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Aktueller Online-Flyer vom 08. Mai 2024  

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Globales
Zur globalen Situation
Die Welt teilt sich
Von Anis Hamadeh

Fehlende Selbstkritik ist eines der Merkmale von Ideologien. Das liegt in der Natur der Sache, denn eine Ideologie braucht man nur, wenn man kämpft, und Kampf ist ein Ausnahmezustand, weshalb man sich schon aus strategischen Gründen keine Blöße durch Selbstkritik geben darf. Natürlich sind nicht nur wir von Ideologien bedroht und betroffen, klar, aber das, was wir als die Politik unserer noblen Werte betrachten, ist nüchtern betrachtet ein löchriges Konstrukt, das nur mithilfe von Dogmen aufrechterhalten werden kann, also so genannten Wahrheiten, die nicht hinterfragt werden dürfen. Beispiele? Da wäre Bushs Versprecher: „Das Ergebnis ist das Fehlen von Kontrolle und Gegenkontrolle in Russland und die Entscheidung eines Mannes, eine völlig ungerechtfertigte und brutale Invasion des Irak zu starten ... Ich meine, der Ukraine.“ (1) oder von der Leyens Tweet vom 19.10.2022, der in krassem Widerspruch zu ihrer unbedingten Israelsolidarität steht: „Russlands Angriffe auf die zivile Infrastruktur, insbesondere die Stromversorgung, sind Kriegsverbrechen. Männer, Frauen, Kinder von Wasser, Strom und Heizung abzuschneiden, während der Winter vor der Tür steht – das sind reine Terrorakte. Und wir müssen sie als solche bezeichnen.“ (2). Die Doppelmoral ist so allgegenwärtig, dass es müßig ist, sie detailliert nachzuzeichnen. Andere verstehen das und machen da nicht mit.

Denn nur weil wir so geschlossen und so entschlossen auftreten, heißt das nicht, dass andere auch so denken. Weder unser Israelnarrativ noch unser Ukrainenarrativ ist allgemein anerkannt. Die arabische Welt hat eine eigene vorherrschende Meinung, die islamische Welt auch. Afrika sieht die Dinge ein wenig anders, China und Russland ebenfalls. Asien ist groß. Dann sind da noch Mittel- und Südamerika. In vielen Ländern werden Kontexte berücksichtigt, die bei uns ausgeblendet werden. Sie lassen sich knapp und klar benennen: Was Palästina angeht, so sind es die illegale israelische Landnahme und die rassistische und gewalttätige Natur des zionistischen Staates, der weder die Menschenrechte noch internationales Recht achtet. Was die Ukraine angeht, so sind es die Nato-Osterweiterung und der US-geführte Putsch von 2014 (3) mit den anschließenden Angriffen auf den Donbass sowie die Sabotage der Minsk-Verträge zwecks Aufrüstung gegen Russland. Was schließlich die USA betrifft, so haben die Angriffskriege unseres Hegemons einige Länder zu negativen Werturteilen veranlasst, was für uns völlig undenkbar ist.

Und was haben wir? Was Palästina angeht, so ist unser Diskurs auf die Themen „Antisemitismus“, „Terrorismus“ und Israels „Sicherheit“/„Selbstverteidigung“ eingedampft worden. Schon bei der Beschreibung dieses Diskurses muss man häufig Anführungsstriche setzen, um den Ausdruck „so genannten“ abzukürzen. Der Diskurs ist in sich geschlossen wie eine riesige Echokammer und besteht unabhängig vom tatsächlichen Geschehen, zum Beispiel dem Geschehen in Gaza. Dass es ein überaus schweres Verbrechen ist, tausende Kinder zu ermorden, fällt zum Beispiel aus unserem Diskurs heraus. Was die Ukraine angeht, so bestehen wir auch hier auf totale Solidarität, wenngleich die Begeisterung für diesen Krieg bei uns abgenommen hat, als klar wurde, dass die Ukraine verliert. Was schließlich die USA betrifft, so verhalten wir uns wie der sprichwörtliche Frosch im heißer werdenden Wasser: Wir thematisieren es nicht. Nato-Angriffskriege, Millionen Tote, der Nahe Osten halb in Trümmern, diese Pipeline-Geschichte, wir sagen nichts dazu. Selbst die parlamentarische Linke bei uns ist NATO-konform geworden.

Wie ein Stück Holz, das zweimal von einer kräftigen Axt getroffen wird, so teilt sich gerade die Welt. Ukraine, hack, Israel, hack. Die tektonischen Platten der Weltpolitik knacken und ächzen wie nie zuvor seit 1945. Dieses Mal gibt es nur zwei Lager: das US-Imperium und die anderen. Die unipolare Welt und die multipolare Welt.

Ja, es ist ein Genozid


Nun könnte man sagen: Was soll's, wir sind stärker. Aber so klar ist das gar nicht. Putin ist nicht Lili'uokalani, die letzte Königin von Hawaii, die die USA mit der bloßen Androhung von Waffengewalt zur Aufgabe ihrer Insel zwingen konnten. Und Hamas ist keine Nazipartei, das ist abwegig. Wie sollen wir denn die Realität einschätzen können, wenn wir gar nicht darin leben? Und mit „wir“ ist hier der ganze „freie Westen“ gemeint, denn überall im Westen ist aufgrund des eingeengten Blickfelds ein gewaltiger Realitätsverlust zu konstatieren. Das ist schon seit dem Elften September so, als Fragen nicht zugelassen wurden, aber heute haben wir es mit einem Genozid zu tun, der live in den Medien übertragen wird. George Galloway und Norman Finkelstein nannten Gaza in einem kürzlichen Gespräch ein Todeslager. (4) Man erinnere sich in diesem Kontext daran, dass die Fernsehübertragung des Vietnamkriegs der Anfang vom Ende dieses Krieges war.

Und ja, es ist ein Genozid. Er beginnt damit, dass die Opfer entmenschlicht werden, denn sonst kann man Mord nicht so gut rechtfertigen. „Menschliche Tiere“ hat Israels Verteidigungsminister kurz nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober diejenigen genannt, die bekämpft und „vollständig belagert“ werden. (5). Das war kein Ausrutscher, sondern reiht sich ein in eine umfangreiche Sammlung dehumanisierender Zitate aus der politischen Elite, in denen u.a. 2015 eine Ministerin vor palästinensischen Schlangenmüttern warnte, die kleine Schlangen aufziehen. (6) Wir in Deutschland weisen stets darauf hin, dass eine solche Sprache Teil unseres Totalitarismus gewesen ist, einer der Grundpfeiler der Nazigräuel. Dabei geht es zum einen um die Heruntersetzung der Hemmschwelle, denn Tiere und Schlangen haben keine Menschenrechte, zum anderen wird damit die Grenze zwischen Kämpfern und Bevölkerung verwischt, denn Tiere und Schlangen haben auch keine Zivilisten.

Was soll man machen, wenn man die Terroristen aus Sicherheitsgründen ausrotten muss und sie sich – perfide und unfair – in Krankenhäusern und Schulen verschanzen? Oder in Krankenwagen? Nun, es gibt klare Gesetze für solche Fälle, Normen und Regeln, auf die sich die Menschheit geeinigt hat. Als Nachrichtenkonsument wiederum sollte man außerdem immer prüfen, ob es wirklich stimmt, was in den Nato-Medien behauptet wird, denn die Vergangenheit hat umfänglich gezeigt, dass in Krisensituationen wie dieser aus ideologischen Gründen viel gelogen wird, und ganz besonders, was Israel betrifft. (7) Die Gesetze des internationalen Rechts im Kriegsfall verbieten derartige Angriffe auf Zivilisten und deren Vertreibung, das ist kein Punkt, über den man diskutieren muss. Das betrifft auch den Einsatz von Phosphor als Waffe. Als Besatzungsstaat (8) hat Israel vielmehr die Verpflichtung, die Menschen unter Besatzung gut zu behandeln. Stattdessen hatte es die Gazaner auf eine strikte Diät gesetzt und viele Jahre lang eingesperrt. Zu beachten ist, dass es sich bei der Hamas nicht um einen staatlichen Akteur handelt, weil der Westen ihren demokratischen Wahlsieg 2006 nicht anerkannt hat, nachdem Israel die Hamas zuvor als Gegenspieler zur Fatah-Organisation gestärkt und aufgebaut hatte. (9) Deshalb ist es auch kein Krieg, was jetzt in Gaza passiert.

Die israelische Ankündigung, Gaza „platt“ und unbewohnbar zu machen (10) (bzw. Juden dorthin umzusiedeln) (11) und die Grundversorgung im Gazastreifen für Wochen und Monate auszusetzen, also Wasser, Strom, Mehl, Nahrung, Kleidung etc., kommt einem Todesurteil gleich. Wer an diesem Punkt immer noch nicht versteht, dass die Absichten dieses Staates genozidal sind, sollte sich umgekehrte Rollen vorstellen: Würden z.B. die arabischen Staaten Israel vollständig abriegeln, allen Menschen wochenlang Wasser, Strom und Essen verweigern, während sie ununterbrochen und ohne Rücksicht auf Kinder und andere Zivilisten schwere Raketen auf Städte schießen, was wäre dann? Ist das ein Genozid?

In diesem Kontext sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass in letzter Zeit Pogrome geschehen sind wie das in Huwara am 26. Februar (12) und sich die israelische Bevölkerung wenig dafür interessiert hat. In diese Stimmung hinein posaunt Premierminister Netanjahu seine Lyrik über die Menschen des Lichts und die der Dunkelheit sowie die Erinnerung an die alttestamentarischen Amalekiter, und zwar im Kontext mit der jetzigen Krise. (13) Er setzt das heutige Israel mit den Israeliten gleich, die Gott in der Bibel auffordert, die Amalekiter auszurotten. Die Bibel (mit der Netanjahu ansonsten wenig am Hut hat) spricht eindeutig von einem Genozid. Die große Anzahl der Toten und die fehlende Perspektive wird noch verschlimmert durch die Grundhaltung der israelischen Gesellschaft, in der Rassismus und Pogrome nichts Besonderes mehr sind, in der sich zahlreiche Bürger in Videos auf maßlos unappetitliche Weise über den Tod von Palästinensern lustig machen (14) und in denen schnell unbewiesene Anschuldigungen geglaubt und weitergesagt werden, wenn sie den Feind betreffen. Dies sind die Eckpunkte des vorliegenden Genozids. Dazu kommt, dass die verantwortlichen Militärführer einen Waffenstillstand ablehnen und dass die, die dafür werben, in einschüchternder Weise ausgegrenzt werden.

Die derzeitigen Kollektivbestrafungen führen absehbar nicht dazu, über Terror bzw. „Terror“ zu obsiegen. Der Widerstand gegen Israel wird im Gegenteil stärker werden. Um die Geiseln geht es auch nicht im Wesentlichen, denn die sind ebenfalls von den israelischen Bomben und Raketen bedroht. Rache ist ein erkennbares Motiv und totale Zerstörung auch. Die Vertreibung von 2,3 Millionen Menschen ebenso. (15) Die gehäuften Tötungen und zahllosen Übergriffe in der Westbank kommen dazu, die im Schatten der Untat kaum Beachtung finden. (16)

Erinnerungen

Signifikanter noch als der weltweite Protest gegen Israels neuerliche Superaggression könnte die Tatsache sein, dass das derzeitige Massaker an die Nakba erinnert – und an den Zweiten Weltkrieg. Die Nakba, das ist das Resultat von Plan Dalet, nach dem von Dezember 1947 an bis zur Staatsgründung ungefähr eine Dreiviertelmillion Palästinenser mit terroristischen Mitteln aus ihrer Heimat vertrieben wurden, in der sie jahrtausendelang kontinuierlich gelebt hatten. (17) Dies geschah im Anschluss an diverse zionistische Terrorangriffe, in denen sowohl Vermittler als auch Briten getötet wurden. Die Erinnerung an diese Untat ist in Israel verboten und in Deutschland zunehmend auch, da sie mit der unbequemen Erkenntnis verbunden ist, dass Israel von Mördern und Dieben errichtet wurde. Jetzt wiederholt sich eine solche verlustreiche Vertreibung in großem Stil und es gibt viele Bilder, die das dokumentieren. Man bedenke, dass Gaza deshalb so dicht besiedelt ist, weil es als Auffangbecken für die Vertriebenen sowohl von 1948 als auch von 1967 fungiert hat. Es sind nicht nur Palästinenser und Araber, denen klar wird, dass die Besatzung nicht das Problem ist, sondern nur ein Symptom des Problems. Jetzt kann man selbst sehen, was 1948 geschehen ist, denn es geschieht wieder.

Als israelische Politiker, Medien und Lobbyisten nach dem 07.10.2023 – dem Angriff der Hamas auf Israel – der Welt mit großer Dringlichkeit verkündeten, dass sie „gegen Nazis“ kämpften, haben Deutschland und andere europäische Länder nicht gesagt: Moment mal, die Nazis, das waren wir damals. Ihr projiziert euer Trauma auf Leute, die nichts damit zu tun haben! – Stattdessen hat Deutschland fast unisono gesagt: OK, wir helfen euch natürlich in eurem Kampf! Bundeskanzler Scholz ließ kürzlich verlauten, dass Israel eine Demokratie sei, die das internationale Recht und die Menschenrechte achte.18 Damit relativiert und beschönigt er nicht nur die Bombardierungen der Bevölkerung, sondern auch den Kontext des Hamasangriffs, der das Resultat einer langen und unmenschlichen israelischen Dominanz war. Als sei der Angriff aus dem Nichts gekommen! Diese Gefühlskälte und das Sich Erheben über basale Rechtsgrundsätze – das kann einem heute in Deutschland Angst machen. Die ideologische Verbissenheit, mit der hierzulande selbst fürchterliche Gräueltaten der israelischen Armee und Siedler verteidigt oder verschwiegen werden, erinnert in diesen Tagen an unsere dunkelsten Zeiten, in denen es uns nicht möglich war, uns auf rationale Diskussionen einzulassen. Ideologie und basta, hieß das Credo.

In Deutschland hatte man das Bild eines stereotypen bösen Juden verbreitet, sodass die Verschleppungen, Enteignungen und Ermordungen kaum jemanden beunruhigt hatten und niemand so genau wissen wollte, was in den Konzentrationslagern vor sich ging. Es ging auch damals um eine Art von Terrorismus. Juden wurden in einigen Kreisen schon seit der französischen Dreyfus-Affäre und vorher als Terroristen gesehen. Finanzterrorismus wurde ihnen vorgeworfen, dann Unterwanderung des Volkes und des Blutes ... Sie fressen Kinder, munkelten manche. Sie haben sich das selbst eingebrockt, dachten viele. Man brauchte natürlich Argumente, um diesen Menschen ihre Rechte zu nehmen und sich dadurch höherwertig zu fühlen, auf einer anderen Stufe, moralisch und letztlich biologisch.

Fazit

Eines der Probleme unserer Bekenntnisdemokratie ist, dass wir weitgehend mit Schlagworten arbeiten und die Inhalte und Gesinnung des Nationalsozialismus daher nicht mehr nachfühlen können. Deshalb fällt es uns nicht auf, wenn es wieder losgeht, nur mit anderen Protagonisten, z.B. Muslimen, Arabern und Russen. Kann ja auch sowieso nicht annähernd so schlimm werden wie unsere heilige Singularität. In Deutschland gilt die eigene Position halt mehr als die Menschenrechte. Vielleicht geht es darum, dass wir Deutschen die Größten sind, so oder so. Oder wir suchen einen Blitzableiter. Menschlichen und rechtlichen Erwägungen hält diese Art der Israelsolidarität jedenfalls nicht ansatzweise stand. Auffällig ist aber, dass immer, wenn sich Deutschland für blinde Solidarität entscheidet, es das mit einer beeindruckenden Entschlossenheit tut.

Israel ist uns sogar wichtiger als Holocaustüberlebende, was sich zeigt, wenn in den Obituarien der Hinweis fehlt, dass Frau Hedy Epstein oder Herr Hajo Meyer oder Frau Esther Bejarano die Palästinenser in ihrem Kampf um Unabhängigkeit unterstützt haben. Unsere Werte sind hier sehr deutlich beobachtbar und man sieht, wo Respekt und wo Verachtung ihren Platz in unserer Öffentlichkeit haben, ebenso wie man sieht, dass es eben nicht die deutsche Geschichte ist, an der wir uns orientieren. Jedenfalls nicht so, wie wir denken. „Nie wieder“ bedeutet bei uns vielmehr: „Nie wieder gegen zionistische Juden.“ Das haben wir aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt. Um dieses Motto zu erfüllen, können wir sogar mit dem wahllos verschleuderten Antisemitismusvorwurf den Massenmord an den Juden bis ins Groteske relativieren und bagatellisieren, während wir durch zunehmende Drangsalierung antizionistischer Juden selbst antisemitisch sein dürfen. Wir können mitentscheiden, wer die guten Juden sind und wer die anderen. Dafür haben wir sogar Ämter in Deutschland, Beauftragte auf Landesebene.

Zwei wichtige Dinge sind in Deutschland noch nicht verstanden worden: dass auch die Unterstützung eines Genozids strafbar ist und dass Gaza 2023 den Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte markiert. Deutschland hat die Unterdrückungssituation in Palästina nie anerkannt und den israelischen Anspruch auf intrinsische Superiorität nie in Frage gestellt, sondern es hat Israel stets in seiner Sonderrolle bestätigt, bestätigt, dass Israelis anders sind als andere und deshalb außerhalb der Normen agieren dürfen. Dass Israel (auch) mit diesem Wahnsinn davonkommen wird, wie der erfahrene Journalist und Kenner Chris Hedges es kürzlich geäußert hat (19), ist zweifelhaft, zumal die israelische Armee zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal fertig ist mit ihren ebenso grausamen wie verbotenen und sinnlosen Aktivitäten. Der Druck auf die politischen Eliten der arabischen und islamischen Welt wächst zum Beispiel. Nicht nur Präsident Sisi von Ägypten und König Hussein in Jordanien haben Angst vor ihren Bevölkerungen. Die Saudis und die Türkei wenden sich mehr und mehr von den USA ab. Weltweit rücken Staaten angewidert von Israel ab, z.B. Kolumbien und Südafrika, und auch in Europa und den USA beginnt es in Regierungs- und Parlamentskreisen zu bröckeln. Es finden beispiellose Demonstrationen statt mit Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Millionen Teilnehmern. Es könnte wohl sein, dass es sich um die größte Demonstration in der Geschichte der Menschheit handelt. Es gibt Gründe für die Annahme, dass es dieses Mal kein Zurück zu einem Status Quo geben wird, der menschenunwürdig ist und dem internationalen Recht spottet. Diese Bilder bekommt man nicht wieder aus dem Kollektivgedächtnis und sie reißen vieles auf. Historische Zusammenhänge werden sichtbar und Israel wird einen erheblichen und irreversiblen Schaden erleiden.

Entweder werden die US-Eliten mit ihrem Plan fortfahren, sich die Welt zu unterwerfen, und uns in einen Endkrieg führen, den alle verlieren, oder die multipolare Welt wird sich durchsetzen. Was den ersten Fall angeht, so erübrigt sich eine Diskussion, denn es bliebe nicht mehr viel übrig, worüber man diskutieren könnte. Was den zweiten Fall betrifft, so ist er bereits in vollem Gange. China etwa hat jahrzehntelang seine Energien genutzt, um sich zukunftsfähig zu machen. Man vergleiche das mit dem städtischen Verfall in den USA, wo man stattdessen in mörderische Kriege investiert hat. Die nicht US-abhängigen Länder waren sowieso schon dabei, sich zu finden, und nun hack hack. Wie lange wird der Dollar noch die Leitwährung sein? Die multipolare Welt ist kein wundersamer Friedensbringer, nein, aber die unipolare ist eindeutig ein großer Kriegsbringer. Letztlich wird ja auch über Gaza in Washington entschieden.


Verfaßt am 20.11.2023 auf anis-online.de (dort auch englisch)


Fußnoten:

1: MSNBC (19.05.2022): George W. Bush Mixes Up Ukraine With Iraq In Big Freudian Slip: www.youtube.com/watch?v=Y23mTSviCZo&pp=ygUNQnVzaCdzIGxhcHN1cw%3D%3D (zurück)
2: z.B. The New Arab (13.10.2023): EU chief von der Leyen slammed for 'double standards' on war-hit Ukraine and Gaza: www.newarab.com/news/eu-chief-slammed-double-standards-ukraine-gaza (zurück)
3: Siehe als Hintergrund z.B. den Vortrag von Dr. Daniele Ganser (Berlin 10.5.2015): Ukraine 2014, ein illegaler Putsch (1:50:00 min) https://youtu.be/_sMfNmx0wKo?list=PLJ66jnKkCnrzFQOGsHThsKPqlhvj_WKnq (zurück)
4: YouTube-Channel von George Galloway (06.11.2023): Prof Norman Finkelstein: Why Gaza is Now a Death Camp (29:01 Minuten) https://youtu.be/X_pcyqXziNs (zurück)
5: Al-Jazeera (09.10.2023): Israeli defence minister orders ‘complete siege’ on Gaza. www.aljazeera.com/program/newsfeed/2023/10/9/israeli-defence-minister-orders-complete-siege-on-gaza (zurück)
6: Ishaan Tharoor (The Washington Post 07.05.2015): Israel’s new justice minister considers all Palestinians to be ‘the enemy’. www.washingtonpost.com/news/worldviews/wp/2015/05/07/israels-new-justice-minister-considers-all-palestinians-to-be-the-enemy/ (zurück)
7: siehe z.B. Investig'Action (Michel Collon) (10.11.2023): 7 octobre : révélations sur les massacres – Le MédiaMensonge du Jour – n°10 (27 min) https://youtu.be/kkHs7ZG7rFY, auch The Real News Network (17.11.2023): What really happened in Israel on Oct. 7 w/Max Blumenthal. The Chris Hedges Report www.youtube.com/watch?v=d0gECjlpXF8, wo Max Blumenthal nach intensiven Recherchen erklärt, dass die Hamas (schlimm genug) am 07.10. nur ein Kind nachweislich umgebracht habe und dass Israels Armee für einen Teil der israelischen Toten verantwortlich sei, weil sie im Rahmen der Hannibal-Direktive in den Kibbuzim wild herumgeballert habe. (zurück)
8: Celeste Kmiotek (31.10.2023): Israel claims it is no longer occupying the Gaza Strip. What does international law say? www.atlanticcouncil.org/blogs/menasource/gaza-israel-occupied-international-law/. Bedenke auch, dass alle Personen in der Westbank und Gaza in Israel registriert sind, siehe https://gisha.org/en/the-population-registry/ (zurück)
9: Richard Sale (18.06.2002): Analysis: Hamas history tied to Israel www.upi.com/Defense-News/2002/06/18/Analysis-Hamas-history-tied-to-Israel/82721024445587/ (zurück)
10: Mark Landler (15.11.2023): ‘Erase Gaza’: War Unleashes Incendiary Rhetoric in Israel www.nytimes.com/2023/11/15/world/middleeast/israel-gaza-war-rhetoric.html (zurück)
11: Amir Tibon (08.11.2023): Talk of Re-establishing Jewish Settlements in Gaza Strip Damages Israeli Legitimacy, Western Diplomats Warn www.haaretz.com/israel-news/2023-11-08/ty-article/.premium/western-diplomats-warn-talk-of-returning-settlements-in-gaza-damages-israeli-legitimacy/0000018b-abaa-da30-a38b-ffaf56170000 und Times of Israel (18.11.2023): Survey shows substantial support for renewal of Jewish settlement in Gaza after war www.timesofisrael.com/liveblog_entry/survey-shows-substantial-support-for-renewal-of-jewish-settlement-in-gaza-after-war/ (zurück)
12: Gianluca Mezzofiore et al. (CNN 15.06.2023): Israel's military called the settler attack on this Palestinian town a 'pogrom.' Videos show soldiers did little to stop it (zurück)
13: Knut Mellenthin (junge Welt 30.10.2023): Alttestamentarisch. Netanjahus Amalek-Drohung. www.jungewelt.de/artikel/462053.alttestamentarisch.html (zurück)
14: TRT World (27.10.2023): Israeli TikTokers mocking embattled Palestinians goes viral in Israel https://youtu.be/_mwcFEpAYkU(zurück)
15: siehe z.B. Novara Media (15.11.2023): Slew Of Resignations After Labour Showdown On Gaza Ceasefire. https://youtu.be/0U_IY4sS3_Q min (ab Minute 3:00) (zurück)
16: Gerrit Hoekman (30.10.2023): Westbank »Tod den Arabern!«. Razzien, Festnahmen, Tote und Zerstörung im besetzten Westjordanland. Rassistische Anfeindungen gegen arabische Staatsbürger . www.jungewelt.de/artikel/462045.westbank-tod-den-arabern.html (zurück)
17: Ilan Pappe (2006): The Ethnic Cleansing of Palestine (auch Deutsch) (zurück)
18: Democracy Now! Top U.S. & World Headlines – November 15, 2023, min 3:57 https://youtu.be/wO8Bl1NF29s (zurück)
19: The Real News Network (The Marc Steiner Show) (07.11.2023): Chris Hedges: Israel's endgame in Palestine is genocide https://youtu.be/42FmObIfodY, min 23:33 (zurück)

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