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Wirtschaft und Umwelt
Eine dialektische Untersuchung des Wandels vom Industrie- zum Finanzkapital und des Auf- und Abstiegs seines Systems
Das Finanzkapital und der Abstieg der "Moderne"
Von Wolfgang Krieger und Wolfram Elsner
Die europäisch-angelsächsische „Moderne“ erlebt einen globalen Abstieg. Ihren Aufstieg verdankte sie dem Industriekapitalismus und seinem Arbeit-Kapital-Verhältnis. Die Alleinherrschaft des Industriekapitals währte aber nur bis Ende des 19. Jhdts. Im 20. Jhdt. begann die Entwicklung des Finanzkapitals. Die damit verbundene Wesensänderung des Kapitalismus wurde allerdings nie angemessen analysiert, weder von linken Finanzsoziologen (Hilferding) noch von marxistischen Imperialismustheoretikern (Lenin). Das Finanzkapital, bei Marx noch Hilfsinstrument des Industriekapitals, emanzipierte sich vom Industriekapital, dominierte es und verteilte Profit zu dessen Lasten um, ebenso gegenüber dem Staat, bei natürlichen Ressourcen und allen Gesellschaftsbereichen – und zunehmend international. Wir skizzieren eine Fortentwicklung der nach Marx praktisch nicht mehr weiterentwickelten Dialektik des Kapitals. Das Finanzkapital untergräbt dabei die Grundlagen der Moderne: Realproduktion, Lohnarbeit, Industriekapital, Staat, Natur – und seiner selbst. Es generiert ungekannte nominale Reichtümer in Gestalt virtuellen (fiktiven) Kapitals und damit Profitansprüche, die nicht mehr generell erfüllbar sind. So häuften sich Finanzkrisen, der Niedergang der Fähigkeiten des Staates und des internationalen Systems. Mit der Großen Finanzkrise 2008ff. aber begann auch der umfassende Kampf dagegen durch eine aggressive Verteidigungsstrategie. Indem die VR China und immer mehr Staaten sich dem Neoliberalen Finanzkapitalismus entziehen, verengt sich dessen Spielraum immer mehr. „Polykrisen“ werden nun Anlässe hybrider Kriege, autoritärer Herrschaftsinszenierungen und dystopischer Herrschaftsformen.
Summary: Die „Moderne“ erlebt ihren globalen krisenhaften Abstieg. Ihren Aufstieg verdankte sie dem industriellen Kapitalismus, der sich zuerst in Europa und dann in den USA durchsetzte. Die unumstrittene Herrschaft des industriellen Kapitals währte allerdings nur bis zum Ende des 19. Jhdts. Anzeichen einer inneren Transformation des industriellen hin zum Finanzkapital waren da bereits unübersehbar. Statt die darin sich zeigende Veränderung der kapitalistischen Entwicklung zu untersuchen, konzipierten sozialdemokratisch-reformistische Theoretiker die Auffassung, es handele sich um erste Schritte eines „Hinüberwachsens in den Sozialismus“ und das Finanzkapitel strebe in Richtung einer „Art kapitalistischer Planwirtschaft“ (R. Hilferding), was einen durchaus zutreffenden Aspekt im Sinne einer Vergesellschaftung enthielt. Jedoch hatte das Finanzkapital, bei Marx noch als Effektivierung des Industriekapitals betrachtet, begonnen, sich von diesem zu emanzipieren. W.I. Lenin stimmte hinsichtlich des Auftretens neuer Erscheinungsformen weitgehend mit Hilferding überein, zog aber Schlüsse in Richtung der Imperialismustheorie vorrangig in revolutionstheoretischer Perspektive. Die Fortschreibung der von Hilferding nicht weitergedachten Untersuchung der Logik des Kapitals dagegen erkennt ein dialektisches Verhältnis beider Formen des Kapitals, innerhalb dessen sich das Finanzkapital zunehmend emanzipiert und beginnt, das Industriekapital zu dominieren und „auszubeuten“. Am Ende dominiert es auch die Naturressourcen, den Staat und alle Bereiche der Gesellschaft, auf nationaler wie internationaler Ebene. Dabei gerät es auch mit sich selbst in Widerspruch, weil es zunehmend der bis dahin gültigen Grundlage der Moderne, dem produktiven Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital, den Boden entzieht und ungeheure Reichtümer in Gestalt des realen und zunehmend auch eines virtuellen (fiktiven, real ungedeckten) Kapitals akkumuliert und konzentriert. Indem seine Reproduktion die des Industriekapitals, der gesamten Lohnarbeit und des Staates unterminiert, beginnt auch sein eigener Abstieg, der seines Staates und seines gesamten internationalen Systems. Mit der Rolle des Welthegemons übernehmen die USA für das von dort agierende internationale Finanzkapital für eine Zeitlang die ihm eigene Form totalitärer Herrschaft, wobei der globale Dollarraum zunächst eine scheinbar endlose Selbstvermehrung ermöglicht. Indem nun aber die VR China und die Russische Föderation, gefolgt von immer mehr Staaten, sich diesem zunehmend entziehen, verengt sich der Spielraum für die Ausgabe von ungedecktem Geld und Kredit. Mit der Großen Finanzkrise 2008ff. beginnt das westliche Hegemonialsystem des Finanzkapitals mit seiner vielschichtigen und auch offensiven Verteidigung. Corona-Pandemie, Klima-Katastrophe und die sich zuspitzende „Polykrise“ werden Anlässe für eine medial wie politisch forcierte autoritäre Herrschaftsinszenierung auf und verweisen auf neue dystopische Herrschaftsformen.
Wolfgang Krieger promovierte mit einer Arbeit über „Hegelsche Dialektik und das Problem der Formalisierung in Mathematik, Elektrodynamik, Systemtheorie und Künstlicher Intelligenz“; ist diplomierter Mathematiker und graduierter Ingenieur der Regelungstechnik. Projektleiter des modellbasierten KI-Systems ROSE (Reasoning Over Systems in Their Entirety) für die Luftfahrtindustrie. Mehrere Veröffentlichungen über klassische wie LLM-Systeme der KI.
Wolfram Elsner, Professor für Volkswirtschaftslehre (i.R.), Universität Bremen, und Gastprofessor, Jilin Universität, Changchun, China; Managing Editor Forum for Social Economics (2012-2018); Founding Editor-in-Chief Review of Evolutionary Political Economy (2018-2023); Präsident European Association for Evolutionary Political Economy (20122014, 2014-2016); zahlreiche internationale Forschungs-und Lehraufenthalte; zahlreiche internationale Buch-und Zeitschriftenveröffentlichungen, zahlreiche Auszeichnungen.
Hier geht es weiter zum kompletten Artikel als PDF
Online-Flyer Nr. 849 vom 31.07.2025
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Das Finanzkapital und der Abstieg der "Moderne"
Von Wolfgang Krieger und Wolfram Elsner
Summary: Die „Moderne“ erlebt ihren globalen krisenhaften Abstieg. Ihren Aufstieg verdankte sie dem industriellen Kapitalismus, der sich zuerst in Europa und dann in den USA durchsetzte. Die unumstrittene Herrschaft des industriellen Kapitals währte allerdings nur bis zum Ende des 19. Jhdts. Anzeichen einer inneren Transformation des industriellen hin zum Finanzkapital waren da bereits unübersehbar. Statt die darin sich zeigende Veränderung der kapitalistischen Entwicklung zu untersuchen, konzipierten sozialdemokratisch-reformistische Theoretiker die Auffassung, es handele sich um erste Schritte eines „Hinüberwachsens in den Sozialismus“ und das Finanzkapitel strebe in Richtung einer „Art kapitalistischer Planwirtschaft“ (R. Hilferding), was einen durchaus zutreffenden Aspekt im Sinne einer Vergesellschaftung enthielt. Jedoch hatte das Finanzkapital, bei Marx noch als Effektivierung des Industriekapitals betrachtet, begonnen, sich von diesem zu emanzipieren. W.I. Lenin stimmte hinsichtlich des Auftretens neuer Erscheinungsformen weitgehend mit Hilferding überein, zog aber Schlüsse in Richtung der Imperialismustheorie vorrangig in revolutionstheoretischer Perspektive. Die Fortschreibung der von Hilferding nicht weitergedachten Untersuchung der Logik des Kapitals dagegen erkennt ein dialektisches Verhältnis beider Formen des Kapitals, innerhalb dessen sich das Finanzkapital zunehmend emanzipiert und beginnt, das Industriekapital zu dominieren und „auszubeuten“. Am Ende dominiert es auch die Naturressourcen, den Staat und alle Bereiche der Gesellschaft, auf nationaler wie internationaler Ebene. Dabei gerät es auch mit sich selbst in Widerspruch, weil es zunehmend der bis dahin gültigen Grundlage der Moderne, dem produktiven Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital, den Boden entzieht und ungeheure Reichtümer in Gestalt des realen und zunehmend auch eines virtuellen (fiktiven, real ungedeckten) Kapitals akkumuliert und konzentriert. Indem seine Reproduktion die des Industriekapitals, der gesamten Lohnarbeit und des Staates unterminiert, beginnt auch sein eigener Abstieg, der seines Staates und seines gesamten internationalen Systems. Mit der Rolle des Welthegemons übernehmen die USA für das von dort agierende internationale Finanzkapital für eine Zeitlang die ihm eigene Form totalitärer Herrschaft, wobei der globale Dollarraum zunächst eine scheinbar endlose Selbstvermehrung ermöglicht. Indem nun aber die VR China und die Russische Föderation, gefolgt von immer mehr Staaten, sich diesem zunehmend entziehen, verengt sich der Spielraum für die Ausgabe von ungedecktem Geld und Kredit. Mit der Großen Finanzkrise 2008ff. beginnt das westliche Hegemonialsystem des Finanzkapitals mit seiner vielschichtigen und auch offensiven Verteidigung. Corona-Pandemie, Klima-Katastrophe und die sich zuspitzende „Polykrise“ werden Anlässe für eine medial wie politisch forcierte autoritäre Herrschaftsinszenierung auf und verweisen auf neue dystopische Herrschaftsformen.
Wolfgang Krieger promovierte mit einer Arbeit über „Hegelsche Dialektik und das Problem der Formalisierung in Mathematik, Elektrodynamik, Systemtheorie und Künstlicher Intelligenz“; ist diplomierter Mathematiker und graduierter Ingenieur der Regelungstechnik. Projektleiter des modellbasierten KI-Systems ROSE (Reasoning Over Systems in Their Entirety) für die Luftfahrtindustrie. Mehrere Veröffentlichungen über klassische wie LLM-Systeme der KI.
Wolfram Elsner, Professor für Volkswirtschaftslehre (i.R.), Universität Bremen, und Gastprofessor, Jilin Universität, Changchun, China; Managing Editor Forum for Social Economics (2012-2018); Founding Editor-in-Chief Review of Evolutionary Political Economy (2018-2023); Präsident European Association for Evolutionary Political Economy (20122014, 2014-2016); zahlreiche internationale Forschungs-und Lehraufenthalte; zahlreiche internationale Buch-und Zeitschriftenveröffentlichungen, zahlreiche Auszeichnungen.
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