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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Kultur und Wissen
Bei Maischberger ausgeladen!
Aktuell bei uns zum "Weltjugendtag"
Kirchenkritiker Karlheinz Deschner
Ein Vorwort von Peter Kleinert

"Im Grunde bin ich ein aus lauter Zweifeln bestehender gläubiger Mensch." sagt Karlheinz Deschner, nach Meinung des Wiener Philosophen Wolfgang Stegmüller "der bedeutendste Kirchenkritiker dieses Jahrhunderts" in einem Filmporträt, das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anlässlich seines 70sten Geburtstags nicht gesendet werden konnte.

Deschner, inzwischen 81 - aus einem katholischen Elternhaus stammend, also entsprechend getauft und erzogen, als Freiwilliger Fallschirmjäger im Zweiten Weltkrieg, danach Student der Theologie, Literatur und Geschichte, 1951 aufgrund seiner Heirat mit der geschiedenen Elfi Tuch von allen Sakramenten ausgeschlossen - sollte eigentlich am 19. April, 23 Uhr, in der ARD-Sendung "Menschen bei Maischberger" auftreten. Schließlich ist er für seine seit 1957 veröffentlichten kirchenkritischen Bücher unter anderem mit dem Arno Schmidt-Preis, dem Alternativen Büchner-Preis und, als erster Deutscher, mit dem International Humanist Award ausgezeichnet worden.

Am Mittag des 18. April hielt er bereits die vom Sender zugestellten Fahrkarten in der Hand, als seine Teilnahme telefonisch abgesagt wurde. Im Verlauf eines "klärenden Gesprächs" fiel der Satz: "Die katholische Kirche setzt sich nicht mit jedem an den Tisch!" Mit Deschner am Tisch sitzen sollte bei Sandra Maischberger, neben Experten für verschiedene Religionen, auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Der hat mal bei Kardinal Ratzinger promoviert. Von mir gefragt, ob er der NRZ einen aufklärenden Beitrag zum Weltjugendtag schreiben wolle, stöhnte Deschner leise: "Sie wissen doch, dass ich zur Zeit an Band 9 (der "Kriminalgeschichte des Christentums", P.K.) arbeite." Deshalb hier ein Text, den er in unserer KANAL 4-Sendereihe "Mit Gott und den Faschisten - Zur Politik der Päpste im 20. Jahrhundert" als "Wort am Sonntag" gesprochen hat.

"Weltjugendtag" 2005 in Köln
"Weltjugendtag" 2005 in Köln



Mit Gott und den Faschisten
Das Ermächtigungsgesetz
von Karlheinz Deschner

Das römische Papsttum, durch Kriege und Betrug groß geworden, durch Kriege und Betrug groß geblieben, hatte durch Pius X. den Ausbruch des mörderischen Ersten Weltkriegs gefördert und durch Pius XI. entscheidend die Heraufkunft des Faschismus - eine klero-faschistische Verbrüderung, die zunächst 1929 in den Lateran-Verträgen gipfelte, von Adolf Hitler ebenso begeistert gepriesen, wie von dessen späterem Gefolgsmann Kardinal Faulhaber oder dem Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer.

Pius XI. aber, der durch die Preisgabe der katholischen Volkpartei Italiens und die Erhebung Mussolinis so sensationelle Erfolge in Italien errungen hatte, versuchte nun einen ganz ähnlichen Umsturz in Deutschland durch Preisgabe der katholischen Zentrumspartei. Beide Male betrieb der Papst die Auflösung der eigenen katholischen Partei, um dort Mussolini, hier Hitler an die Macht zu bringen.

Wie Katholik Mussolini hatte Katholik Hitler ein sehr ambivalentes, wenn auch ganz anders geartetes Verhältnis zum Katholizismus. Als Schüler besuchte er das Benediktinerstift Lambach, war dort Ministrant, was auch Heinrich Himmler gewesen, und wollte einmal Abt werden. Später verdankte Hitler den katholischen Mönchen so gut wie alles: Hier stützten und schützten ihn katholisch-konservative Politiker und katholisch-konservative Gerichte; er gewann in Bayern Boden, indem er sich als künftiger Vernichter des jüdischen Bolschewismus präsentierte, indem er in seinem Buch "Mein Kampf" und in Reden die römische Kirche, deren enormen Einfluss er in Österreich kennen gelernt, über alles schonte.

Ja ausdrücklich bekannte er sich zum "Werk des Herrn", betonte wiederholt, seine Bewegung für immer frei zu halten von allen religiösen Diskussionen und Kämpfen und erklärte 1928 in Passau: "In unseren Reihen dulden wir keinen, der die Gedanken des Christentums verletzt, der einem anders Gesinnten Widerstand entgegen trägt, ihn bekämpft oder sich als Erbfeind des Christentums provoziert. Diese unsere Bewegung ist tatsächlich christlich." An seiner politischen Gegnerschaft zum Zentrum aber ließ Hitler stets so wenig einen Zweifel wie andererseits das Zentrum an seinem Antinazismus, ebenso der deutsche Episkopat - jedenfalls vor 1933.

Stand jedoch die Phalanx des deutschen Katholizismus bis zum Frühjahr 1933 nahezu geschlossen gegen die Nazipartei, so dachte man über sie im Vatikan bereits ganz anders: Im kommunistischen Russland, die größte Christenbekämpfung der neuesten Zeit, in Deutschland Hitlers spektakuläre Erfolge zu Beginn der 30iger Jahre vor Augen, konnte für das stets opportunistische Papsttum, das durch Anpassung an den jeweils Stärksten lebt und überlebt, die Entscheidung nicht anders ausfallen.

Nichts betet die römische Kurie mehr an, als Macht und Erfolg. Hatte sie auch keine Sympathie für die nazistische Rassenideologie, so jagte und mordete ihr eigener Anhang doch selbst die Juden durch zwei Jahrtausende. War Rom auch der wilde Antiklerikalismus eines Streicher oder Rosenberg verhasst, Hitler persönlich hatte sich immer wieder auf den Boden des Christentums gestellt und seine Geneigtheit, mit den Kirchen zu kooperieren, signalisiert.

So plädierte Pius XI. schon 1931 für ein Zusammengehen des Zentrums und der katholischen Bayerischen Volkspartei mit dem Nationalsozialismus. Ähnlich äußerte sich im Sommer des folgenden Jahres Kardinalstaatssekretär Pacelli, der nächste Papst, den am meisten am Wahlausgang nicht die 120 Mandate beunruhigten, die Hitler dazu gewonnen - übrigens vor allem mit amerikanischem Geld - sondern die elf weiteren der Kommunisten. Sofort nach der Wahl 1932 hoffte und wünschte der Kardinalstaatssekretär gegenüber dem bayerischen Vatikangesandten Baron Ritter, dass "die auf christlicher Grundlage stehenden Parteien", zu denen sich gleichfalls die nunmehr stärkste Partei des Reichstags, die nationalsozialistische Partei, zähle, "alles daran setzen werden, den hinter der kommunistischen Partei marschierenden Kulturbolschewismus von Deutschland fernzuhalten."

Notwendig erschien Pacelli nun eine neue Koalition im Reichstag, was für das Zentrum und die katholische Bayerische Volkspartei hieß, wörtlich: "...sich jetzt mehr nach rechts zu orientieren und dort eine für ihre Grundsätze tragbare Koalition zu suchen". Ergo steuerte der Kardinal, der als einstiger Nuntius in München und Berlin die Verhältnisse im Reich genau kannte, die Zentrumspartei, das politische Instrument der Kurie in Deutschland, den Nazis nun direkt in die Arme.

Einer seiner Paladine, der päpstliche Kammerherr und nachmalige Stellvertreter Hitlers, Franz von Papen, beseitigte im Sommer 1932 als Reichskanzler die sozialdemokratische Regierung Braun/Severing, hob das Verbot der SA, der SS auf und tat alles, um Hitler an die Macht zu bringen.

"Weltjugendtag" 2005 in Köln - Teil 2
"Weltjugendtag" 2005 in Köln - Teil 2


Zweiter im Bund: Pacelli-Freund Prälat Ludwig Kaas, Professor für Kirchenrecht, der als Zentrumsführer keine wichtige Entscheidung ohne Pacellis Zustimmung fällte. Kaum hatte Kaas das Votum seiner Fraktion für Hitlers Ermächtigungsgesetz, das diesem die Diktatur ermöglichte, verschwand er nach Rom. Von dort sandte er Hitler, mit dem er unmittelbar zuvor - ohne Wissen selbst seiner nächsten Parteifreunde - unter vier Augen konferiert hatte, "aufrichtige Segenswünsche", forderte die Auflösung des Zentrums, die auch prompt erfolgte, und beschwichtigte, nach Rücksprache mit dem Papst und Pacelli, viele protestierende Katholiken: "Hitler weiß das Staatsschiff wohl zu lenken. Noch ehe er Kanzler wurde, traf ich ihn wiederholt und war sehr beeindruckt von seiner Art, den Tatsachen ins Auge zu sehen und dabei doch seinen edlen Idealen treu zu bleiben."

Nicht das Gros der Katholiken also ging zuerst zu Hitler über, wie man der Welt so gern vorgelogen, dann der Episkopat, dann die Kurie, sondern umgekehrt: Der Papst entschloss sich, das mit Mussolini geglückte Experiment mit Hitler zu wiederholen. Die deutschen Bischöfe gehorchten, und die Gläubigen mussten folgen.

In Ansprachen im November 1933 bekannte der päpstliche Kammerherr von Papen: "Dass ich damals bei der Übernahme der Kanzlerschaft dafür geworben habe, der jungen kämpfenden Freiheitsbewegung den Weg zur Macht zu ebnen, dass die Vorsehung mich dazu bestimmt hatte, ein Wesentliches zur Geburt der Regierung der nationalen Erhebung beizutragen, dass das wundervolle Aufbauwerk des Kanzlers und seiner großen Bewegung unter keinen Umständen gefährdet werden (dürfe) und dass die Strukturelemente des Nationalsozialismus der katholischen Lebensauffassung nicht wesensfremd (seien), sondern (damals oft zu hören) sie entsprechen ihr in fast allen Beziehungen."

"Der liebe Gott", rief Papen, "hat Deutschland gesegnet, dass er ihm in Zeiten tiefer Not einen Führer gab."

Mehr zum Thema "Weltjugendtag":
www.religionsfreie-zone.de



Online-Flyer Nr. 02  vom 18.08.2005

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