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Medien
Kriegsstimmung gegen Iran mit propagandistischen Pamphleten geschürt
KStA enttarnt die „Herren der Bombe“
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Der Kölner Stadtanzeiger hat sich noch nie durch Opposition gegen die jeweils herrschende Meinung hervorgetan. In letzter Zeit aber zeigt Alfred Neven DuMonts Leitblatt in der Berichterstattung zum Themenkomplex Iran, USA und Israel eine teilweise erschreckende Tendenz, die sich kaum anders als „Förderung von Feindbildern und Kriegsbereitschaft“  zusammenfassen lässt. Die im Folgenden analysierte KStA-Doppelseite vom 8.2.2007 ist dafür nur ein Beispiel.

Ausschnitt Kölner Stadtanzeiger
'Der Herr der Bombe', Kölner Stadt-Anzeiger, 8.2.2007, S. 6/7
Foto: NRhZ-Archiv



Zerrbild und Schreckgestalt

Im Mittelpunkt der Doppelseite im Politik-Teil vom 8. Februar steht ein großes Bild von einer Militärparade im Iran. Bildunterschrift: „Der Herr der Bombe...“. Die „Bombe“ bezeichnet im weit verbreiteten und hier verwendeten Vokabular die Atombombe. Und mit „Herr“ ist eindeutig Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad gemeint, an bei dieser Parade eine Bombe oder Rakete vorbeigefahren wird. So soll Ahmadinedschad zur Schreckgestalt aufgebaut, als Inkarnation feindlicher Bedrohung dämonisiert werden. Überschrieben ist das Bild mit „Auf Kollisionskurs“, als wäre es der Iran, der auf einen Krieg zusteuert. Wer aber steht hinter dieser entstellenden Propaganda?


Ausschnitt Kölner Stadtanzeiger
"Die Angst vor der Bombe", KStA, 8.2.2007, Titelseite
Foto: NRhZ-Archiv


Schon auf der Titelseite der Zeitung wird mit einem Bild von US-Präsident Bush und Irans Präsident Ahmadinedschad (im Osama-bin-Laden-Look) auf diese Propaganda-Präsentation hingewiesen, deren Gestaltung für den Kölner Stadt-Anzeiger sehr ungewöhnlich ist: Ein Thema auf einer Doppelseite ausgebreitet, und das zentrale Bild auf zwei Seiten über den Falz hinweg gezogen - das sieht man in dem Blatt ausgesprochen selten. Dem Publikum wird  signalisiert: Es geht um etwas Besonderes, Außergewöhnliches.

Unabhängiger Journalismus oder Geheimdienst-PR?

Als Artikel und Bilder erschienen, näherte sich das Ende des Ultimatums gegen den Iran. Zeit also für eine ganz besondere Einstimmung auf das, was vielleicht danach kommen könnte. Und während der Lektüre reift die Frage: welchen Bezug hat die Doppelseite zu Israel und seinen Geheimdiensten?

Links neben dem Bild lesen wir den Artikel eines Autors, der für "Memri" arbeitet. Memri ist die Abkürzung für "Middle East Media Research Institute". Diese Organisation mit Hauptsitz in Washington - und einer Zweigstelle z.B. in Berlin - wurde gegründet von Yigal Carmon.
Wer ist Yigal Carmon?

"Er diente mehrere Jahre im israelischen Militärgeheimdienst [Aman] und war dort einer der führenden Offiziere der 'Unit 504', welche für die Anwerbung von Informanten in arabischen Staaten zuständig ist und auch als 'Mini-Mossad' bezeichnet wird. Sie war nach Aussage des Kommandeurs der UN-Truppen im Südlibanon, Timur Göksel, für die Führung der 'Südlibanesischen Armee', einer israelischen Hilfstruppe verantwortlich, der zahlreiche Menschenrechtsverstöße wie Folterungen oder Ermordung politischer Gegner zur last gelegt werden."

Das aber finden wir nicht im Kölner Stadt-Anzeiger, sondern in einem Artikel des Islamwissenschaftlers Henner Kirchner, leicht verändert wiedergegeben in "inamo", Ausgabe 32/ Winter 2002. "inamo" ist die Publikation des "Informationsprojekts Naher und Mittlerer Osten" (inamo). Im Kölner Stadt-Anzeiger erfahren wir über den aus Carmons "Memri"-Organisation stammenden Autor nur: "Wahied Wahdat-Hagh ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Iran-Experte unter anderem für das Middle East Media Research Institute (Memri) in Berlin." - Jeglicher Bezug zu den USA sowie zu Israel und dessen Geheimdienst wird den Stadt-Anzeiger-LeserInnen vorenthalten.

Rechts neben dem Bild finden wir einen Artikel von Yossi Melman. Er ist israelischer Autor und Journalist, zur Zeit bei der israelischen Tageszeitung Ha’aretz - bei der Alfred Neven DuMont, wie die NRhZ im August in ihrer Ausgabe 57 berichtete, vor einiger Zeit mit 25 Millionen Euro eingestiegen ist - und schreibt über Operationen der israelischen Geheimdienste Mossad und Aman im Iran:

Alfred Neven
Alfred Neven – lässt schon mal Ha’aretz-Autoren im KStA schreiben
Foto: NRhZ-Archiv


"Dass Israel als letzte Option zumindest die drei entscheidenden Fabriken in Natans, Isfahan und Arak angreifen könnte, ist nicht auszuschließen, allerdings nur in Absprache mit den USA. Dennoch konzentrieren sich Israels Geheimdienste zunächst auf andere Optionen [...]. Der Mossad und der Militärgeheimdienst Aman [...] [versuchen], das Atomprogramm zu sabotieren, indem Computer oder das Stromnetz attackiert und wichtige Forscher unter Druck gesetzt oder vom Projekt entfernt werden."

Und weiter im Text von Melman: "Professor Ardashir Hosseinpour starb Mitte Januar 2006 unter mysteriösen Umständen. Sechs Tage danach berichteten iranische Medien, der iranische Atomwissenschaftler sei gestorben, nachdem er 'Qualm' eingeatmet hatte. Vergangene Woche nun vermutete das US-Beratungsunternehmen 'Stratfor', das auf Geheimdienste spezialisiert ist, Hosseinpour sei von Israels Auslandsgeheimdienst Mossad vergiftet worden."

Das klingt nach Aufklärung. Ist es vielleicht auch. Aber die Information ist verpackt in Gedanken, die die Leser mit der Vorstellung eines Angriffs Israels auf den Iran vertraut machen (sollen?). Es ist unverblümt von „Angreifen“ die Rede. “Für Israel sind alle Szenarien denkbar“ ist der Artikel überschrieben.

"Die Achse des Guten" gegen das "Reich des Bösen"

Dann gibt es auf dieser Doppelseite gleich einige Artikel von Tobias Kaufmann, der aufmerksamen Lesern schon mehrfach durch seine reißerische, demagogische Art aufgefallen. Auf Seite 1 der Wochenendbeilage in der Sylvesterausgabe 2006 konnte er sich über Israels Krieg gegen den Libanon verbreiten. Dabei suggerierte er, es sei die Hisbollah gewesen, die mit der „Entführung“ von israelischen Soldaten den Krieg herbeigeführt habe. Am 9.1.2007 füllte er fast eine ganze Seite im Kulturteil mit einem Plädoyer für das Recht auf Feinde und Gewalt ("Hitler wurde mit Gewalt beseitigt, mit brutaler Gewalt sogar"). Die Hinrichtung Saddam Husseins sei nicht der richtige Moment, gegen die Todesstrafe aufzutreten. Und am 17.2.2007 klassifizierte er Putins Aufsehen erregende Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die ahnen ließ, wie die US-amerikanische Geostrategie Russland ins Visier nimmt, als "Kulturschock der Woche" (siehe dazu NRhZ 83).

Kostarikatur
Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Wer ist Tobias Kaufmann? Er ist Mitglied im Netzwerk des SPIEGEL-Autors Henryk M. Broders „Die Achse des Guten“ (einem Bestandteil der USA-Israel-Lobby), war Autor und Reporter für das ORB-Fernsehen und dann Redakteur der Wochenzeitung Jüdische Allgemeine, der Zeitung, die am 17.3.2005 Henryk M. Broder in einem Artikel mit dem Titel 'Freispruch für Israel' schreiben ließ: "Israel ist heute mehr Täter als Opfer. Das ist auch gut und richtig so. Es macht mehr Spaß Täter statt Opfer zu sein." Seit 1. Oktober 2006 ist Tobias Kaufmann Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger und spielt dort - offenbar Ressort-übergreifend - eine tonangebende Rolle.

Den Memri-Autor Wahied Wahdat-Hagh läßt der Kölner Stadt-Anzeiger im Artikel „Das Atomprogramm bleibt Staatsräson“ wie folgt zu Wort kommen: "Der Iran ist fest entschlossen, sein Urananreicherungsprogramm entgegen der Resolution 1737 der Vereinten Nationen umzusetzen. Teheran besteht auf seiner Position, im Rechtsrahmen der internationalen Atomenergiebehörde zu handeln und Uran anreichern zu dürfen. Ein Kommentator der Zeitung 'Kayhan', die als Sprachrohr der religiösen Führung gilt, verkündete gar, der Westen werde gezwungen sein, Irans Position zu akzeptieren."

Das klingt alles in allem sachlich, wäre da nicht das kleine Wort „gar“. Es fällt kaum auf, reicht aber aus, um das völkerrechtlich korrekte Verhalten des Iran als irrwitzig hinzustellen. Unvorstellbar, dass der „Westen“' den Iran bei Schritten im Rahmen des völkerrechtlich verbrieften Rechts gewähren lässt, wenn dies den Interessen der USA widerspricht.

Dissidenten: im gegnerischen Lager immer beliebt

Dann schreibt der Memri-Autor über Dissidenten. Dissidenten sind immer beliebte Objekte, wenn sie im gegnerischen und nicht im eigenen Machtbereich auftreten. In diesem Fall handelt es sich um Dissidenten im Iran, die deshalb von großer Bedeutung sind. Wahied Wahdat-Hagh gibt ihnen mit folgender Passage Raum: "Akbar Ganji, ein islamischer Dissident, warnt jedoch vor allen Flügeln des herrschenden Systems. Er ist zwar gegen einen Krieg, betont aber, dass ein Wandel auch mit den Reformislamisten im Rahmen der herrschenden Verfassung und ihrer Diktatur nicht möglich sei. So erkennt die iranische Staatsdoktrin die Existenz des Staates Israel nicht an. Zudem sollen nach Ansicht des Establishments alle prowestlichen Regierungen in der islamischen Welt gestürzt werden. Ein solches Konzept scheint in der Tat grundsätzlich ein Hindernis für die Demokratisierung der Region zu sein. Für die iranischen Dissidenten verschiedener Richtungen ist die Hoffnung auf einen inneren Reformprozess deshalb erschöpft. Sie wünschen sich einen grundlegenden Wandel. Dies aber scheint innerhalb eines totalitären Regimes nicht möglich."

Heißt das: Die Dissidenten sind gegen einen Krieg, aber Krieg ist die einzige Lösung? Heißt das: Ein Staat, der insbesondere die Existenz des Staates Israel nicht anerkennt, hat keine Existenzberechtigung und muss deshalb beseitigt werden?

Tobias Kaufmann ist jemand, der es versteht, sich selbst Fragen zu stellen und sie dann auch gleich zu beantworten, z.B. Frage 3: "Welche Befürchtungen verknüpfen sich mit Irans Atomprogramm?" Antwort: "Vor allem die Bombe in Verbindung mit dem derzeitigen Regime stellt eine Gefahr dar. Teile der politischen Führung des Iran, darunter Präsident Ahmadinedschad, sind radikale Islamisten, die den 'Märtyrertod' als erstrebenswert ansehen. Deshalb könnten sie rationalen Argumenten wie der drohenden eigenen Vernichtung - die im Kalten Krieg das 'Gleichgewicht des Schreckens' ermöglichte - nicht zugänglich sein. Israel fürchtet, der Iran könnte seine Rhetorik von einer 'Welt ohne Zionismus' in die Tat umsetzen. Der Iran könnte zudem Atomwaffen Terrorgruppen wie der libanesischen Hisbollah-Miliz zugänglich machen."

Wir wollen keinen Krieg, aber er muss sein

Tobias Kaufmann konstruiert in dieser von Unterstellungen durchsetzten Antwort das Feindbild, wie es für einen Krieg benötigt wird. Und im Artikel „USA erhöhen den Druck - Washington behält sich alle Optionen vor - auch einen Krieg“ schreibt er: "Clawson und Eisenstadt [...] wollen einen Präventivschlag [...] nicht ausschließen. Der republikanische Senator John McCain hält einen nuklearen Iran für das schlimmstmögliche Szenario, schlimmer noch als einen Krieg gegen das Mullah-Regime. 'Ich möchte kein militärisches Vorgehen. Aber ich kann es nicht ausschließen', sagt auch er." - Heißt das: er möchte keinen Krieg, aber geführt werden muss er?

Den republikanischen Senator John McCain, der gerade seine Kandidatur für die Nachfolge von G.W. Bush angekündigt hat, kennen wir. Er tritt in seiner scharfmacherischen Art mit „schöner“ Regelmäßigkeit bei den jährlichen Münchner Sicherheitskonferenzen auf. Wer aber sind Clawson und Eisenstadt, die einen Präventivschlag gegen den Iran nicht ausschließen wollen?

Die wirklichen „Herren der Bombe“Richard Perle

Richard Perle - treibende Kraft bei den „Herren der Bombe“
Foto: NRhZ-Archiv



Patrick Clawson und Michael Eisenstadt - so erfahren wir - arbeiten für das 'Institut für Nahost-Politik' in Washington. Das suggeriert Neutralität. Der eigentliche, englischsprachige Name lautet etwas anders: 'Washington Institute for Near East Policy'. Mitglieder im 'Board of Advisors' dieses Think Tanks sind u.a. Lawrence S. Eagleburger, Alexander Haig, Max Kampelman, Samuel W. Lewis, Edward Luttwak, Michael Mandelbaum, Robert McFarlane, Martin Peretz, Richard Perle, James Roche, George P. Shultz, R. James Woolsey,... Bei vielen Namen stutzen wir. Aber bei einem stockt uns regelrecht der Atem: Richard Perle, treibende Kraft im 'Project for a New American Century' (PNAC), das die Festigung und Ausweitung der weltweiten Vorherrschaft der USA plant, und Leiter der 'Study Group on a New Israeli Strategy Toward 2000' und in diesem Zusammenhang Verfasser eines Papiers von 1996 mit dem Titel 'A Clean Break - A New Strategy for Securing the Realm' [Ein sauberer Bruch - Eine neue Strategie zur Sicherung des Reichs], eines Papiers, das den friedenspolitischen Weg im Nahen Osten aufkündigt und Kriege zunächst gegen den Irak, dann gegen den Libanon und schließlich gegen Syrien und den Iran postuliert.

Spätestens jetzt wissen wir, woher der Wind weht. Jetzt können wir uns vorstellen, wer Tobias Kaufmann ist und woher er seine Inspirationen bezieht, wo die Ideen zu dieser Doppelseite geboren worden sind und in welchen Köpfen der „Herr der Bombe“ entstanden ist. Es sind die Köpfe der tatsächlichen Herren der Bombe, die planen, den Iran mit dieser Bombe anzugreifen.

Online-Flyer Nr. 85  vom 07.03.2007

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