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Aktueller Online-Flyer vom 02. November 2024  

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Globales
Zur Rede von Bundespräsident am Tag der deutschen Einheit
Deutschland unter Regie einer fremden Macht
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mehrmals in seiner Rede am 3. Oktober von Freiheit und Demokratie schwadroniert. Man muss sich fragen: Von welcher Demokratie und Freiheit spricht er? Er weiß, dass seit dem Deutschlandsvertrag bzw. seit dem so genannten Zwei-plus-Vier-Abkommen von 1990 Deutschland wegen seiner erzwungenen Mitgliedschaft in der US-NATO unter Regie einer fremden Macht steht. Abhängigkeit und Unterwerfung beeinträchtigen in ganz wesentlichem Ausmaß, selbstbestimmend Demokratie und Freiheit auszuüben. Der Bundespräsident kann auf Freiheit und Demokratie lange bestehen, aber solange Deutschland einer fremden Macht unterworfen bleibt, sind diese Eigenschaften und damit einhergehenden Verfassungsgarantien in der Praxis den deutschen Staatsbürgern versagt. Es fiel auf und schockierte, dass sich der Bundespräsident in seiner Festrede am 3. Oktober nicht protokollarisch verhielt, als er die Corona-Geschichte ansprach und dabei versäumte, dem Corona-erkrankten US-Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, gute Besserungswünsche auszusprechen.

Einheitliches Deutschland ohne Nazis und als Friedensstaat im Zentrum Europas

Sollte Steinmeier sich wirklich ernsthaft auf die deutsche Geschichte beziehen, muss er die historischen Enthüllungen von Egon Krenz beachten und begreifen, um aus dieser Erkenntnis treffende Schlüsse zu ziehen. Im Interview mit der russischen Zeitung „Prawda“ am 3.Oktober 2020 stellt Krenz klar:

    Bismarcks Vermächtnis war immer ein ewiger und unzerstörbarer Frieden mit Russland. Sogar auf dem Sterbebett … hat dieser wiederholt: ›Nie gegen Russland!‹ Zu diesem progressiven Erbe des Erz-Konservativen passt nun aber die aktuelle Außenpolitik Deutschlands überhaupt nicht. Begriffe wie «Bestrafungen“ und „Sanktionen“ aus dem Munde deutscher Politiker an Russlands Adresse sind nicht nur geschichtsvergessen, sie sind eine Anmaßung gegenüber einem Volk, das für Deutschlands Befreiung vom Faschismus sein Herzblut gegeben hat.«Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk, der deutsche Staat bleiben.» Diese klassischen Worte stammen von Stalin. Der Sowjetunion ging es nie um Rache, nicht um die Zerstückelung Deutschlands, nicht um die Unterjochung, sondern um ein einheitliches Deutschland ohne Nazis und als Friedensstaat im Zentrum Europas. In dieser Tradition sehe ich auch die Russische Föderation. In der offiziellen Rede des deutschen Bundespräsidenten zum «Tag der Befreiung» am 8.Mai in Berlin war von solchen Zusammenhängen aber keine Rede.

    Nicht an der Frage vorbei gehen, wer Deutschland wirklich gespalten hat

    Die UdSSR hatte kein strategisches Interesse an der deutschen Spaltung. Wer über die Geschichte der DDR und ihr Verhältnis zur Sowjetunion urteilen will, darf nicht an der Frage vorbei gehen, wer Deutschland wirklich gespalten hat. Die Gründung der DDR 1949 lässt sich historisch nicht einordnen, ohne die Situation des Jahres 1945. "Die Umwälzungen in der DDR waren eine legitime Alternative zur bisherigen deutschen Geschichte mit zwei Weltkriegen und der Hitler-Barbarei."

    (Egon Krenz Interview mit „Die Welt“, 1.10.20)

Egon Krenz im Prawda-Interview 3.10.20 weiter:

    Wäre es nämlich nach dem Willen der UdSSR und der deutschen Kommunisten gegangen, wäre aus Deutschland „ein antifaschistisches, demokratisches Regime, eine parlamentarisch-demokratische Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk“ geworden. So steht es im Aufruf des ZK der KPD vom 11. Juni 1945. Er war vorher mit der sowjetischen Führung abgestimmt worden. Er eröffnete Deutschland einen völlig neuen Weg des Friedens und der staatlichen Souveränität, der aber von den westlichen Besatzungsmächten gemeinsam mit Politikern der späteren Bundesrepublik verhindert wurde. ...

    Gründung der friedliebenden Deutschen Demokratischen Republik, ein geschichtlicher Wendepunkt

    Es kam anders: Es kam zur Gründung von zwei deutschen Staaten. Als die DDR gegründet wurde, war Deutschland längst gespalten. Dafür hatte vor allem schon 1948 die Einführung einer separaten Währung durch die Westmächte in den Westzonen und Westberlin gesorgt. Im Telegramm des sowjetischen Repräsentanten zur Gründung der DDR stand ein Gedanke, der mich stark geprägt und historischen Bestand hat - bis heute: „Die Gründung der Deutschen Demokratischen friedliebenden Republik“, heißt es dort, „ist ein Wendepunkt in der Geschichte Europas“ „Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Existenz eines friedliebenden demokratischen Deutschland neben dem Bestehen der friedliebenden Sowjetunion die Möglichkeit neuer Kriege in Europa ausschließt, dem Blutvergießen in Europa ein Ende macht und die Knechtung der europäischen Länder durch die Weltimperialisten unmöglich macht“. Wie damals formuliert wurde, genauso ist es gekommen. Solange die UdSSR und an ihrer Seite die DDR bestanden, gab es in Europa keinen Krieg. Das Verschwinden beider Staaten aus der Geschichte ist wiederum ein europäischer Wendepunkt. Kriege in Europa wie der gegen Jugoslawien wurden nach 1990 leider wieder möglich. Sogar mit deutscher Beteiligung. Das wäre zur Zeit der Existenz der Sowjetunion undenkbar gewesen.

    (Aus dem Interview von Egon Krenz mit der russischen Tageszeitung „Prawda“, 3.10.20, Subtitel d.A.)

Vereintes Deutschland: Gesellschaftssystem der Raffgier und des Geldes in einem Staat, der Kriege führt

In diesem Zusammenhang ist die Erklärung „30 Jahre Anschluss DDR“ des Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden e.V. (OKV) viel prägnanter und wahrhaftiger als die Rede des Bundespräsidenten.

Aus dieser OKV-Erklärung hier auszugsweise:

    Vor 30 Jahren „trat“ die DDR der BRD bei. Viele DDR-Bürger hatten die Illusion, im nunmehr vereinten Deutschland ein friedliches, freies, gleichberechtigtes und wohlhabendes Leben führen zu können. Diese Illusion hat sich für die meisten Bürger nicht erfüllt. Sie sind gestrandet in einem Gesellschaftssystem der Raffgier und des Geldes. Sie leben in einem Staat, der Kriege führt, beim Waffenexport führend ist, die EU im Interesse des Kapitals dominiert, weltweit durch bewaffnete Interventionen und durch Ausbeutung von Mensch und Natur große Zerstörung, Elend, Armut und folglich Ströme von Flüchtlingen und Migranten erzeugt, die dann im Mittelmeer ertrinken können oder von der EU-Wertegemeinschaft in menschenunwürdigen Lagern ihrem Schicksal überlassen werden.

    Freundschaft und friedliche Beziehungen mit Russland statt Verleumdungen

    Besonders schockiert, dass wir nun in einem Staat leben, in dem die Herrschenden Russland und seine führenden Repräsentanten auf das Übelste verleumden und politisch, militärisch und wirtschaftlich erpressen.

    Die Mehrzahl der Bürger der DDR, die sich für eine bessere Zukunft engagiert hatten, wollen einen solchen Staat nicht. Sie wollen, dass Frieden, Freiheit und Menschenwürde keine leeren Floskeln bleiben. Sie werden niemals vergessen, dass die Sowjetunion Deutschland vom Faschismus befreit und dafür viele Millionen Menschenopfer erbracht hat. Freundschaft und friedliche Beziehungen mit Russland sind ihnen ein Herzensbedürfnis. Ebenso freundschaftliche Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China. Wir fordern die Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten und die Aufhebung aller Sanktionen.

    Nicht Fakten zählen, sondern Verdächtigungen: Geistige Brandstiftung

    Eine Resolution des Europaparlaments zur Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft stellt solche Akzente aber in Frage.
    Kurios, eine Gruppe von antikommunistisch eingestellten Politikern fällt ein politisches Urteil über die Geschichte des 20.Jahrhunderts. Nicht etwa darüber, wie sie tatsächlich verlaufen ist, sondern wie sie sich Antikommunisten ausmalen. Nicht Fakten zählen, sondern Verdächtigungen. Geschichte wird als Waffe des Antikommunismus missbraucht, um beispielsweise den Verlauf des Zweiten Weltkrieg zu verfälschen, die Rolle der Sowjetunion bei der Zerschlagung des Faschismus zu negieren... So etwas nenne ich geistige Brandstiftung. Für die Zeitgeschichte fällt positiv ins Gewicht, dass Präsident Putin in einem Grundsatzartikel das Verdrehen von historischen Tatsachen anhand von Dokumenten entlarvt hat.
     
    Eigentlich geht es nicht nur um Geschichte, sondern um die Gegenwart. Die Botschaft lautet: Nie wieder eine Alternative zum Kapitalismus!

Infolgedessen:

    Schluss mit einer außer Rand und Band geratenen Konsum- und Vergnügungsgesellschaft und der Verdummung der Massen mit Hilfe der Medien. Produkte, die keiner braucht, werden mit irrsinnigen Werbeaktionen den Menschen aufgeschwatzt, nur um einen nutzlosen Umsatz zu generieren im Namen des Profits. Diese Produktionsweise schadet der Umwelt, sie dient nur dem Profit. Stattdessen - Besinnung auf eine vernünftige menschenwürdige Lebensführung.

    Schluss mit der Herrschaft des Finanzkapitals und seiner Spekulanten. Schluss mit der Schöpfung von Geld und Reichtum ohne Arbeit.

    Schluss mit der Ansammlung von gigantischem Reichtum bei wenigen und gigantischer Armut bei den meisten weltweit.

    Schluss mit der Herstellung billigster Lebensmittel und Konsumwaren und der Ausbeutung von Rohstoffen und Energien in den ärmsten Ländern unter menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen.

    Schluss mit der Zersplitterung der Produktion rund um den Erdball. Folglich Schluss mit dem sinnlosen Transport von Waren und Menschen rund um den Globus zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Besinnung auf die eigenen Ressourcen und Möglichkeiten.

    Schluss mit der dem Profit dienenden Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen, des Wohnungswesens, von sozialen Diensten, des öffentlichen Verkehrs, der Energieversorgung, in Bildung, Kultur und Sport. Rückführung in staatliches, genossenschaftliches und kommunales Eigentum mit dem Ziel, die Daseinsfürsorge der Bevölkerung zu decken.

    Vor allem: Schluss mit kriegerischen Abenteuern, der Herstellung und den Export immer neuer Rüstungsgüter rund um den Erdball.

    Wir betrachten mit Sorge, dass von den Herrschenden die Pandemie missbraucht wird, um ein gescheitertes Gesellschaftssystem nicht nur zu restaurieren, sondern expansiv und gewaltsam rund um den Erdball zu installieren.

    („Für eine bessere Zukunft“ - Erklärung „30 Jahre Anschluss DDR“ des Ostdeutsches Kuratorium von Verbänden e.V. (OKV) am 3.10.2020)


Verfasst am 4.10.2020

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 755  vom 23.10.2020

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