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Sport
Turbine Potsdam gewinnt Bundesliga Auftakt verdient mit 3:1(2:0) gegen die TSG Hoffenheim
Exzellenter Turbine Re-Start mit Sofian Chahed
Von Bernd Henke

Potsdam, 06.09.2020 - Frauenfußball traf in Potsdam endlich wieder auf Zuschauer. Während im Bayern Campus zu gleicher Stunde nur ein Geisterspiel zwischen den FC Bayern Frauen und dem SC Sand stattfinden konnte, glückte Turbine Potsdam im Karl-Liebknecht-Stadion gegen die TSG Hoffenheim unter den Augen von 725 freudig gestimmten Zuschauern ein disziplinierter Re-Start nach dem Corona Lockdown. Eintracht Frankfurt vermeldete dagegen am ersten Spieltag nur 250 Zuschauer, Freiburg 100, Duisburg 210 und Wolfsburg vorab schon am Freitag 500.


Turbine Potsdam: die Mannschaft ist der Star (alle Fotos: Copyright Saskia Nafe)


Dina Oschmann im Zweikampf mit Paulina Krumbiegel (TSG)


Merle Barth (li.) und ihre Turbinen


Karoline Smidt Nielsen im Zweikampf mit Tabea Waßmuth (TSG)

Die Besonnenheit und Fantreue des 1. FFC Turbine Potsdam schaffte mit seinem Hygiene Konzept eine gute Ausgangslage für den zwölften Spieler - das Publikum. Angeführt von der neuen Turbine Kapitänin Karoline Smidt Nielsen präsentierte sich die immer noch jüngste Mannschaft der Liga mit erfolgreichem Pressing, um den Tabellendritten der Vorsaison frühzeitig zu Fehlern zu zwingen. Zwei daraus resultierende Chancen durch Gina Chmielinski (9. Minute, 16.) vereitelte die TSG Schlussfrau Janina Leitzig. Erwähnenswert im Vorfeld war die Entscheidung des Trainerteams für eine gemeinsame Doppelspitze der Kapitäne mit der Ex-Leverkusenerin Merle Barth und Karoline Smidt Nielsen.

"Wir waren vorne aggressiv, haben die Zweikämpfe gesucht und hatten viele Ballgewinne," analysierte Potsdams neuer Cheftrainer Sofian Chahed die taktisch geglückten Maßnahmen. Der gebürtige Berliner und Ex-Hertha Profi beteiligte sich vom Anfang bis zum Ende von der Seitenlinie aus lautstark am Spielgeschehen - gewiss ein neuer Ton für die Turbine Frauen, denn sein Vorgänger ging es leiser an. Chaheds TSG Kontrahent Gabor Gallai, der noch im letzten Spiel Hoffenheims im "Karli" neben Jürgen Ehrmann als Co-Trainer fungierte, verzichtete auf taktische Neuerungen und setzte auf das eingespielte 4-1-4-1 der Vorsaison.

Nachfolgerin von Leonie Pankratz, die es nach Montpellier zog, als Spielführerin wurde Fabienne Dongus. Sie nahm ihre gewohnte Position im defensiven Mittelfeld ein. Auf den Achterpositionen agierte die im aktuellen EM-Qualifikationskader stehende Lena Lattwein zusammen mit der U20 Nationalspielerin Isabella Hartig, auf den Außenbahnen sorgten Paulina Krumbiegel und die ebenfalls für den deutschen A-Kader nominierte Tabea Waßmuth für Tempo. Im Sturmzentrum wartete die Nationalspielerin aus Österreich, die überaus trickreiche und torgefährliche Nicole Billa, auf ihre Chancen.

Eng wurde es für Turbine (31.), als Stürmerin Tabea Waßmuth leichtfüßig "Jojo" Elsig entwischte und von rechts kommend leider nur den linken Außenpfosten traf. Das war ein Warnschuss für die Potsdamer Abwehr, die unter der Regie von Merle Barth stand, zusammen mit den Außenverteidigerinnen Luca Maria Graf und Johanna Elsig. Sieben Minuten später reagierte Karoline Smidt Nielsen aus dem Gewühl im Strafraum (38.) am schnellsten und verwandelte ins leere Tor zur verdienten 1:0 Führung. Ihr Premierentor symbolisierte das Ende der schicksalhaften langen zweijährigen Verletzungszeit der ehemaligen dänischen Nationalspielerin.

In der Schlussminute (45.) der ersten Halbzeit erhöhten die Gastgeberinnen ihre Führung mit einem zweiten Tor. Auf der rechten Seite legte Dina Oschmann auf die mitlaufende Marie Höbinger ab, die den Ball unbedrängt zum langen Pfosten flankte, der aber von Torfrau Janina Leitzig zwar noch abgelenkt wurde, aber durch Gina Chmielinski aus kurzer Distanz erfolgreich abgestaubt wurde. Der zweite Durchgang begann ähnlich wie der erste verlaufen war: zwei engagierte Teams kämpften erbittert um das nächste Tor. So richtig in die Partie fand die TSG Hoffenheim gegen die konsequenten Gastgeberinnen nach der Pause auch noch nicht. In der Folge hatte Turbine zwar Feldüberlegenheit, doch das Abspiel des letzten Pass war nicht präzise genug, bemängelte Sofian Chahed.

Erst nach 70 Minuten bekam Hoffenheim mehr Zug zum Tor, doch auf das Schnuppern am Anschlusstreffer erfolgte ein großes Malheur. Schiedsrichterin Christine Weigelt bestrafte TSG Innenverteidigerin Luana Bühler nach einem Handspiel mit einer zweiten Gelben Karte, dass in Konsequenz Gelb/Rot und Platzverweis bedeutete. Die TSG kämpfte nunmehr in Unterzahl, gab nicht auf und erzielte in der 83. Minute den Anschlusstreffer zum 2:1. Die 17-jährige Jule Brand tankte sich in den Strafraum, "Maxi" Rall verlängerte ihren Querpass und die zuvor eingewechselte Jana Beuschlein bugsierte den Ball aus kurzer Distanz an Torfrau Fischer vorbei über die Torlinie. Im Kampf um Hoffenheims erstrebten Lucky Punch gegen die gut organisierten Turbine Frauen, nutzte auf der Gegenseite Turbine Neuzugang Melissa Kössler (90.+1) einen Fehler im Spielaufbau der Gäste zum Endstand von 3:1 (2:0).

Zur Spielerin des Tages der Sportmedien wurde Potsdams Kapitänin Karoline Smidt Nielsen gewählt. Zu den besten Spielerinnen von Potsdam zählten Merle Barth, Marie Höbinger und Gina Chmielinski. Spürbar gutes Potential zeigte Wechselspielerin Melissa Kössler trotz kurzer Spielzeit in einigen Offensiv-Szenen. Sie könnte den Weggang von Lara Prašnikar bald wettmachen und kompensieren. Bei Hoffenheim überzeugten Lena Lattwein, Tabea Waßmuth und Nicole Billa.  "Wir sind glücklich, dass wir gegen einen direkten Konkurrenten um Platz drei punkten konnten," freute sich Cheftrainer Sofian Chahed. "Warum nicht sich hohe Ziele setzen," meinte ein überzeugter Turbine Fan nach dem Spiel. Aber Euphorie lehnt Chahed ab. Er ist ein Pragmatiker, der von Spiel zu Spiel sein Team verbessern möchte. Er wird erst nach fünf Spieltagen sein endgültiges Saisonziel bekanntgeben.

Turbines Mitbewerber um den dritten Champions League Platz, Eintracht Frankfurt, startete zeitgleich im Waldstadion (ehemals Commerzbank Arena) im Deutsche Bank Park gegen Aufsteiger SV Werder Bremen mit einem 6:1 (2:1) Kantersieg. Ex-Turbine Lara Prašnikar schoss dabei ihr erstes Tor. Sportdirektor Siegfried Dietrich bezeichnet die junge Slowenin als Stürmerin mit eiskaltem Torabschluss. Nur diesmal war es ein zufälliger Abpraller und Abstauber 80 cm vor der Torlinie.

Dietrichs neuer Chef, Eintracht Manager Fredi Bobic, ehemals deutscher Nationalspieler, wird Laras Premierentor zusammen mit Vater Bojan Prašnikar, ehemals jugoslawischer Nationalspieler und slowenischer Nationaltrainer, mit Freude goutiert haben. Neben Dietrich saß mit 1,5 Meter Abstand der ehemalige jugoslawische Nationalspieler Dragoslav Stepanovic, der einstige Cheftrainer von Eintracht Frankfurt in der Männer Bundesliga. Die Sportler aus Ex-Jugoslawien waren in Hessen immer willkommen.

Der Re-Start von Eintracht Frankfurt hatte der Lizenzverein kurzfristig in den Deutsche Bank Park verlegt. Die Partie sollte ursprünglich in der jahrelangen Heimstätte des 1. FFC Frankfurt stattfinden. Die Verlegung wurde möglich, nachdem das am Samstag geplante Testspiel der Eintracht-Männer gegen den FSV Mainz 05 wegen zwei positiver PCR-Tests in den Reihen der Rheinhessen kurzfristig abgesagt werden musste.

Der sportliche Leiter des deutschen Meisters VfL Wolfsburg, Ralf Kellermann, bekannte schon frühzeitig in der DFB-Pressekonferenz am 2. September, dass trotz IT-Hilfe-Tool zur Positionierung der Sitzplätze mittels der Hygiene Auflagen die in Wolfsburg genehmigten 500 Zuschauer für die AOK-Arena unter dem Strich ein Defizit ergeben. Es sei eigentlich wirtschaftlich günstiger, ohne Zuschauer zu spielen. Nur das wäre kontraproduktiv für die Fanbetreuung.

Linda Schöttler, Managerin der Bayer 04-Frauen, teilte mit, dass das kommende erste Heimspiel gegen den MSV Duisburg im Ulrich-Haberland-Stadion ohne Zuschauer ausgetragen wird. "Natürlich würden wir gerne unseren Fans die Möglichkeit geben, die Frauenmannschaft zu Hause anzufeuern," so Thomas Eichin, Leiter Nachwuchs und Frauen bei Bayer 04. Angesichts der aktuellen Situation in Leverkusen im Zuge der Corona Pandemie habe man "allerdings auch eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Anhängern. Vor dem Hintergrund  werden wir ein kleines Ticketkontingent nur vereinsintern vergeben."

Fazit: die Frauen-Bundesliga wird daran arbeiten müssen, in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, den Berufsgenossenschaften und den kommunalen Gesundheitsämtern noch bessere Hygiene-Konzepte zu erproben, die sich auch wirtschaftlich tragen. Turbine Potsdam hat gezeigt, wie wertvoll eine disziplinierte Arbeitsweise die soziale Aufgabe des Frauenfußballs unterstützen kann.

Online-Flyer Nr. 753  vom 09.09.2020

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