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Krieg und Frieden
Interview mit Tornado-Einsatzverweigerer Oberstleutnant Rose
„Völkerrechts- und Verfassungsbruch!“
Von Peter Kleinert

Über Jürgen Rose, Oberstleutnant der Luftwaffe, der schon früher durch friedenspolitisches Engagement und als Vorstandsmitglied des „Darmstädter Signal“ bekannt geworden war, berichtete am Donnerstag das ARD-Magazin Panorama. Danach hatte Rose gegenüber seinem Vorgesetzten schriftlich erklärt, dass ihn dienstliche Arbeiten, die unmittelbar den Tornado-Einsatz in Afghanistan unterstützten, in Gewissenskonflikte bringen würden. Rose erwarte, dass er von solchen Tätigkeiten entbunden werde, hieß es in Panorama. Hier ein Interview mit dem Verweigerer.

Jürgen Rose: Völkerrrechts- und Verfassungsbruch
Jürgen Rose: Völkerrrechts- und Verfassungsbruch


Peter Kleinert: Ich habe Panorama nicht gesehen, sondern erfuhr von der Sendung über Sie aus der Presse. Bei welcher Einheit sind Sie Oberstleutnant, und was hat Ihre Arbeit da mit den Tornados zu tun, die mit ein paar hundert Soldaten nach Afghanistan geschickt werden sollen?

Jürgen Rose: Ich versehe meinen Dienst im Wehrbereichskommando IV in München. Dort bin ich unter anderem für die Organisation logistischer Unterstützungsleistungen für die Auslandseinsätze der Bundeswehr zuständig.

War Ihre Mitteilung eigentlich eine echte oder eine theoretische Befehlsverweigerung? Sie hätten ja eigentlich nicht per Tornado oder im Gefolge nach Afghanistan gehen müssen. Warum haben Sie trotzdem diese Befehlsverweigerung öffentlich erklärt?

Es ist richtig, daß ich selbst nicht nach Afghanistan hätte gehen müssen. Aber mein Auftrag bestand darin, den Einsatz der TORNADOS mit ganz konkreten logistischen Unterstützungsleistungen allererst zu ermöglichen. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, muß jedes Kampfflugzeug erst betankt, aufmunitioniert und gewartet sein, bevor es von der Runway abheben kann.

Da Sie eigentlich nicht nach Afghanistan hätten fliegen müssen: Welche Auswirkungen hat Ihre Gehorsamsverweigerung konkret für diesen auch meiner Ansicht nach gegen die Verfassung verstoßenden Tornado-Einsatz?

Zunächst einmal habe ich lediglich erklärt, mich aus Gewissensgründen nicht an dem ja nicht nur in meinen Augen existierenden Völkerrechts- und Verfassungsbruch zu beteiligen. Nun wird wohl ein anderer Kamerad diesen Auftrag bekommen. Dieser wird dann wohl ebenfalls sein Gewissen prüfen und dann danach handeln müssen.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass „die Bundeswehr“ Sie für Ihre Haltung nicht bestraft, sondern dass man das akzeptiert. Wer ist in diesem Fall „die Bundeswehr“? Mit welcher Begründung akzeptierte man Ihre Verweigerung? Und: Haben Sie mit dieser freundlichen Reaktion gerechnet?

Zunächst einmal hat mein zuständiger Disziplinarvorgesetzter entsprechend den rechtlichen Vorgaben, die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Juni 2005 in seinem epochalen Urteil zur Gewissensfreiheit von Soldaten gemacht hat, entschieden, mir eine „gewissensschonende Handlungsalternative“ zur Verfügung zu stellen und mich in eine andere Abteilung des Wehrbereichskommandos abgeordnet. Darüber hinaus wird im Bundesministerium der Verteidigung soweit ich weiß die Begründung meiner Gewissensentscheidung noch weiter geprüft. Diesbezüglich steht das endgültige Ergebnis noch aus. Da ich meine, daß ich mich mit dieser Begründung innerhalb der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtsurteils bewege, erwarte ich, daß das Verteidigungsministerium meinem Antrag stattgibt.

Ich habe inzwischen eine - von den Medien kaum beachtete - Pressemitteilung der Links-Fraktion im Bundestag veröffentlicht, wonach diese gegen den Tornado-Einsatz Verfassungsbeschwerde einlegt, und zwar in einer weniger alibimäßigen Form als die beiden Unionsabgeordneten, deren Beschwerde im Handumdrehen abgelehnt werden konnte. Geben Sie der Klage der Links-Fraktion, die sich dazu offenbar durch Sie angeregt fühlte, eine bessere Chance? Wenn ja, warum?

Es war eher so, daß meine Gewissensentscheidung zunächst ganz entscheidend von den Einlassungen der Abgeordneten Wimmer und Gauweiler beeinflußt war. Umso mehr fühlte ich mich dann später bestätigt, als ich erfuhr, daß auch die LINKE als Fraktion in Karlsruhe klagen wollte. Wie die Chancen vor dem Bundesverfassungsgericht stehen, läßt sich schwer beurteilen. Auf jeden Fall kann die Klage einer Bundestagsfraktion nicht so leicht vom Tisch gewischt werden.

Gibt es Ihrer Kenntnis nach weitere Soldaten, die den Einsatz in Afghanistan inzwischen verweigert haben?

Darüber habe ich keine Informationen. Allerdings haben einige Reservisten unter Bezugnahme auf die in ihren Augen rechtswidrigen Auslandseinsätze der Bundeswehr mittlerweile nachträglich den Kriegsdienst mit der Waffe insgesamt verweigert.

Sie gehören zum Arbeitskreis Darmstädter Signal. Haben Sie früher schon einmal mit Hinweis auf die Verfassung einen Befehl verweigern müssen?

Nein, da ich bis dato nicht in völkerrechts-  oder verfassungswidrige Einsätze direkt verwickelt war, brauchte ich das nicht. Allerdings habe ich mittlerweile selbst eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Dabei geht es um die Verletzung meines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung im Kontext des völkerrechtswidrigen Aggressionskrieges gegen den Irak, der von der Bundeswehr auf Anordnung der rot-grünen Bundesregierung vorbehaltlos unterstützt worden war.

Arbeitstreffen von Soldaten im Darmstädter Kreis
Arbeitstreffen von Soldaten im Darmstädter Kreis
Fotos: Darmstädter Kreis


Wann und warum sind Sie dem Darmstädter Signal beigetreten? Hatte das Folgen für Sie, und welche? - z.B. für Ihre Karriere? Wissen Sie von negativen Folgen für andere Soldaten?

Dem Arbeitskreis kann man nicht formell beitreten, wohl aber dem Förderverein. Die Soldaten, die sich im Arbeitskreis Darmstädter Signal engagierten, waren durchaus Repressionen seitens des Bundesministeriums der Verteidigung ausgesetzt. Am härtesten wurde gegen die Unterstützer des vom Bundesverfassungsgericht ergangenen sogenannten „Mörder-Urteils“ vorgegangen. Damals wurden auf Geheiß des Verteidigungsministers viele kritische Offiziere degradiert. Erst ein Bundesverfassungsgerichtsurteil hat diesem Spuk ein Ende bereitet. Aber auch heute noch ist es nicht karrierefördernd, wenn Soldatinnen und Soldaten sich in unserem Arbeitskreis engagieren.

Online-Flyer Nr. 87  vom 21.03.2007

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