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Aktueller Online-Flyer vom 06. Mai 2024  

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Literatur
Lesung von Anjuska Weil
Begegnungen – Geschichten in der Geschichte Vietnams
Von Heinrich Frei

Am 13. Dezember 2023 hat Anjuska Weil im Café Boy im Zürcher Kreis 4 Texte aus ihrem Buch «Begegnungen – Geschichten in der Geschichte Vietnams» vorgelesen. (1) Die Veranstaltung wurde von der AVIVO der Vereinigung von Rentnerinnen und Rentnern (2) organisiert. Anjuska Weil hat in ihrem Buch Geschichten von alten Menschen gesammelt, die die japanische Besetzung, den Kolonialkrieg Frankreichs und den Krieg der USA gegen Vietnam erlebt und erlitten haben und Zeugnis geben von dieser schlimmen Zeit. Im Vorwort ihres Buches schrieb Anjuska Weil: «Die Begegnungen mit den Menschen in diesem Buch sind keine eigentlichen Biografien. Vielmehr erfahren wir durch die Berichte, was die Erzählenden in schweren Zeiten ihres Landes erlebt und erlitten haben, wie sie sich engagiert einbrachten, was ihr Beitrag war. Sie lassen uns teilhaben an ihrem Blick auf die Ereignisse jener Zeit.»


Bild aus dem Büchlein «Gedichte von alten Menschen in Hué» (Vietnam), Vereinigung Schweiz-Vietnam, Mai 2008

Leben mit Leprakranken

Alle Teilnehmer an der Veranstaltung waren sehr berührt über den Bericht von Nguyên Thi Xuân, den Anjuska Weil aus ihrem Buch präsentierte. Diese katholische Schwester betreut heute noch Leprakranke. Als junge Frau wurde sie mit dem Leid dieser Menschen konfrontiert. So erwuchs in ihr der Wunsch sich ihnen zu widmen, für sie da zu sein. Seit 1987 ist das ihr Alltag, und obwohl sie nun seit mehreren Jahren pensioniert ist, will sie nichts daran ändern. Als Nguyên Thi Xuân mit ihrer Arbeit begann, gab es in Vietnam noch sehr viele Leprakranke. Heute gibt es in der Provinz, in der sie tätig ist, keine Neuansteckungen mehr. Was bleibt sind die vor Jahren erkrankten Menschen fachkundig zu behandeln und jene die unter den Spätfolgen der Krankheit leiden sorgfältig zu betreuen.

Heute gibt es in Vietnam fast keine Neuansteckungen mehr mit Lepra

Als 1997 in Vietnam das Programm zur Überwindung der Lepra startete, gab es jährlich 10'000 Neuerkrankungen. 20 Jahre später lag die Zahl unter 300. Heute gibt es in Vietnam fast keine Neuansteckungen mehr. In vielen Entwicklungsländern ist die Krankheit nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem. Anjuska Weil ist seit 1991 Geschäftsführerin des kleinen Vereins «Leprahilfeplus Vietnam» (3)

1982 wurde die Vereinigung Schweiz-Vietnam (4) gegründet. 1994 wurde Anjuska Weil deren Präsidentin und ist es noch heute. Sie hat Vietnam schon über 30-mal besucht.

Das Siechenhaus Zürichs für Aussätzige stand in Aussersihl

Die von der Lepra Angesteckten wurden früher auch in der Schweiz ausgestoßen. Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert wurden abseits der Ortschaften Siechenhäuser zur Aufnahme Leprakranker gebaut. Das Siechenhaus Zürichs für Aussätzige, wie Leprakranke damals genannt wurden, stand außerhalb der Stadt, in Aussersihl am Brückenkopf der Sihl an der Werdstrasse, wo auch der städtische Galgen stand.

Für Anjuska Weil war Vietnam seit 1966 ein Thema

Für Anjuska Weil war Vietnam ein Thema seit die Bilder des US-Krieges über die noch schwarz/weißen Fernsehschirme flimmerten, seit 1966. Bei der Centrale Sanitaire Suisse Romande fand sie schon damals die Kampagne «Aide au Vietnam».

Ihre Mutter war damals bei Terre des Hommes aktiv. Mit ihrem Mann Jochi Weil gründete Anjuska darauf die Terre des Hommes Thurgau. Eines der Napalm verbrannten Kinder aus Vietnam wurde ihr kleiner Bruder. Ihre Eltern nahmen den schwerstverbrannten Waisenjungen auf. «Meine Finger wissen noch heute, wie Napalm-Klumpen im Gewebe eines Kindes sich anfühlen», schrieb mir Anjuska Weil.


Umschlag des Buches «Begegnungen – Geschichten in der Geschichte Vietnams»


Bild aus dem Buch

Einige Daten und Fakten der Geschichte Vietnams (von Heinrich Frei zusammengestellt)

1940 bis 1945: Das Vichy Regime in Frankreich verbündet mit Hitler arbeitet mit Japan zusammen, das in Vietnam Truppen stationierte. Für die Dauer von fünf Jahren war Vietnam einer französisch-japanischen Doppelherrschaft unterworfen. Unter der japanischen Besetzung begann im Dezember 1944 der bewaffnete Kampf gegen die japanische Besatzung. Im August 1945 kapitulierte Japan.

2. September 1945: Hô Chi Minh ruft in Hanoi die Demokratische Republik Vietnam DRV aus. 23. September 1945: Französische Truppen kehren zurück und besetzen Saigon. Der Widerstand gegen die Kolonialmacht, die ein unabhängiges Vietnam nicht akzeptieren will, beginnt. Der Befreiungskrieg endet am 7. Mai 1954 mit dem Sieg in Dien Bien Phu über Frankreich.

Nach der provisorischen Teilung des Landes im Jahr 1954 in Nord- und Südvietnam sollten Wahlen stattfinden, um das Land zu vereinen, die jedoch vom Süden verhindert wurden. 1955 wurde Ngo Dinh Diem Präsident Südvietnams. Er war ein Mann der Amerikaner, dessen Regime in den folgenden Jahren im Krieg gegen den Vietcong auf der Seite der USA stand. Die Vereinigten Staaten hatten Frankreich schon von 1950 an im Kampf gegen die Vietminh von Hô Chi Minh unterstützt.

Die USA verfolgte in Vietnam das Ziel, den Kommunismus einzudämmen. Amerika befürchtete Vietnam, Kambodscha, Laos, Indonesien, die Philippinen und andere Länder würden nach und nach wie Dominosteine umfallen, und unter kommunistische Herrschaft kommen, wie 1949 China, und so der «Freien Welt» verloren gehen.

Im Dezember 1960 wurde die Nationale Befreiungsfront Südvietnams (FLN) gegründet, bekannt als Vietcong. Schon im August 1961 begannen dann die USA in Südvietnam Agent Orange einzusetzen, ein giftiges Entlaubungsmittel zur Zerstörung der Wälder, in denen sich die Kämpfer des Vietcongs versteckten. Nach dem von den USA inszenierten Tonkin Zwischenfall (5) von 1964 setzten die USA im großen Stil in Südvietnam Bodentruppen ein. Im Februar 1965 ließ US-Präsident Lyndon B. Johnson erstmals auch Nordvietnam bombardieren. In Vietnam standen schlussendlich 543’000 US-Soldaten und 320'000 Soldaten aus Südkorea.

Nordvietnam und der Vietcong wurden durch 170'000 chinesische Soldaten unterstützt. Im Mai 1968 begannen Friedensgespräche in Paris. Eine Großoffensive der Befreiungskräfte im Süden wurde im März 1972 eröffnet und im Dezember 1972 bombardierten die USA Hanoi. Das Pariser Friedensabkommen kam im Januar 1973 zustande und der Rückzug der US-Truppen begann. Am 30. April 1975 marschierten die Einheiten Nordvietnams und des Vietcongs in Saigon ein. Die Wiedervereinigung des Landes mit Wahlen von Abgeordneten für die Nationalversammlung in Süd- und Nordvietnam wurde im April 1976 eingeleitet. Nach dem Abzug ihrer Truppen verhängten die USA ein Embargo gegen Vietnam, von 1976 bis 1989, was das Land hart traf und strenge Rationierungsmaßnahmen nötig machte. Wie viele Opfer der Krieg in Vietnam, Kambodscha und Laos forderte ist nicht bekannt. 3 bis 5 Millionen?

Elf Jahre wütete der Krieg zwischen Nordvietnam und den USA. China und die Sowjetunion unterstützten die Vietnamesen und standen damit der Supermacht USA gegenüber. Die Amerikaner warfen im Verlauf des Krieges acht Millionen Tonnen Bomben auf Vietnam ab, mehr als doppelt so viel wie im gesamten Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kamen. Viele Vietnamesen litten außerdem unter dem Einsatz hochgiftiger Chemikalien, wie dem Pflanzengift «Agent Orange», das die Amerikaner im Dschungel versprühten. (6)

Phoenix-Mordoperation des US-Geheimdienstes CIA


Während dem Vietnamkrieg setzten sich zehntausende wehrpflichtige US-Bürger nach Kanada, Schweden und auch in die Schweiz ab, sie wollten sich nicht am Krieg in Südostasien beteiligen. Eine Ärztin aus Südvietnam, eine Botschafterin des Vietcongs, kam damals zu einem Vortrag nach Zürich. Sie schilderte, wie sie mit ihrem Mann in den Dschungel flüchten musste, denn sie vernahmen, dass man sie als «Verdächtige» verhaften wollte, was damals den Tod bedeutete. Es war die Zeit des Phoenix-Mordprogramms. Die Ärztin schloss sich nach ihrer Flucht aus der Stadt dem Vietcong an. Im Laufe dieser geheimen Phoenix-Mordoperation des US-Geheimdienstes CIA wurden in Südvietnam mehrere zehntausend Zivilisten ermordet.


Video: The Vietnam War and the Phoenix Program: (7)(8)


Fußnoten

(1) Bestellt kann man das Buch bei info@vsv.ch oder direkt bei Anjuska Weil: a.weil@sunrise.ch, Buch gebunden, 200 Seiten. ISBN 978-3-033-09524-3. Preis: 28 CHF
(2) AVIVO Schweiz | Vereinigung zur Verteidigung der Rechte der Rentnerinnen und Rentner (avivo-ch.ch)
(3) Leprahilfeplus - Vereinigung Schweiz-Vietnam (vsv-asv.ch)
(4) HOME - Vereinigung Schweiz-Vietnam (vsv-asv.ch)
(5) Tonkin-Zwischenfall – Wikipedia
(6) Chronik: Der Vietnamkrieg - die wichtigsten Daten | MDR.DE
(7) https://www.globalresearch.ca/video-the-vietnam-war-and-the-phoenix-program-a-computerized-genocide/5613184
(8) «A Computerized Genocide» Michael Maclear’s 1975 documentary, Spooks and Cowboys, Gooks and Grunts (Part 1) By Michael Maclear and Douglas Valentine, Global Research, October 20, 2017
https://youtu.be/yOmQoADOQWs

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