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Globales
Nicht noch ein Artikel zu Gaza!
Klärungen
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)

Nein, ich werde nicht noch einen Artikel zu Gaza schreiben. Der Genozid im Gazastreifen ist bekannt, die Hungerblockade ist bekannt, Netanjahu und sein Entourage wurden und werden als Kriegsverbrecher gebrandmarkt. Was also gibt da noch hinzufügen? Oh ja, es gäbe einiges hinzuzufügen! Doch nichts davon ist neu, nichts davon ist unbekannt. Das «Israel» ein Unrechtsstaat ist, darf mittlerweile laut gesagt werden. Das hat jedoch keinerlei Konsequenzen. Allerdings – und das ist derselbe alte Wein in neuen Schläuchen – das Existenzrecht «Israels» darf keinesfalls in Frage gestellt werden. Die neuste Pointe in diesem nicht enden wollenden Trauerspiel liefert uns der deutsche Bundeskanzler Fritz Merz gleich persönlich: Deutschland werde in Zukunft keine Waffen mehr nach «Israel» liefern, wenn diese im Gazastreifen eingesetzt werden sollten. (1) Wir dürfen diese Worte von Merz getrost als populistisches Getue abbuchen, ein Gag um seiner deutschen Wählerschaft zu gefallen. Wie Herr Merz nämlich verhindern will, dass die Waffen, welche Deutschland nach wie vor in den Zionistenstaat liefert, in Gaza eingesetzt werden, verrät er uns nicht. Ist ja wahrscheinlich eh nicht von Belang, da «Israel», laut Merz, ohnehin die - Zitat: «Drecksarbeit für uns erledigt». (2)

Wenn sich der öffentliche Diskurs auf diesem Niveau bewegt, ist tatsächlich jeder weitere Artikel, der für die Menschen in Gaza geschrieben wird, reine Makulatur.

Wenn die Meinung vorherrscht, es sei Netanjahu, der den Vernichtungskrieg gegen das palästinensischen Volk führe, wenn noch immer kolportiert wird, das Codewort für Frieden hiesse nach wie vor «Zweistaatenlösung», wenn noch immer davon ausgegangen wird, dass der zionistische «Staat» friedensfähig sei und wenn weitere Denkfehler begangen werden, dann ist es in der Tat an der Zeit, nicht mehr über Gaza zu schreiben, sondern einige Dinge, die «Israel» betreffen grundsätzlich beim Namen zu nennen. Mit anderen Worten: Die Zeit für Klärungen ist gekommen. Mit den folgenden 7 Thesen soll versucht werden, zu dieser Klärung beizutragen:

These 1: Die Juden sind eine religiöse Gemeinschaft; sie sind kein Volk und sie sind keine Ethnie

Der Mythos vom «jüdischen Volk» wurde vor allem, aber nicht nur, von den deutschen Nazis in die Welt gesetzt. Damit wurde der – mehrheitlich – rassistischen europäischen Öffentlichkeit vorgegaukelt, es sei ein Volk, welches für die immer wieder kehrenden Krisen in den europäischen Gesellschaften verantwortlich gemacht werden könne. Damit wurde von den wahren Verantwortlichen –  den europäischen Feudalherren, später den Kapitalisten abgelenkt und ein Sündenbock gefunden. Dies manifestierte sich in immer wiederkehrenden Pogromen gegen Menschen jüdischen Glaubens vom Zarenreich bis zum Atlantik. Wir betonen: Diese Verfolgung vom Menschen jüdischen Glaubens ist ein rein europäisches Phänomen. In der übrigen Welt, auch und vor allem in der arabischen Welt lebten und leben Muslime, Christen und Juden friedlich mit- und untereinander. In Europa waren die jüdischen religiösen Gemeinschaften stets darauf bedacht, sich in den Gesellschaften in denen sie lebten, zu assimilieren.

These 2: Der Zionismus spaltet die Menschen in «Juden» und in «Nichtjuden»

Mit dem Aufkommen des Zionismus ab dem späten 19. Jahrhundert, vor allem unter Theodor Herzl, entwickelte sich die fatale Doktrin, Juden und Nichtjuden könnten nicht zusammen leben. In seiner letzten Konsequenz bedeutet dies das Ende jeglichen sozialen Zusammenlebens: Sobald ein Problem in einer sozialen Gemeinschaft auftaucht, soll dieses also durch Abspaltung, durch Separation «gelöst» werden? Dies ist eine Bankrotterklärung an jedes menschliche Zusammenleben. Jede Ethnie, jede Gemeinschaft braucht demnach also einen eigenen Staat wenn sie sich emanzipieren will? Diesen Unsinn lehnte schon Karl Marx in seiner denkenswerten Schrift «Zur Judenfrage» ab. (3) Aber auch die wichtigsten Rabbiner in den europäischen Metropolen lehnten die Pläne von Herzl und anderen zionistischen Wortführern vehement ab. Herzl war gezwungen, den Zionistenkongress, der ursprünglich in München, dann in Wien geplant war, nach Basel zu verlegen. Die jüdischen Gemeinden der beiden von ihm favorisierten Städte hatten den Kongress verhindert. Dies mit der Begründung, sie wollten sich nicht spalten lassen. Der Zionismus als Spaltpilz setzt sich indes bis in unsere Tage fort. Dabei ist die Erkenntnis wichtig, dass die zionistische Ideologie das Judentum instrumentalisiert: Judentum und Zionismus sind zwei grundverschiedene Dinge: Das Judentum ist eine Religion. Der Zionismus ist ein europäisches, koloniales und rassistisches Siedlerprojekt, installiert um eine militärische Bastion im arabischen Raum zu errichten und zu halten.

These 3: Judentum und Zionismus haben nichts miteinander zu tun

Diese These, die tatsächlich keine These, sondern eine Tatsache ist, ist heute sehr schwer zu vermitteln. Der Zionismus, bzw. das was als Staat «Israel» bezeichnet wird, vermengt die Begriffe Zionismus, Judentum, Antisemitismus zu einem Gemenge, welches nur noch schwer zu entschlüsseln ist. Eine saubere Trennung der Begrifflichkeiten ist daher dringend notwendig. Die erste Begriffsklärung die wir vornehmen müssen ist: Der Zionismus ist eine in Europa entstandene rassistische Ideologie. Diese rassistische Ideologie hat nichts mit dem Judentum als Religion zu tun. Dass führende Vertreter des Judentums heute zionistische Positionen vertreten, ändert daran nichts. Die übelsten Zionisten sind übrigens keine Juden, sondern schlichtweg Vertreter der kapitalistischen Klasse. Antisemitismus wiederum hat mit Judentum nur bedingt zu tun. Falls wir diese Klassifizierung in «Semiten» und «Nichtsemiten» akzeptieren, müssen wir auch akzeptieren, dass alle Völker in der arabischen Welt zu den «Semiten» gehören.

These 4: Der «Staat Israel» wurde nicht als Folge des Holocaust gegründet

Der Holocaust, die massenhafte Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Europa unter der Herrschaft der deutschen Faschisten wird oft als Grund für die schließliche Gründung der «Staates Israel» benannt. Das ist so falsch wie es nur sein kann. Bereits Napoleon Bonaparte erkannte, dass es notwendig sei, eine militärische Bastion in Palästina zu errichten, um von dort aus Ägypten angreifen zu zu können. Ägypten wiederum sollte den europäischen Invasoren als Brückenkopf für die Eroberung Afrikas dienen. (4) Wir sehen: Die Gier des europäischen Imperialismus ist älter als der deutsche Faschismus. Eine militärische Bastion der Europäer im Herzen der arabischen Welt war lange vor dem Holocaust geplant. Und tatsächlich ist «Israel» nichts anderes: Kein Staat sondern eine militärische Festung, errichtet von den Kolonialmächten, heute betrieben und verwaltet von  den USA, in Zusammenarbeit mit den übrigen NATO Mächten. Im Übrigen ist es historisch unredlich nur die Juden zu nennen, wenn vom Holocaust die Rede ist. Von den Nazis verfolgt wurden u.a. SystemgegnerInnen, KommunistInnen, Homosexuelle, behinderte Menschen und eben auch Juden.

These 5: «Israel» ist ein rassistischer Apartheidstaat

Vor aller Welt, vor sämtlichen internationalen Institutionen definiert sich «Israel» als «Judenstaat». Damit definieren sich die Zionisten per se selbst als ein Apartheid Gebilde. Seit seiner von den damaligen imperialistischen Machthabern erzwungenen Gründung im Jahr 1948 tritt dieser sogenannte «Staat» Menschen- und Völkerrecht mit Füssen. Die damalige UNO Abstimmung war ein Farce: Die meisten asiatische und afrikanische Länder hatten kein Stimmrecht, sie standen noch unter kolonialer Besatzung. Kein einziger arabischer Staat stimmte dem Teilungsplan zu. Die jüngste Eskalation im Gaza Streifen ist lediglich die Spitze des völkermörderischen Eisbergs. Niemand scheint sich daran zu stören, wenn Netanjahu und Konsorten eine eindeutig an die Nazis angelehnte Sprache verwenden. (Endlösung der Palästina Frage u.a.m.) Die Ausgrenzung des palästinensischen Volkes, Landraub, Folter und massenhafte Ermordungen finden indes nicht erst seit den jüngsten Ereignissen in Gaza statt. Sie gehören zu «Israel». Ohne Krieg, ohne Gewalt ist «Israel» nicht überlebensfähig. «Israel» ist der Stachel in Fleisch der arabischen Welt. Die Einheit Palästinas soll ebenso verhindert werden, wie die Vereinigung der arabischen Welt im Sinn einer pan arabischen Einheit.

These 6: Als Apartheidstaat hat «Israel» kein Existenzrecht

Das rassistische Apartheidsystem in Südafrika musste fallen. Das rassistische zionistische Apartheidsystem in Palästina muss fallen. Alle Befürchtungen, welche die Befürworter der Apartheid in Südafrika ins Feld führten, haben sich als nichtig erwiesen. Die weiße Vorherrschaft ist gefallen. Das Paradies oder ein sozialistisches Utopia ist in Südafrika deswegen nicht entstanden. Aber die Gräuel, die Untaten, welche unter der Apartheid zum schrecklichen Alltag der Mehrheit der Bevölkerung gehörten, die gibt es nicht mehr. Die Apartheid Republik Südafrika hatte kein Existenzrecht, das Volk in Südafrika hat die Macht übernommen und der Prozess, einen besseren Staat aufzubauen ist noch immer im Gang. Warum soll das in der arabischen Region anders sein? Warum soll ein rassistischer Zionistenstaat ein Existenzrecht haben?

These 7 (Abschließende): Die Lösung liegt in der Einheit

Wer heute, fast 80 Jahre nach der Gründung des Unrechtsstaates «Israel», wer heute nach über 100 Jahren Vertreibung, Landraub, Folter und Mord durch die Kolonialmächte und durch die Zionisten noch immer von einer «Zweistaatenlösung» spricht, ist entweder ein Träumer oder er arbeitet bewusst den zionistischen Mördern in die Hände. Wenn am Montagabend ein Staat «Palästina» ausgerufen würde, wird dieser am Dienstagmorgen von «Israel» angegriffen. Was also ist eine mögliche Lösung? Unter Einhaltung des Völkerrechts muss sich «Israel» bedingungslos aus sämtlichen besetzten Gebieten zurück ziehen. Unter Einhaltung des Völkerrechts hat «Israel» sämtlichen palästinensischen Flüchtlingen das Rückkehrrecht zu gewähren. Erst nachdem dies gewährleistet und vollzogen ist, müssen in sämtlichen Gebieten, im Gazastreifen, im Westjordanland, im Kernland Palästinas ebenso wie im sogenannten «israelischen Kernland» freie und international überwachte Wahlen durchgeführt werden. Dies wäre – analog zu Südafrika – ein Demokratisierungsprozess, der zukunftsträchtig wäre. Alles was darauf abzielt, das jetzige zionistische Gebilde am Leben zu erhalten, verzögert diesen Demokratisierungsprozess. Jede Verzögerung wird weitere Leben kosten, jede Verzögerung verursacht weiteres Leid.

Zum Schluss (doch noch) ein Wort zu Gaza

Ob die Zionisten nun, wie angekündigt, Gaza besetzen werden oder nicht: Die Verbrechen des zionistischen Regimes sind derart dramatisch und offensichtlich, dass kein denkender und fühlender Mensch mehr hinter einem «Staat», der diese Verbrechern begeht, stehen kann. Es wäre indes falsch, sich dabei lediglich auf den aktuellen Genozid im Gazastreifen zu fokussieren. Es wäre falsch, lediglich Netanjahu und seine Bande verantwortlich machen zu wollen. Jedes Regime seit Ben Gurion hat die Palästinenser bis aufs Blut bekämpft. Es wäre jedoch auch falsch sich nur auf die zionistischen Verbrecher und Massenmörder in «Israel» zu fokussieren. Der Apartheidstaat «Israel» wurde von den europäischen Kolonialmächten gegründet und er wird von den Nachfolgern dieser Kolonialverbrechern, den USA und ihren Vasallen, der EU und den NATO Mächten verwaltet  und mit immensen Geldmitteln und Bomben am Leben erhalten.

Sie sind es, die in Zusammenarbeit und in vollem Bewusstsein ihrer Verbreichen mit ihren Vollzugsbeamten in «Israel» einen echten und dauerhaften Frieden verhindern, in Gaza und anderswo.


Fußnoten:

1 Siehe u.a. hier: https://www.nzz.ch/international/wir-wurden-nullkommanull-eingebunden-merz-aendert-das-vorgehen-gegen-israel-und-bringt-seine-partei-gegen-sich-auf-ld.1897131 (Letzter Zugriff August 2025)
2 https://www.zdfheute.de/politik/g7-gipfel-merz-100.html (Letzter Zugriff August 2025)
3 Karl Marx / Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 347-377.
4 Siehe dazu: Bonaparte in Ägypten: aus der Chronik des Abdarraman al-Gabarti (1754 -1829). Übers. von Arnold Hottinger Serie Piper : 871; 1989

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