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Lokales
Neue Besen kehren nicht immer gut...
Kölner Montagsdemo von Polizei massiv behindert
von Elmar Klevers
Jahreszeitlich bedingt sind es jeweils unterschiedlich viele Menschen, die hartnäckig demonstrieren und die himmelschreienden Zustände in der BRD laut anprangern.
"Emissionsschutz" als Staatsschutz
Im Anfang ließ die Polizei in Köln das Geschehen ungestört. Damals waren es noch Hunderte oder ganz zu Beginn der Montagsdemonstrationen Tausende. Aber mit der Zeit schrumpften die Teilnehmerzahlen erheblich zusammen, und das bot den Anlaß zum gezielten Einschreiten der Polizei. Zwischenzeitlich hatte man das Landes-Emmissions-Schutz-Gesetz durch-forstet. Dabei hatte man den Paragraphen 10 gefunden, der bei entsprechend grundrechtswidriger Überinterpretation die Handhabe dafür liefern soll, den Montagsdemos die Benutzung von Lautsprecher-Anlagen zu untersagen, wenn die Polizei weniger als fünfzig Teilnehmer zu zählen meint. Ohne Lautsprecher-Anlage ist aber z. B. am Kölner Dom eine Kundgebung zwecklos, weil der Straßenlärm und das um 18.10 Uhr einsetzende Geläut der großen Domglocken jegliches Verstehen von Redebeiträgen der Demoteilnehmer unmöglich macht. Genau vor diesem Hintergrund rechneten sich die Staatsschützer aus, dass sie mit dem Verbot der Lautsprecheranlage die Montagsdemonstranten zur Aufgabe zwingen könnten.
Weit gefehlt, denn die gegen gleiche Schikanen angerufenen Verwaltungsgerichte in Stuttgart und in Düsseldorf/NRW machten den staatlichen Grundrechtssaboteuren einen dicken Strich durch derartige Rechnungen.
Verwaltungsgerichtliche Nachhilfe in Grundrechtskunde
Das Verwaltungsgericht in Stuttgart beispielsweise belehrte im Frühjahr 2006 das dortige Ordnungsamt, daß zu einer Demonstrations selbstverständlich auch eine Lautsprecheranlage gehöre und untersagte die undemokratische Einschränkung des Versammlungsrechts.
Und die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf stellte am 8. 12. 2005 unter dem Aktenzeichen 18 K 4835/05 zum Ärger des beklagten Polizeipräsidiums unmißverständlich fest: "Der dem Kläger" - der Düsseldorfer Montagsdemo-Initiative - "erteilte Hinweis ist nach Auffassung der Kammer rechtswidrig. Ihm steht der Grundsatz der Versammlungsfreiheit ... entgegen. Die Verbote der §§ 10 Landesimmisionsschutzgesetz und 33 Straßenverkehrsordnung sind suspendiert. ... Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach Auffassung der Kammer die Benutzung eines Tonwiedergabegerätes grundsätzlich immanenter Bestandteil des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und der damit verbundenen Meinungsäußerungsfreiheit ist."
Die Verwaltungsgerichtsbeschlüsse messen also den Bestimmungen des Grundgesetzes - hier das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung - einen höherwertigen Rang zu als irgendwelchen überinterpretierten Landesgesetzen. Im Gegensatz zu Ordnungsämtern und Polizeipräsidien erkennen die Verwaltungsgerichte hierzulande immer noch, daß freie Meinungsäußerung bei anderen Menschen ankommen muss und dass dazu auch eine Lautsprecher-Anlage notwendig und gerechtfertigt ist. -
Drei neue Sterne - düstere Aussichten?
Nach anfänglichen Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht in Köln ließen seit etwa einem Jahr die älteren Polizisten, die zur Beaufsichtigung eingesetzt waren, die Montagsdemo in Ruhe ihre Kundgebung ab 18 Uhr am Dom / Nähe Wallrafplatz durchführen und begleiteten den anschließenden Zug beim Weg durch die Stadt. Am Montag dieser Woche aber, am 31. Juli 2006, erschienen drei jüngere BeamtInnen mit Silbersternen auf den Schulterblättern und untersagten die Nutzung der Lautsprecher-Anlage. Sie beriefen sich wieder auf den vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht im Dezember als "suspendiert" erklärten unsäglichen Paragraphen 10 des Landes-Emmissionsschutzgesetz. Sie drohten mit der Beschlagnahme der Lautsprecher-Anlage und dem Abbruch der ordnungsgemäß angemeldeten Montagsdemo. Daraufhin sagte der Sprecher der Montagsdemo Köln, Dr. Ernst Herbert, die Montagsdemo ab und meldete bei den etwas verduzten PolizistInnen eine Protestveranstaltung unter freiem Himmel an. Diese führten die MontagsdemonstrantInnen auch durch und ließen ihrem Unmut über diese verfassungswidrige Schikane freien Lauf.
Nach Schluss der Kundgebung nahm die "Beschützerin" der Demonstranten, wie die Drei-Sterne-Polizistin (Einsatzleiterin) sich selbst bezeichnete, die Personalien von Dr. Ernst Herbert auf und gab ihm ihre Visitenkarte. Danach sollte der Name eines Teilnehmers, der sich besonders massiv geäußert hatte, festgestellt werden. Er weigerte sich und es kam zu einem heftigen Gerangel. Plötzlich kamen noch zwei Polizeifahrzeug mit je zwei Beamten als Verstärkung. Je mehr Polizeibeamte eingriffen, desto mehr Leute blieben stehen. Nach längeren Diskussionen und der Einmischung einer zunehmenden Anzahl von Passanten gab die leitende Polizistin nach telefonischer Rücksprache mit höherer Stelle den Befehl zum Rückzug der besternten Ordnungskräfte. Es bleibt nun zu befürchten, dass gegen Dr. Ernst Herbert ein Verfahren eingeleitet wird und dass die nächsten Montagsdemos unter Beisein von Rechtsanwälten durchgeführt werden müssen.
Es wird sich in nächster Zeit zeigen müssen, ob sich die Kölner Polizei an den verwaltungsgerichtlich bekräftigten Grundrechten der Verfassung orientiert oder sich lieber ein schlechtes Beispiel an den schweren Übergriffen nehmen will, die gegen die Montagsdemos in den Städten der neuen Bundesländer mittlerweile an der Tagesordnung sind. Solange nicht auch die Kölner Staatsmacht "Gerichtsnachhilfe" in Verfassungsrecht erhalten hat, wird sich die Montagsdemo vielleicht nicht nur wettermäßig auf einen harten Winter vorbereiten müssen.
Online-Flyer Nr. 55 vom 02.08.2006
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Lokales
Neue Besen kehren nicht immer gut...
Kölner Montagsdemo von Polizei massiv behindert
von Elmar Klevers
Jahreszeitlich bedingt sind es jeweils unterschiedlich viele Menschen, die hartnäckig demonstrieren und die himmelschreienden Zustände in der BRD laut anprangern.
"Emissionsschutz" als Staatsschutz
Im Anfang ließ die Polizei in Köln das Geschehen ungestört. Damals waren es noch Hunderte oder ganz zu Beginn der Montagsdemonstrationen Tausende. Aber mit der Zeit schrumpften die Teilnehmerzahlen erheblich zusammen, und das bot den Anlaß zum gezielten Einschreiten der Polizei. Zwischenzeitlich hatte man das Landes-Emmissions-Schutz-Gesetz durch-forstet. Dabei hatte man den Paragraphen 10 gefunden, der bei entsprechend grundrechtswidriger Überinterpretation die Handhabe dafür liefern soll, den Montagsdemos die Benutzung von Lautsprecher-Anlagen zu untersagen, wenn die Polizei weniger als fünfzig Teilnehmer zu zählen meint. Ohne Lautsprecher-Anlage ist aber z. B. am Kölner Dom eine Kundgebung zwecklos, weil der Straßenlärm und das um 18.10 Uhr einsetzende Geläut der großen Domglocken jegliches Verstehen von Redebeiträgen der Demoteilnehmer unmöglich macht. Genau vor diesem Hintergrund rechneten sich die Staatsschützer aus, dass sie mit dem Verbot der Lautsprecheranlage die Montagsdemonstranten zur Aufgabe zwingen könnten.
Weit gefehlt, denn die gegen gleiche Schikanen angerufenen Verwaltungsgerichte in Stuttgart und in Düsseldorf/NRW machten den staatlichen Grundrechtssaboteuren einen dicken Strich durch derartige Rechnungen.
Verwaltungsgerichtliche Nachhilfe in Grundrechtskunde
Das Verwaltungsgericht in Stuttgart beispielsweise belehrte im Frühjahr 2006 das dortige Ordnungsamt, daß zu einer Demonstrations selbstverständlich auch eine Lautsprecheranlage gehöre und untersagte die undemokratische Einschränkung des Versammlungsrechts.
Und die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf stellte am 8. 12. 2005 unter dem Aktenzeichen 18 K 4835/05 zum Ärger des beklagten Polizeipräsidiums unmißverständlich fest: "Der dem Kläger" - der Düsseldorfer Montagsdemo-Initiative - "erteilte Hinweis ist nach Auffassung der Kammer rechtswidrig. Ihm steht der Grundsatz der Versammlungsfreiheit ... entgegen. Die Verbote der §§ 10 Landesimmisionsschutzgesetz und 33 Straßenverkehrsordnung sind suspendiert. ... Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach Auffassung der Kammer die Benutzung eines Tonwiedergabegerätes grundsätzlich immanenter Bestandteil des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und der damit verbundenen Meinungsäußerungsfreiheit ist."
Die Verwaltungsgerichtsbeschlüsse messen also den Bestimmungen des Grundgesetzes - hier das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung - einen höherwertigen Rang zu als irgendwelchen überinterpretierten Landesgesetzen. Im Gegensatz zu Ordnungsämtern und Polizeipräsidien erkennen die Verwaltungsgerichte hierzulande immer noch, daß freie Meinungsäußerung bei anderen Menschen ankommen muss und dass dazu auch eine Lautsprecher-Anlage notwendig und gerechtfertigt ist. -
Drei neue Sterne - düstere Aussichten?
Nach anfänglichen Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht in Köln ließen seit etwa einem Jahr die älteren Polizisten, die zur Beaufsichtigung eingesetzt waren, die Montagsdemo in Ruhe ihre Kundgebung ab 18 Uhr am Dom / Nähe Wallrafplatz durchführen und begleiteten den anschließenden Zug beim Weg durch die Stadt. Am Montag dieser Woche aber, am 31. Juli 2006, erschienen drei jüngere BeamtInnen mit Silbersternen auf den Schulterblättern und untersagten die Nutzung der Lautsprecher-Anlage. Sie beriefen sich wieder auf den vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht im Dezember als "suspendiert" erklärten unsäglichen Paragraphen 10 des Landes-Emmissionsschutzgesetz. Sie drohten mit der Beschlagnahme der Lautsprecher-Anlage und dem Abbruch der ordnungsgemäß angemeldeten Montagsdemo. Daraufhin sagte der Sprecher der Montagsdemo Köln, Dr. Ernst Herbert, die Montagsdemo ab und meldete bei den etwas verduzten PolizistInnen eine Protestveranstaltung unter freiem Himmel an. Diese führten die MontagsdemonstrantInnen auch durch und ließen ihrem Unmut über diese verfassungswidrige Schikane freien Lauf.
Nach Schluss der Kundgebung nahm die "Beschützerin" der Demonstranten, wie die Drei-Sterne-Polizistin (Einsatzleiterin) sich selbst bezeichnete, die Personalien von Dr. Ernst Herbert auf und gab ihm ihre Visitenkarte. Danach sollte der Name eines Teilnehmers, der sich besonders massiv geäußert hatte, festgestellt werden. Er weigerte sich und es kam zu einem heftigen Gerangel. Plötzlich kamen noch zwei Polizeifahrzeug mit je zwei Beamten als Verstärkung. Je mehr Polizeibeamte eingriffen, desto mehr Leute blieben stehen. Nach längeren Diskussionen und der Einmischung einer zunehmenden Anzahl von Passanten gab die leitende Polizistin nach telefonischer Rücksprache mit höherer Stelle den Befehl zum Rückzug der besternten Ordnungskräfte. Es bleibt nun zu befürchten, dass gegen Dr. Ernst Herbert ein Verfahren eingeleitet wird und dass die nächsten Montagsdemos unter Beisein von Rechtsanwälten durchgeführt werden müssen.
Es wird sich in nächster Zeit zeigen müssen, ob sich die Kölner Polizei an den verwaltungsgerichtlich bekräftigten Grundrechten der Verfassung orientiert oder sich lieber ein schlechtes Beispiel an den schweren Übergriffen nehmen will, die gegen die Montagsdemos in den Städten der neuen Bundesländer mittlerweile an der Tagesordnung sind. Solange nicht auch die Kölner Staatsmacht "Gerichtsnachhilfe" in Verfassungsrecht erhalten hat, wird sich die Montagsdemo vielleicht nicht nur wettermäßig auf einen harten Winter vorbereiten müssen.
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