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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Arbeit und Soziales
Landesbezirkskonferenz der Erwerbslosen in ver.di NRW
Solidarität lohnt sich!
Von Gabriele Schmidt

Am Donnerstag trafen sich gewählte Vertreter gewerkschaftlich engagierter Erwerbsloser von ver.di in Düsseldorf, um Strategien für ihren Kampf gegen die weitere Demontage des Sozialstaats auszuloten. Man sucht Verbündete in allen Teilen der Bevölkerung, um die sofortige Erhöhung des Arbeitslosengeldes II auf mindestens 420 Euro, die mittelfristige Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 1.200 Euro im Monat, einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro die Stunde und die Beendigung der Ausgrenzung von Langzeiterwerbslosen bei der beruflichen Qualifizierung politisch durchzusetzen. Man gibt sich kämpferisch. Die Geschäftsführerin von ver.di NRW, Gabriele Schmidt, brachte in ihrer Rede die aktuellen Probleme auf den Punkt. Die Redaktion.

Heute wird diese Konferenz nicht nur VertreterInnen in die Gremien wählen, sondern auch wichtige Anträge beraten und entscheiden. Beides, die Wahlen und die Beschlüsse sind eine wichtige Grundlage für die Gewerkschaftsarbeit in den nächsten vier Jahren. Wahlen sind immer auch im Vorfeld mit der Suche verbunden - Suche nach Kolleginnen und Kollegen, die im neuem Vorstand mit hohem politischem Engagement unsere Gewerkschaftsarbeit nach vorne bringen. Ein Team, das die politische Ausrichtung diskutiert und auch umsetzen will, die das Vertrauen der Mitglieder genießen und die gemeinsam ver.di so leben, dass wir als starke Gewerkschaft hier in Nordrhein-Westfalen wahrgenommen werden! "Wir wollen gestalten", dass sollte unser Motiv sein und diesen Ansatz erkennt man sehr deutlich, wenn man die Anträge, die dieser Konferenz vorliegen, liest. Und ich unterstütze ausdrücklich die Anträge, die hier heute inhaltlich zur Beratung anstehen, die Anträge zur Erhöhung des Regelsatzes ALG II, zum Grundeinkommen, zum Mindestlohn und die Anträge zur Arbeitsmarktpolitik.

Gabriele Schmidt: 'Wir haben die Kraft'
Gabriele Schmidt: 'Wir haben die Kraft'
Foto: Hans-Dieter Hey


Lasst es mich in aller Deutlichkeit sagen, ich finde es skandalös, mit welcher Unternehmensstrategie sich heutzutage viele Unternehmen aufstellen und mit welchen inhaltlichen Aussagen sich so manche PolitikerInnen in die Öffentlichkeit wagen. Die Politiker im Bundestag streiten darüber, ob sie ihre Nebeneinkünfte veröffentlichen müssen, die zum Teil ein Vielfaches der meisten Löhne und Gehälter - vom ALG gar nicht zu reden - überschreiten, und fordern gleichzeitig, das ALG II weiter zu senken.

Die Managergehälter haben sich in den letzten sechs Jahren verdoppelt - sie sind um 100 Prozent gestiegen, während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Null Wachstum und damit Reallohnverlusten zufrieden sein sollen, Renten nicht erhöht werden, und das Arbeitslosengeld angeblich immer noch zu hoch ist.

Während die Unternehmen zum einen Rekordgewinne bekannt geben, kündigen sie gleichzeitig an, tausende ArbeitnehmerInnen in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Aktuell der Skandal bei BenQ bestätigt die rücksichtslose Vorgehensweise vieler weltweit agierender Unternehmen.

Ich sage, das ist unanständig, wenn Unternehmen trotz Gewinnen ArbeitnehmerInnen entlassen und ihre soziale und gesellschaftspolitische Verantwortung nicht wahrnehmen. Und die Menschen spüren, dass die Unternehmen sich vor dieser Verantwortung immer mehr drücken, dass sie weiter rigoros Arbeitsplätze abbauen und schon gar nicht bereit sind, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb gibt es zurzeit eine breite Unterstützung bei unseren Aktionen gegen die Allianz - selbst in den Medien - die uns ansonsten nicht immer wohl gesonnen sind.

Das müssen wir nutzen - der öffentliche Druck auf diese Unternehmen muss steigen. Wir dürfen bei unseren Forderungen nach Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und einem Einkommen, das existenzsichernd sein muss, nicht nachlassen.

Mindestlohn
Foto: Hans-Dieter Hey

Damit sind wir automatisch beim Mindestlohn! Wir haben bisher viel Unterstützung zur Kampagne erfahren - sogar von einzelnen Arbeitgebern und AG-Verbänden. Laut letzter repräsentativer Umfrage unterstützt eine Mehrheit von 60 Prozent der Bevölkerung die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von mindestens 7,50 Euro. Vor einigen Jahren war dieses Thema in Deutschland noch fast unbekannt.

Inzwischen bewegt sich auch die SPD - wenn auch mit anderen Vorstellungen wie wir - auf den Mindestlohn zu, die Linke und weite Teile der Grünen unterstützen ihn, und die CDA insbesondere in NRW versucht, in den Reihen der CDU von der Notwendigkeit des Mindestlohns zu überzeugen.

Dem Lohndumping, der Spirale nach unten, müssen geeignete Mittel wie der Mindestlohn entgegengesetzt werden. 900.000 Menschen beziehen heute Arbeitslosengeld II. Nicht etwa weil sie arbeitslos sind, sondern weil ihr Einkommen nicht ausreicht. Davon sind übrigens 300.000 vollzeitbeschäftigt! Stundenlöhne in Höhe von 3 bis 4 Euro, nicht in Tschechien, Polen oder Ungarn - mittlerweile in ganz Deutschland. Da sage ich: das ist ein Skandal

Ob man jetzt von Unter- und Oberschicht spricht oder nicht, das ändert nichts an der Tatsache, dass hier in Deutschland Menschen in Armut leben. Meine größte Sorge ist, dass die Betroffenen weiterhin schweigen, dass sie nicht den Mut haben, an die Öffentlichkeit zu gehen und diese Verhältnisse anzuklagen! Ich finde es beschämend, dass in einem der reichsten Länder der Welt mehr und mehr Menschen in Armut leben müssen. Menschen haben ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, auf Arbeit und auf Bildung! Auf ein Einkommen, das Leben in Würde ermöglicht! Das ist mit 345 Euro ALG II nicht möglich, der Regelsatz muss sofort erhöht werden, und deshalb finde ich auch den Antrag nach einem Grundeinkommen richtig.

Wir haben die Kraft, uns an die Spitze einer breiten Bewegung für soziale Gerechtigkeit zu stellen, diese Chance müssen wir nutzen. Es gibt viele Probleme, und wir schauen schwierigen Zeiten entgegen. Doch laßt uns bei all den Problemen, die zur Lösung anstehen, nicht vergessen, dass Gewerkschaftsarbeit mit viel Engagement, mit der Bereitschaft, Zeit zu investieren und auch mit einer großen Portion Optimismus zu tun hat. Dies sind die Voraussetzungen und auch eine gute Grundlage für unsere Ziele: Gerechtigkeit, Chancengleichheit und für ein Leben in Würde zu kämpfen - und das in Solidarität.

Solidarität war und ist unsere Stärke. Nur so werden wir gewinnen: gegen die Geldmacht der Unternehmen und Arbeitgeberverbände und deren ideologische Netzwerke wie zum Beispiel die "lnitiative Neue soziale Marktwirtschaft" oder "Bertelsmann".

Unser Programm gegen wirtschaftspolitische neoliberale Interessen kann nur die konsequente Interessenwahrnehmung unserer Mitglieder und damit die Mobilisierung von Menschen aus über 1.000 Berufen, von RentnerInnen, von PensionärInnen, von Erwerbslosen, von Schülern und Studenten sein. Niemand ist so nah an der Wirklichkeit, am Alltag wie GewerkschafterInnen. Das müssen wir nutzen.

Deshalb wählt ihr heute die Kolleginnen und Kollegen, die euer Vertrauen haben und mit Freude und Optimismus die Dinge anpacken und für einen Aufbruch auch in schwierigen Zeiten stehen. Bei denen es Lust macht, sich ver.di anzuschließen. Bei denen man spürt: Solidarität lohnt sich - jetzt erst recht und mehr denn je! In diesem Sinne wünsche ich euch mit dieser Konferenz den Auftakt für die nächsten 4 Jahre und uns gemeinsam viel Erfolg in dieser Zeit.

Online-Flyer Nr. 69  vom 07.11.2006

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