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Literatur
Thomas Röper: Inside Corona
Digitale Investigation - Über Spuren der Macht in der Corona-Pandemie
Buchbesprechung von Michael Wolf

Vor rund 50 Jahren, um genau zu sein: 1971, veröffentlichte die New York Times die sogenannten ›Pentagon Papiere‹, die ihr von Daniel Ellsberg, einem langjährigen Berater des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, zugespielt worden waren. Bei den Papieren handelte es sich um eine vom damaligen Verteidigungsminister Robert S. McNamara angeordnete und geheim gehaltene Auftragsstudie zur Kriegspolitik der Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson, die die Beteiligung der USA am Vietnamkrieg zu verantworten hatten. Die Geheimhaltung der ›Pentagon Papiere‹ erfolgte in erster Linie aus dem verfassungswidrigen Grund, die eigene Bevölkerung sowie die Legislative und Judikative über die wahren Ziele, die Gründe und die Ausmaße der militärischen Operationen des US-Militärs zu täuschen. Für Hannah Arendt war dieser Vorgang Anlaß, sich mit dem Thema »organisierte öffentliche Lüge«, wie sie es nannte, eingehender zu befassen. In ihrem diesbezüglichen Essay, der unter dem Titel »Wahrheit und Lüge in der Politik« 1972 erstmals in deutscher Sprache erschien, vertritt Arendt die Überzeugung, daß es in der »Natur des Politischen« liege, auf »Kriegsfuß mit Wahrheit in allen ihren Formen« zu stehen.

Das von Arendt thematisierte Phänomen ist indes keineswegs neu. Erinnert sei nur an einen Klassiker der Politischen Theorie, Niccolo Machiavelli, der in seinem Brevier »Der Fürst« dem Machthaber, also dem Fürsten (und den Aspiranten auf die Macht) empfiehlt, ein »Meister […] in Heuchelei und Verstellung« zu sein, wenn dies dazu diene, Macht zu erlangen, zu erhalten und durchzusetzen. Eine Anschauung, die auch den heutigen politischen Entscheidungsträgern jeglicher Couleur durchaus in Fleisch und Blut übergegangen zu sein scheint. Man denke etwa nur an Helmut Kohls Falschaussage in der Parteispendenaffäre vor dem Flick-Untersuchungsausschuß, die im Nachhinein als ›Blackout‹ kleingeredet wurde. Oder an Uwe Barschels, seinerzeit Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Beteuerung »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind« (was diese selbstredend nicht waren), in deren Nachgang er unter bis heute ungeklärten Umständen letztlich baden ging, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Oder an die präsenilen Amnesieerscheinungen des amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz bei seinen Einlassungen zum Cum-Ex-Skandal im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß der Hansestadt Hamburg.

In jüngster Zeit wird der erkenntniswillig-kritische Beobachter der Wirklichkeit allerdings mit einem Lügenphänomen konfrontiert, das es immer weniger erlaubt, zwischen Wahrheit und Lüge in der Politik zu unterscheiden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß zum einen zwischenzeitlich in der Politik mit tatkräftiger Unterstützung der gleichgeschalteten Mainstreammedien und deren ›fakten‹checkenden Söldnern im Kampf um die Informations- und Deutungshoheit die Lüge selbst als Wahrheit auftritt, was sich am Beispiel der Berichterstattung über die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg mehr als deutlich ablesen läßt, und daß zum anderen sich immer stärker die Tendenz zur Produktion von »Bullshit« abzeichnet, worunter mit Harry G. Frankfurt jene Aussagen verstanden werden können, die durch völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Wahrheitsgehalt des Gesagten gekennzeichnet sind. Flankiert wird das durch Politik und Medien praktizierte Verwischen der Grenzen zwischen ›wahr‹ und ›falsch‹, zwischen Tatsachen und Meinungen durch eine »innerstaatliche Feinderklärung« (Schmitt), mit der diejenigen, die mit ihren Ansichten vom herrschenden öffentlichen Diskurs abweichen, die Andersdenkenden, massenmedial als ›Corona-Leugner‹, ›Querdenker‹, ›Verschwörungstheoretiker‹ und neuerdings auch als ›Putin-Versteher‹ diffamiert werden – mit der Folge, daß hierdurch ein gesellschaftliches Klima erzeugt wird, in dem das Haben und namentlich das öffentliche aber auch private Vertreten eines eigenen, auf heterodoxem Wirklichkeitswissen basierenden Standpunkts mit der Angst vor sozialer Ausgrenzung einhergeht. Dessen eingedenk ist der Impuls des hier zu besprechenden Buches für die immer noch im Dunkeln liegende Wahrheit über die Hintergründe in Sachen ›Corona‹ nicht zu unterschätzen.

Verfaßt wurde das Buch von Thomas Röper, einem in Sankt Peterburg lebenden deutschen Sachbuchautor und Betreiber des medienkritischen Blogs ›Anti-Spiegel‹; das Material für das Buch wurde allerdings von einem Röper zunächst unbekannten IT-Spezialisten zur Verfügung gestellt, der, weil er anonym bleiben wollte, in Röpers Buch denn auch als Mr. X bezeichnet wird. Nach eigenem Bekunden ist Mr. X im Grunde ein unpolitischer Mensch und im Zuge seiner Arbeiten zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eher beiläufig auf die Existenz eines Netzwerks aufmerksam geworden, das Aufschluß gibt über das komplexe Beziehungsgeflecht, in welches das Corona-Geschehen organisatorisch-personell eingebettet ist, wie Mr. X in einem Interview mit Markus Langemann vom ›Club der klaren Worte‹ äußert. Zur Erleichterung seiner Arbeit hat Mr. X. mehrere spezielle Softwareprogramme erworben, die auch von »Behörden und von Detekteien« (<https://www.youtube.com/watch?v=AVplMzC6FEw>) eingesetzt werden und die es ermöglichen, das Internet im Hinblick auf das Vorhandensein von größeren Netzwerken in relativ kurzer Zeit zu durchsuchen und diese dann mittels Graphen zu visualisieren, um so Verbindungen zwischen Personen identifizieren zu können. Das Ergebnis seiner Arbeit war eine 169 Seiten umfassende Netzwerkanalyse, in die rund 6.500 Objekte einbezogen wurden, bestehend aus NGOs, Unternehmen, Personen, Dokumenten und Veranstaltungen, mit mehr als 7.200 Verbindungen zwischen den Objekten. Analysiert wurde zudem auch, in welche Richtung und zum Teil auch in welcher Höhe zwischen den NGOs (in diesem Fall zwischen der Bill & Melinda Gates-Foundation, der Rockfeller Foundation, dem Wellcome Trust, der WHO, dem Weltwirtschaftsforum und anderen NGOs wie etwa der Impfallianz GAVI) Geldmittel flossen (<https://clubderklarenworte.de/wp-content/uploads/2021/09/Netzwerkanalyse-Corona-Komplex.pdf>).

Aus diesem Material hat nun Thomas Röper in enger Zusammenarbeit mit Mr. X ein klar strukturiertes und nicht nur leicht lesbares, sondern auch lesenswertes und mit empirischen Fakten wohlversehenes Buch verfaßt, in dem, etwa wie in Paul Schreyers Buch »Chronik einer angekündigten Krise«, die Hintergründe dessen beleuchtet werden, was uns nun seit nunmehr drei Jahren tagtäglich, bisweilen auch nächtens, begleitet und vieles aus unserem Alltag und in unserem politischen Gemeinwesen völlig aus den Fugen geraten ließ: die sogenannte ›Corona-Pandemie‹. Zusammen mit seinem Co-Autor erschließt Röper dem Leser unzählige und über das Internet für jeden frei zugängliche Quellen, die ein fein gewebtes Netz von Organisationen und Personen und deren Aktivitäten nachzeichnen, in dem man sich nicht nur irgendwie zu kennen scheint, sondern in dem auch eine Vielzahl fein austarierter Abhängigkeiten und nachweisbarer Geldflüsse von erheblicher Größenordnung zu erkennen sind.

Da Röpers Buch bereits eine komprimierte Form des umfänglichen Materials von Mr. X darstellt, ist es für den Rezensenten schwierig, eine Auswahl an besonders erwähnenswerten Details zu den zahlreichen organisatorisch-personellen und finanziellen Verquickungen zu treffen und kurz und bündig zusammenfassen. Doch soviel läßt sich sagen: Wirft man einen Blick auf das Material, so ist festzuhalten, daß Röper und sein Co-Autor durchaus die investigative Kunst beherrschen, aus einer Unmenge an Informationen jene herauszufiltern, die es einerseits ermöglichen, ein relativ klar konturiertes Bild zu zeichnen von den philanthrokapitalistischen Global Key Playern im Corona-Geschehen und den von diesen verfolgten profit- und damit auch machtorientierten Interessen, und die es andererseits erlauben, die erstaunliche Konkordanz der staatlicherseits verfügten Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise in der Mehrzahl der Länder des globalen Nordens besser zu verstehen und somit auch als ein abgestimmtes Spiel auf der Klaviatur der Macht einzuordnen.

Auch wenn der größte Teil des Buches rein deskriptiv ist, sich also weitgehend auf die Darstellung von nachprüfbaren Fakten beschränkt, was diesem gewissermaßen den Charme eines Katalogs verleiht, bleibt es nicht aus, daß Röper die Trennung von Fakten und Spekulation nicht durchgängig einhält. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es das Material erfordert, durch das Verfolgen von Denkmöglichkeiten zu Erkenntnissen in Form hypothetischer Aussagen zu gelangen, die aktuell über die erfahrbare Wirklichkeit hinausgehen. Dies wäre erkenntnistheoretisch nicht unbedingt problematisch, da Spekulationen durchaus vorwärtsweisende Denkmöglichkeiten sein können, die zum Erkennen realer Möglichkeiten und schließlich zur Erkenntnis von Wirklichkeit führen können, solange diese als falsifizierbare Hypothesen betrachtet werden. Röper und Co-Autor erweisen ihrem Anliegen, über die »wahren Ziele hinter COVID-19« aufklären zu wollen, allerdings einen Bärendienst, indem sie den Lesern ihre Überlegungen selbst als eine »Theorie über eine Verschwörung« präsentieren. Der Rezensent kann sich hierbei jedoch nicht des Eindrucks erwehren, daß das Autorenteam sich mit Absicht als ›Verschwörungstheoretiker‹ selbststigmatisiert, um einer möglichen Fremdstigmatisierung durch die selbsternannten »neuen Wahrheitsbeamten« (Meyen) oder durch zwar öffentlichkeitsumtriebige, aber wissenschaftlich insuffiziente Anti-Verschwörungstheoretiker vom Schlage einer Pia Lamberty zuvorzukommen.

Wenn heterodoxe Wirklichkeitsbeschreibungen oftmals als ›falsche‹, irrationale oder gar pathologische Wissensformen begriffen und in jüngster Zeit in Reaktion auf 9/11, den Terroranschlag auf das World Trade Center, von den »Hüter[n] der ›offiziellen‹ Wirklichkeitsbestimmung« (Berger/Luckmann) undifferenziert als Verschwörungstheorien delegitimiert und stigmatisiert werden, dann wird hierbei geflissentlich ignoriert, daß Verschwörungstheorien, zeichentheoretisch gesprochen, zunächst einmal nicht mehr tun, als auf die (ver-)störende Differenz zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem aufmerksam zu machen, womit sie zugleich die Verläßlichkeit und grundsätzliche Lesbarkeit von Zeichen in Frage stellen und häretisch der herrschenden Wirklichkeitssicht entgegentreten, die die Mainstreammedien der Bevölkerung propagandistisch einzubleuen suchen, weil »nicht sein kann, was nicht sein darf« – etwa vergleichbar mit Palmströms Abwehrverhalten, dem Protagonisten aus Christian Morgensterns Gedicht »Die unmögliche Tatsache«, mit dem jener den Widerspruch zwischen der empirischen Wirklichkeit und der Logik des Seinsollenden aufzulösen sucht.

Gleichviel, mit dem durch Verschwörungstheorien in die Welt gesetzten Zweifel an der kommunikativen Tragfähigkeit von Zeichen wird nicht die Frage beantwortet, wie mit dem Material umzugehen ist, das von ketzerischen Medien wie etwa Röpers Buch stammt. Hierauf läßt sich nüchtern und völlig unaufgeregt mit der Feststellung antworten, daß jedes menschliche Handeln Spuren in den Lineaturen der materiellen und sozialen Welt hinterläßt. Soll heißen, daß Spuren zwar nicht als Zeichen gemacht worden sind, aber als Zeichen gelesen werden können, da sie eine besondere Sorte von Zeichen darstellen, nämlich Zeichen, die zwar niemand hatte setzen wollen, aber dennoch gesetzt hat und die deswegen auch hermeneutisch als nichtintendierte Zeichen wahrgenommen genommen und gedeutet werden können.

Wenn Spurenlesen heißt, ein Phänomen als Spur und/oder Indiz für ein anderes Phänomen zu lesen, dann werden beim Spuren- oder Indizienlesen Objekte der physisch-materiellen Welt zu Bedeutungsträgern, insofern sie etwas bedeuten, was jenseits der Dingwelt liegt, nämlich in der Sphäre der sozialen Welt. Mit einem solchen Verständnis von der dinglichen Welt als Handlungsspur der sozialen Welt ist im Grunde der Kern dessen beschrieben, was als »semiotisches oder Indizienparadigma« (Ginzburg) Eingang in die Geschichtswissenschaft gefunden und zur Begründung der sogenannten ›Mikrogeschichte‹ geführt hat, in deren Zentrum nicht das historische Detail an sich steht, sondern dessen Stellenwert für das Ganze entsprechend dem Motto »Das Ganze verbirgt sich im Detail«. – Vor diesem Hintergrund wären mithin auch Spuren der Macht ›Abdrücke‹ im Sinne von Hinterlassenschaften an Objekten und in Texten, die zwar nicht als Machtäußerungen intendiert waren, aber als »paradoxe Effekte« (Boudon) unbeabsichtigt sich einstellen und dem Spurenkundler der Macht deren vergangene Anwesenheit verraten.

Folgt man dieser zeichentheoretischen Sichtweise, dann ließe Röpers »Inside Corona« sich lesen als Logbuch einer akribischen Spurensuche, die ausgelöst wurde durch eine Zufallsbegegnung im Zuge einer Recherche im Dickicht der digitalen Welt und die bei Mr. X so viel Aufmerksamkeit erregte, daß dieser sich aufgefordert sah, die von ihm wahrgenommene Spur aus der Vielzahl anderer Zeichen herauszulösen und als Spur von ihrem Grund abzuheben, um sie dann mit seiner Erfahrung als IT-Spezialist und seinem digitalem Handwerkszeug, den Softwareprogrammen, weiterverfolgen zu können, und zwar so weit bis der subjektive Eindruck entsteht, einen Grad an informativer Sättigung erreicht zu haben, der es ermöglicht, als Resultat der Spurensuche einen Befund in Form einer in Graphen visualisierten Netzwerkanalyse zu formulieren. Damit wurde die Spur zu einem Verdachtsmomente auslösenden Indiz, eines Zeichens, das auf etwas anderes hinter seiner sinnlich wahrnehmbaren Seite verweist: auf, kriminalistisch formuliert, größere Tatzusammenhänge und mutmaßliche Tatbeteiligte.

Es ist dem Autorenteam durchaus bewußt, daß aus dem Befund ihrer Spurensuche unterschiedliche Schlußfolgerungen gezogen werden können. Dies ist, zeichentheoretisch gesprochen, dem Umstand geschuldet, daß Zeichen aufgrund ihrer konstitutiven Vieldeutigkeit divergierende Lektüren nach sich ziehen können – mit der Konsequenz, daß die Verdachtsmomente (von Röper und Co-Autor) so lange spekulativen Charakter bewahren, solange der inkriminierte Sachverhalt im Dunkeln liegt (und im vorliegenden Fall angesichts der gesellschaftspolitischen Implikationen der Corona-Krise gleichsam nach Aufklärung schreit) beziehungsweise die gehegten Verdachtsmomente sich entweder als wahr oder als falsch erwiesen haben. Eine solche Verifizierung oder auch Falsifizierung wäre aber erst noch zu leisten. Hilfreich hierfür wäre gewiß ein Namens- und Institutionenverzeichnis gewesen und eine Liste der Links zu den benutzen Quellen auf der Verlagshomepage. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wie auch immer: »Inside Corona« könnte eine wichtige Spur sein für die weitere Erforschung des Corona-Geschehens. Doch hierfür bedürfte es der Beherzigung der mahnenden Worte »Wer Augen hat zu sehen, der sehe« aus der ›Apokalypse‹ des Johannes. Doch was, wenn die Unvernunft regiert und die Hasardeure in Politik und Medien das Sagen haben und im hybriden Gestus der Unfehlbarkeit ihre eigene Faschisierung übersehen?


Thomas Röper: Inside Corona. Die Pandemie, das Netzwerk & die Hintermänner. Die wahren Ziele hinter COVID-19



J.K. Fischer Verlag, Gelnhausen 2022, 335 Seiten, 21,99 Euro


Prof. i.R. Dr.rer.pol. Michael Wolf, Sozialwissenschaftler; Hochschule Koblenz, Fachbereich Sozialwissenschaften; Kontakt: wolf.koblenz@web.de

Online-Flyer Nr. 807  vom 01.03.2023

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