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Inland
Vorwort zum „Weissbuch - In Sachen Demokratie“
NPD und Verfassungsschutz abschaffen!
Von Ulrich Sander

Die NPD wurde im November 1964 in Hannover gegründet. Ihr traten sofort zahlreiche alte Nazis und junge Neonazis bei. Darunter die V-Leute und wohl auch bewährten Jungnazis Wolfgang Frenz und Udo Holtmann vom Verfassungsschutz, die es zu Bundesvorstandsmitgliedern brachten. Oberster Agentenführer war Verfassungsschutzpräsident Hubert Schrübbers (Ex-NSDAP-Mitglied), vor 1945 in Hamm an zahlreichen harten Urteilen in Hochverratsprozessen gegen antifaschistische Widerstandskämpfer beteiligt. Schrübbers’ Chef war Bundesinnenminister Dr. Gerhard Schröder, früher SA, nunmehr CDU.

Die der CDU nahestehende Zeitung „Rheinischer Merkur” schrieb damals: „Der Verfassungsschutz scheint sich fast ausschließlich mit der Abwehr kommunistischer Agenten zu beschäftigen und das verfassungswidrige Treiben völkischer Ideologen, das auf die Rehabilitierung der Kernstücke des Nationalsozialismus zielt, nicht so wichtig zu nehmen.”
Der Verfassungsschutz wurde von ehemaligen Nazis im starken Maße beeinflusst, und „das Amt” hatte von Anfang an in der NPD „seine Finger drin” und seine Leute platziert. Es ist also verfehlt, den heutigen Innenministern allein die Schuld am Desaster von Karlsruhe – d.h. am Platzen des NPD-Verbotsverfahrens - zu geben. Die amtlichen V-Leute im NPD-Apparat stellten für diesen von Anfang an die Schutzengel dar. Sie waren nunmehr sogar in der Lage, die NPD vor dem Verbot zu bewahren.

Das Bundesverfassungsgericht habe hinsichtlich des missglückten NPD-Prozesses nicht anders handeln können, wurde gesagt. Zu unrecht. Allenfalls wurde kritisiert, das Gericht habe nicht inhaltlich Stellung bezogen. Auch das stimmt nicht ganz. Im Zusammenhang mit dem Neonazismus hat das Gericht mit dem Spruch einer Kammer von drei Verfassungsrichtern immer wieder dafür gesorgt, dass Neonazibanden auf den Straßen unseres Landes aufmarschieren und Organisationsverbote der Bundes- und Länderinnenminister umgehen durften: Den Neonazis wurde bescheinigt, allenfalls eine „missliebige Meinung” zu vertreten. Damit wurden Verwaltungsgerichte, die der Meinung waren, dass „sich eine rechtsextremistische Ideologie auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren lässt” (so das oberste Verwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen), ausgebremst.

Die drei Verfassungsrichter aus der Karlsruher Kammer, die zugunsten der Naziaufmärsche votierten und die im Namen aller 16 Verfassungsrichter sprachen, wurden nie von diesen Richtern korrigiert. Die Sympathien mancher Karlsruher Richter, so musste man vermuten, waren grundsätzlich eher bei den Rechten angesiedelt. Die NPD kann jetzt ihre Hetzkampagnen ausweiten und sich immer frecher gebärden. Beruhigt kann sie ihrem 40. Gründungstag entgegengehen.

Es sei die sarkastische Frage erlaubt: Vielleicht kann dann der ehemalige Bundespräsident und vormalige Bundesverfassungsgerichtspräsident Roman Herzog (CDU) zum Festvortrag gewonnen werden? Etwa über das Thema: „Wie ich den Artikel 139 des Grundgesetzes – andauerndes Verbot des Nationalsozialismus entsprechend den alliierten Bestimmungen von 1945 – unwirksam machte und wie mir dabei mein teurer Lehrer Prof. Maunz half.” Maunz und Herzog gehören zu den maßgeblichen Grundgesetzkommentatoren, und ihnen gelang es zu erreichen, dass kein Richter und Staatsanwalt mehr mit dem Artikel 139 Grundgesetz gegen die Nazis und Neonazis arbeitet, obwohl er noch immer im Grundgesetz enthalten ist. Prof. Dr. Theodor Maunz war führender Staatsrechtler sowohl in der NS-Zeit als auch in der westdeutschen Nachkriegsrepublik; von 1957 bis 1964 war er CSU-Kultusminister in Bayern; er musste infolge von Enthüllungen aus der DDR entlassen werden. Nach seiner Entlassung vertrieb er sich die Zeit u.a. mit Gutachten über die Frage, wie die DVU des Herrn Dr. Frey aus München ein Parteiprogramm und -statut bekommt, das grundgesetzlichen Prüfungen standhält.
Gerichte, Geheimdienste, Strafverfolgungsbehörden, ja ganze Politikergenerationen haben immer wieder versagt, wenn es um die Zurückweisung alter und neuer Nazis ging. Da wird es schon besser sein, wenn mündige Demokraten dafür sorgen, daß die Feststellung verantwortungsvoller Verwaltungsrichter von der grundsätzlichen Illegalität rechtsextremistischen Handelns in wirkungsvolle öffentliche Bewegung umgesetzt wird.

Sowohl die Abschaffung der NPD wie des Verfassungsschutzes sind auf die Tagesordnung zu setzen. Zur Erörterung dieser Tagesordnung kann es hilfreich sein, das vorliegende „Weißbuch” immer wieder zur Hand zu nehmen. Es zeigt ein Stück Geschichte auf, die nicht „erledigt” ist. Es gilt, die Lehren der Geschichte von vor und auch von nach 1945 zu beherzigen.

Ulrich Sander hat diesen Text als Vorwort zu dem 1964 erstmals erschienenen und 2004 im Verlag Druckwerkstatt Ren neu herausgegebenen „Weissbuch – In Sachen Demokratie“ der VVN-BdA geschrieben. Lesen Sie dazu auch den Beitrag über „Pro Köln“ in dieser NRhZ-Ausgabe.
Siehe auch www.vvn-bda.de



Online-Flyer Nr. 81  vom 07.02.2007

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