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Lokales
Rügemers Verleger lässt sich durch Oppenheim-Bank nicht stoppen
Neue Zensur-Ausgabe im Buchhandel
Von Harry Neubert

Rechtzeitig vor Werner Rügemers Kölner Lesung am Montag in der Buchhandlung von Ulrich Klinger aus seinem durch einstweilige Verfügung zensierten Buch "Der Bankier" meinte das Kölner Bankhaus Oppenheim den Autor durch eine neue einstweilige Verfügung doch noch stoppen zu können. Bank und Rechtsanwälte hatten nicht mit der Umsicht von Rügemers Verleger Harry Neubert gerechnet.

Neuberts Frankfurter Nomen-Verlag lieferte sofort eine neue Zensur-Ausgabe an die Buchhandlungen, wo die erste ohnehin im Handumdrehen ausverkauft gewesen war. Wir bringen hier das Vorwort des mutigen Verlegers und empfehlen darin unseren Lesern die Lektüre jener Passagen, die sich mit Arisierungsgewinnen befassen und der Zensur nicht zum Opfer fielen. Zu diesem Thema reagierten, wie bekannt, die Oppenheim-Geschäftsfreunde im Verlag M.DuMont Schauberg empfindlicher. Siehe dazu die NRhZ-Nummern 31, 34, 39, 42, 45, 48, 49, 55. Die Redaktion.

In der Bundesrepublik gibt es zwar keine Zensur, aber mit Geld und für Geld gibt es Möglichkeiten, auch auf anderem Wege eine unangenehme Veröffentlichung zu verhindern. Das beweist das Verhalten der Oppenheimbank.  Schon nach der Prospektankündigung für die Buchhändler bedrohte man unseren Verlag mit einer Abmahnung. Man bedrohte uns mit Kosten, man bedroht die Vertriebe mit Kosten und man bedroht die Buchhändler mit Kosten, wenn sie unser Buch vertreiben.  Des Weiteren bedroht man Verlag, Autor und Buchhändler mit künftigen Kosten durch Gerichtsurteile. Die einstweilige Verfügung macht dies möglich. Für die einstweilige Verfügung muss natürlich eine eidesstattliche Versicherung von den Klägern zur Glaubhaftmachung der eigenen Behauptungen abgegeben werden.

Wenn im Normalfall mit einer einstweiligen Verfügung die eigene Würde und Ehre verteidigt werden soll, ist das zu akzeptieren. Wenn es aber dazu dient, das unwürdige und unehrenhafte Verhalten der Bank während der Nazizeit (Mitwirkung bei Arisierungen) sowie in der Nachkriegszeit (Parteienfinanzierung) und ihre noch aktuellen Verwicklungen in Geschäfte mit Kommunen vor der Öffentlichkeit zu verbergen, dann ist das nicht akzeptabel. Denn unsere Demokratie lebt davon, dass solche Fakten an die Öffentlichkeit gelangen.

In unserem Buch "Der Bankier" dürfen wir aber über die Beteiligung der Bank als "Mitgewinner bei der Arisierung" und andere Formen des Machtmissbrauchs berichten. Die einstweilige Verfügung wurde gegen marginale Aussagen erwirkt. Da wir das Buch nun aufgrund dieser beanstandeten Marginalien nicht mehr vertreiben dürfen, wurden der Öffentlichkeit auch die gesellschaftspolitisch relevanten Aussagen vorenthalten. Es ist uns sogar untersagt aufzuzeigen, mit welchen Banalitäten die wirklich bedeutsamen Informationen dieses Buches unterdrückt werden. Greift diese Methode der privatisierten Zensur um sich, wird bald kein Autor mehr gesellschaftskritische Bücher schreiben. Wenn aber doch, wird kein Verlag es mehr wagen, sie zu veröffentlichen. Dann wird es sich auch jeder Doktorand zweimal überlegen, ob er seine Dissertation veröffentlichen kann, ohne ein großes finanzielles Risiko einzugehen. Denn ein geschäftstüchtiger Anwalt könnte ja Anhaltspunkte finden, die für eine Abmahnung und einstweilige Verfügung reichen.

Werner Rügemer bei einer Oppenheim-Führung
Werner Rügemer bei einer Oppenheim-Führung
Foto: arbeiterfotografie.com


Um diese sozial- und demokratiefeindliche Praxis nicht einreißen zu lassen, haben wir uns entschlossen, die beanstandeten Stellen des Buches zu schwärzen und das Buch - sozusagen zensiert - erneut aufzulegen und den Lesern zugänglich zu machen. Die Schwärzungen stören zwar etwas beim Lesen, da aber die wesentlichen Informationen nicht beanstandet wurden, nicht beanstandet werden konnten, verliert der Text allenfalls etwas von seinem stilistischen Reiz.

Wir haben uns entschlossen, die Käufer dieser geschwärzten Ausgabe über den Streit zu informieren, soweit dies bis zur gerichtlichen Klärung des Falles überhaupt möglich ist. Denn wir dürfen - das ist in solchen Streitfällen nicht anders möglich - auch nicht indirekt mitteilen, was sich hinter den geschwärzten Textstellen verbirgt. Die Leser und Leserinnen würden wahrscheinlich gar nicht begreifen, dass es in einer doch ach so liberalen Gesellschaft möglich ist, wegen solcher - gemessen an den eigentlichen Kritikpunkten des Autors - Belanglosigkeiten ein Buch vom - angeblich freien - Markt zu verbannen. Wir werden jedem Käufer dieser geschwärzten Ausgabe nach Beendigung des Rechtsstreites auf Verlangen den gerichtlich gebilligten Text zusenden.

Die Durchsetzung der Schwärzungen verraten mehr über die Bank als das, was den Lesern durch die Schwärzungen vorenthalten wird. Sie sind ein beredtes Dokument für den Umgang der Mächtigen mit den Grundrechten unserer Gesellschaft. Die Methoden, wie dieses Buch zu verhindern versucht wurde und wird, sind geeignet für ein Lehrstück in Sachen Bankenmacht und Demokratie.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de



Vor einigen Monaten hatte ich den Namen der Bank zwar schon einmal gehört, aber ich verband mit ihm nichts. Als man uns anbot, das Buch zu verlegen, dachte ich, dass es wahrscheinlich nur einen kleinen Leserkreis interessieren würde. Da der Autor ein brillanter kritischer Journalist ist und einen guten Ruf hat, auch seiner guten Recherchen wegen, aber auch wegen des wachsenden Interesses der Öffentlichkeit an der Bankenmacht, hielt ich es für wichtig und richtig, dieses Buch einem breiten Publikum zugänglich zu machen. 

Mir ging natürlich auch noch einmal die Sache mit dem Gewinn durch die faschistische Arisierung durch den Kopf. Ich dachte an meine eigene Diplomarbeit, die sich mit Traumatisierungen  in Konzentrationslagern auseinandersetzte. "Mitgewinner bei der Arisierung", das hört sich zunächst an wie "er hat einen Steuervorteil genutzt". Wenn man es sich aber genau überlegt, hat jeder, der, und sei es indirekt, einen Gewinn aus den Verbrechen der Nazis gezogen hat, zu deren Verbrechen beigetragen. Hieraus haben inzwischen zahlreiche Unternehmen - wenn auch widerwillig - Konsequenzen gezogen, ihre Vergangenheit aufarbeiten lassen und sogar Entschädigungszahlungen akzeptiert.

Denn die Anteile an arisierten Vermögen sind ja nicht alles, an ihnen hängen viel größere Anteile an Erniedrigungen, Ängsten, Schrecken und - sofern diese Opfer die Hölle des NS-Terrors überhaupt überlebten - eine lebenslange Traumatisierung, die mit Entschädigungszahlungen, in welcher Höhe auch immer - nicht wieder gut zu machen sind. Sie müssen aufgearbeitet werden. Auch die Bank Oppenheim kann letztendlich die Aufarbeitung ihrer Geschichte nicht verhindern. Wenn sie es nicht tut, werden es andere versuchen. Aber es geht dem Autor gar nicht um diesen einen dunklen Fleck in ihrer Geschichte, sondern um die Kontinuität ihrer keineswegs lupenreinen Macht- und Einflusspolitik über die gesamte Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.  

Bei einem Familienunternehmen wie der Bank Oppenheim sind Besitzer und Verantwortliche der Bank die gleichen Personen. Man kann nicht als Leiter der Bank einen Verbrecher wie Hitler - in welcher Form auch immer - unterstützt haben und als Privatperson mit den begangenen Verbrechen nichts zu tun gehabt haben wollen. Es ist also ein Recht der jüngeren Generationen zu fragen, welche Rolle die Wirtschaftseliten, im Falle der Bank Oppenheim und die Persönlichkeiten der Bank in dieser Zeit gespielt haben. Dies umso mehr, wenn man feststellen muss, dass sich die Bank auch nach 1945 massiv in die Politik mit dem Ziel einmischte, Wählerwillen und Politiker am öffentlichen demokratischen Meinungsbildungsprozess vorbei zu beeinflussen.

Wenn Dr. Rügemer mit dem, was Lesern und Leserinnen durch Schwärzungen vorenthalten wird, die Persönlichkeitsrechte des Bankiers Oppenheim und der Bank wirklich verletzt haben sollte, muss man sich als Verleger ernsthaft fragen, warum sich die Bank und des Bankiers Erben nicht öffentlich für die ihnen von Rügemer vorgeworfenen sozialschädlichen und demokratiefeindlichen Praktiken endlich entschuldigen. Denn derartige Praktiken waren und sind es doch, die nicht nur die Persönlichkeitsrechte, sondern auch die demokratischen und sozialen, letztendlich die Menschenrechte von Millionen von Bürgern und Bürgerinnen über Generationen mit Füßen getreten haben. 


Wir gehen davon aus, dass sich während der Rechtsstreitigkeiten herausstellen wird, dass von den angeblichen Unwahrheiten und Unterstellungen, die in dem Buch "Der Bankier" stehen sollen, nichts von Belang übrig bleiben und gleichzeitig deutlich werden wird, dass hier nur ein weiterer Versuch unternommen wurde, berechtigte Kritik am Missbrauch von Bankenmacht mit formaljuristischen Mitteln abzuwürgen. Das kann für kleine Verlage das Ende bedeuten, und dies in einer Zeit, in der der Staat Milliarden ausgibt, angeblich, um den Mittelstand vor der geballten Macht der Großunternehmen zu schützen.

Um einmal die Situation aufzuzeigen, präsentiere ich hier unsere Kalkulation für das Buch "Der "Bankier".

Kalkulation für das Buch 'Der Bankier'

Von diesen EUR 838 gehen noch ab:

1. Kosten für den Satz,
2. Kosten für die Gestaltung des Buchumschlages,
3. Kosten für das Korrekturlesen,
4. Kosten für sonstige Verlagsarbeit.

Dem stehen gegenüber:

- Mögliche Kosten aus Prozessen und vielen   Abmahnungen gegen uns und Buchhändler,
- eine Strafandrohung von EUR 250.000 pro Fall der Zuwiderhandlung,
- eine Strafandrohung von 6 Monaten Gefängnis. pro  Fall

Wer schützt Verlage, Autoren und Buchhandel vor diesen Übergriffen? Wo sind die Parlamentarier, die die fragwürdige Gesetzeslage überprüfen und ändern, wo die politischen Kräfte und die Medien, die entsprechenden demokratischen Druck auf die Parlamentarier ausüben, wo die Richter, die diese Gesetze so auslegen, dass am Ende die Presse- und Meinungsfreiheit nicht zur Strecke gebracht werden kann?

Der Bankier
'Der Bankier' - inzwischen in der zweiten Zensur-Ausgabe im Handel, 12 Euro, ISBN: 3-9809981-7-7, Nomen-Verlag, Frankfurt/M


Harry Neubert   Nomen Verlag
www.nomen-verlag.de


Online-Flyer Nr. 57  vom 15.08.2006

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