehr mitmachen. Wir dürfen nicht mehr Journalisten sein, nicht mehr Redakteure, nicht mehr Gestalter. Wir sollen nur klotzen und zuhören und abnicken. Aber das hätten die Herren gerne. Da sind wir gegen!“


Reiner Schmidt

von der Interventionistischen Linken schlug den Bogen zur globalen neoliberalen Politik, die weltweit Demokratie einschränkt: „Bürgerfunk ist ein kleines Stück lebendiger Demokratie. Das Stück soll jetzt noch kleiner gemacht werden zugunsten der privaten Medien bzw. soll vielleicht sogar ganz platt gemacht werden.“


Franco Clemens,

langjähriger Bürgerfunker und Organisator der eindrucksvollen Kundgebung, richtete eine „Grußadresse“ an den Ministerpräsidenten: „Lieber Herr Rüttgers, verarschen können wir uns selber. Wir wissen ja, hinter den Kulissen sitzen Leute, die eine Interessenslage haben. Mit Sachpolitik hat das überhaupt nichts zu tun. Und deshalb sollten wir Bürgerfunker klipp und klar einfach weiter die Fahnen hoch halten. Macht gegebenenfalls kaputt, was euch kaputt macht.“

Buergerfunker
Bürgerfunker und Organisator der Kundgebung: Franco Clemens
Foto: NRhZ-Archiv


Manfred Kock,

ehemaliger Präses des Rates der evangelischen Kirche, betonte zum Schluss der Kundgebung, auch Wirtschaft und Unternehmer hätten eine ethische Verantwortung für die Gesellschaft. „Wer die Sendezeiten des Bürgerfunks völlig an den Rand drängt, wer die Sendezeiten weiter beschneidet, handelt unverantwortlich.“ Genau dies aber tun CDU und FDP. Sie haben die Wirtschaftsinteressen des privaten Lokalfunks 1: 1 in ihren Gesetzentwurf eingebaut – gegen die legitimen Interessen der Bürger.

Der Kampf geht in die nächste Runde

Am Ende waren sich alle Teilnehmer auf und vor der Bühne auf dem Roncalliplatz einig, den Abgeordneten der Regierungskoalition in Düsseldorf ein klares Signal gegeben zu haben: Die haben als gewählte Volksvertreter eine Verantwortung gegenüber ihren Wählern, die es nicht hinnehmen werden, wenn sie einseitig Unternehmer- und Wirtschaftsinteressen den Vorrang geben sollten – zu Lasten des grundgesetzlich garantierten Rechts ALLER auf Meinungsfreiheit und zu Lasten der rundfunkgesetzlich vorgeschriebenen Meinungsvielfalt.

Zu befürchten ist allerdings, dass auch die Anhörung zum Gesetzentwurf im Landtag am 27. März keine Bewegung in die Reihen der Hardliner um Ministerpräsident Rüttgers bringen wird. Deshalb ist man sich schon heute unter den Bürgerfunkern darin einig: Dann wird sich die Landesregierung darauf einrichten müssen, nach dem Verfassungsschutzänderungsgesetz ein weiteres Gesetz in Karlsruhe kassiert zu bekommen. Siehe dazu auch den Bericht in NRhZ 86.

Einen Mitschnitt der Veranstaltung finden Sie in drei Audiofiles auf www.flok.de/rest/gefahr

Online-Flyer Nr. 87  vom 21.03.2007

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