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Globales
Zum Tod des Ex-Präsidenten Chiles Sebastián Piñera am 6. Februar 2024
Wofür andere Länder Chile nur beneiden können
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Der offene vorurteilsfreie demokratisch-repubikanische Geist der chilenischen Gesellschaft zeigt sich in ihrem bemerkenswerten Umgang mit dem Tod des Expräsidenten Sebastián Piñera am 6. Februar 2024, vor allem im beispielhaften, ehrenvollen Verhalten des jungen Präsidenten Gabriel Boric und seiner Regierung. Es ist ein Motiv, stolz in Chile zu sein, wofür andere Länder Chile nur beneiden können. Sofort nach dem Bekanntwerden des unglücklichen Hubschrauberabsturzes mit Todesfolge für den Ex-Präsidenten Sebastián Piñera erwies Präsident Boric seinem Vorgänger ehrenvolle Worte, bekundete der Witwe und Familie sein tief empfundenes Beileid und ordnete alles an, um ein Staatsbegräbnis in Abstimmung mit der Familie Piñera-Morel zu koordinieren. Seine Regierung entschied drei Tage nationaler Trauer.


Ex-Präsident Chiles Sebastián Piñera (Ausschnitt aus Aufnahme der chilenischen Regierung - lizensiert hier)

Chile: Zivilisierte Kultur


Das persönliche, mitfühlende Verhalten von Gabriel Boric neben Cecilia Morel, Ehefrau von Sebastián Piñera, genauso wie seines politischen Kabinets war sichtbar, und erschüttert bedankte sich die Witwe dafür. Neben Cecilia Morel Montes empfing Präsident Gabriel Boric den Sarg mit dem Korpus des Ex-Präsidenten Sebastián Piñera auf dem Flughafen von Santiago, wohin ein Flugzeug der Luftstreitkräfte Chiles den Sarg brachte und Präsident Gabriel Boric begleitete den Leichenwagen bis zum Ehrensaal im Gebäude des Nationalen Kongresses. Die Worte der Regierungssprecherin, Ministerin Camila Vallejos Downling, drücken am besten diesen hoch noblen, offenen Geist der zivilisierten Kultur Chiles aus, die sich in diesen traurigen Stunden nach dem tragischen Tod des Ex-Präsidenten über alle politischen Differenzen hinweg manifestiert:

"Es ist ein republikanischer Akt, ein republikanischer staatlicher Arbeitstag. Wir machen, was korrekt ist. Die politischen Differenzen sind publik und allen bekannt, aber die Fakten müssen anerkannt werden: Der Ex-Präsident Sebastián Piñera wurde zweimal demokratisch von der Mehrheit der chilenischen Staatsbürger gewählt und entsprechend seiner Vision hat er zur Entwicklung Chiles beigetragen. Er verdient ein Staatsbegräbnis, das Präsident Boric und seine Regierung mit der Familie des Ex-Präsidenten nach dem nationalen Protokoll koordinieren. Politische Differenzen, die es natürlich gibt, stehen in diesen Momenten nicht im Vordergrund, sondern unser Beileid für Frau Cecilia Morel und Familie und die Ehrenerweisung für den verstorbenen Präsidenten. Es sind auch komplexe, diffizile Tagen für die Regierung nach dem Feuer in Valparaíso-Viña del Mar, das viele Familien ohne Dach und viele Opfer gelassen hat. Die Regierung von Gabriel Boric bemüht sich, solchen Familien sofort zu helfen."

Chile: Aus Deutschland keine Beileidsbekundungen für den verstorbenen Ex-Präsidenten Sebastián Piñera vernehmbar

Die ersten Beileidsbekundungen für den verstorbenen Ex-Präsidenten Sebastián Piñera kamen aus Brasilien, Perú, Kolumbien, Uruguay, Paraguay und Argentinien, aus Nordamerika vom Premierminister Kanadas Justin Trudeau und US-Präsident Joe Biden; aus Europa aus Spanien und vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, aus China äußerte Präsident Xi Jinping sein Beileid. Seltsamerweise war nichts von Kanzler Olaf Scholz und auch nichts von Präsident Macron zu vernehmen.

Chile: Für deutschen Kanzler eine Erfahrungsschlappe

Vermutlich ist der deutsche Kanzler immer noch höchst frustriert, nachdem er bei seinem Besuch in Chile mit seiner Sanktionspolitik gegen Russland vor dem Präsidenten Gabriel Boric vollständig scheiterte. Kanzler Scholz erlebte in Chile am 30.01.2023 dieselbe Schlappe wie in Südafrika am 24.05.2022 und musste sich anhören, warum Präsident Gabriel Boric Sanktionen gegen Russland nicht zuzustimmen werde. Die erratische Ansicht von Kanzler Scholz und seiner lausigen Ampel-Regierung zum Ukraine-Konflikt wurde nicht nur in Chile, sondern auch in Indien, Südafika, Brasilien und anderen Ländern von den jeweiligen Regierungschefs grundsätzlich korrigiert.

Chile: Alles eine Nummer zu hoch für die Regierung Scholz

Aber der hochmütige, wenig intelligente deutsche Kanzler hat sich selbst nicht richtigestellt, und die Medien tun es auch nicht. Ebenso zeigt sich der deutsche Vizekanzler in außenpolitischen Angelegenheiten völlig inkompetent. Hinzu kommen die Äußerungen der Regierungssprecherin Chiles, die Ministerin Camila Vallejos Downling der Kommunistischen Partei Chiles, und die Annäherung der sozialdemokratischen Regierung von Gabriel Boric an die Familie von Sebastián Piñera, alles eine Nummer zu hoch für die politisch ungebildet wirkende Regierung Scholz. Daher das peinliche Schweigen aus Deutschland.

Das Vermächtnis vom Ex-Präsident Sebastián Piñera besteht darin, den Zusammenhalt zu stärken und die Brüderlichkeit aller Chilenen zu fördern, die nur in der Einheit zu finden ist. Die chilenische Nation ist eine Familie, die keinen ausschließen darf. Zu lernen, gemeinsam zu gehen und zu bauen, um die Armut zu bekämpfen und dabei die Differenzen zu respektieren und stets um Verständnis für das größere Wohl Chiles zu werben, wie der amtierende Präsident Gabriel Boric öffentlich in seiner Rede bei der letzten Ehrenbezeugung für Piñera im Saal des Nationalen Kongresses erklärte (09.02.2024).

Chile: Solidarität mit allen Menschen, die leiden, daher 1992 Asyl für DDR-Staatsoberhaupt Erich Honecker und seine Frau Margot

Die offene Mentalität der Chilenen, geprägt vom tiefem menschlichen Sinn und Solidarität mit allen Menschen, die leiden, bewegte 1992 den christdemokratischen Präsidenten Patricio Aylwin für den todkranken deutschen Staatschef, Erich Honecker und seiner Frau Margot Asyl zu gewähren, eine Entscheidung, die die allseitige Zustimmung aller politischen Parteien von Konservativen, Christdemokraten, bis Sozialisten und Kommunisten plus die Katholische Kirche Chiles bekam. Dieser richtige, humane Schritt wurde aber nicht von der deutschen christdemokratischen Partei verstanden. Bis heute nicht. Die deutschen Christdemokraten meinen immer wieder, Menschenrechte irgendwo in der Welt einfordern zu müssen, aber in der Praxis verstehen sie nichts davon. Menschlichkeit ist ihnen völlig fremd. Als Chile dem kranken Staatschef Erich Honecker Asyl unter dem christdemokratischen Präsident Patricio Aylwin gewährte, wegen der unwürdigen Verfolgung, die die Bundesrepublik ihrem Land- und Staatsmann Erich Honecker aussetzte, fragte Bundeskanzler Helmut Kohl den Präsidenten Chiles Patricio Aylwin, wieso er von Asyl spreche. Aylwin antwortete ihn: “Wie wollen Sie es dann nennen?”

Eine Katharsis innerhalb der etablierten deutschen Parteien ist dringend notwendig, wenn sie überleben wollen: In der öffentlichen Debatte muss eine verschwiegene Postnazi-Vergangenheit endlich zur Sprache kommen. Es ist erwiesen, wie diese verheerende Vergangenheit die Elitenbildung der alten Bundesrepublik prägte. Dieser Ungeist ist offensichtlich heute noch innerhalb konservativ-liberaler und christlicher Parteien wie CDU, CSU und AfD aktiv.

Chile: Kommunisten, Sozialisten, Liberale und Konservative problemlos Seite an Seite im Gegensatz zu Deutschland

In Chile jedenfalls können Kommunisten, Sozialisten, Liberale und Konservative problemlos Seite an Seite stehen. Im Ehren-Saal des Nationalen Kongress erwiesen die drei Staatsgewalten Exekutive, Legislative und Judikative dem Expräsidenten Sebastián Piñera Echenique die letzte Ehre mit beachtlichen Reden vom Präsidenten des Senats, Juan Antonio Coloma, vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofs (Corte Suprema), Ricardo Blanco Herrera, und vom Präsidenten der Republik Gabriel Boric. Ebenso äußerten sich die Ex-Präsidenten Chiles, Eduardo Frei Ruiz Tagle und Michelle Bachelet. Zum Schluss ergriff eine Tochter von Sebastián Piñera das Wort, Magdalena Piñera Morel, die sich im Namen ihrer Mutter, der gesamten Familie bei allen Autoritäten für die Zuneigung und Anerkennung ihres Vaters, “ein außergewöhnlicher Mann”, bedankte: “Danke, Danke, unendlichen Dank”.

Nach der Misa Solemnis in der Kathedrale von Santiago mit dem katholischen Erzbischof wurde der Korpus des Ex-Präsidenten Piñera zum Regierungspalast gebracht, dem Palast La Moneda, wo Präsident Gabriel Boric und die Palastwache mit allen Carabineros in Gala-Uniform dem Ex-Präsidenten die letzte Ehre erwiesen, die letzte Verabschiedung, gerade in La Moneda, wo Sebastián Piñera acht Jahre lang arbeitete als wiedergewählter Präsident der Republik.


Verfasst am 10.02.2024


Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


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