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Globales
Außenpolitische Kehrtwende in Berlin ins Stocken geraten – Deutschland immer noch wie eine US-Kolonie
Für den friedlichen Weg – auch für Syrien
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Aus Berlin war 2015 ein neuer Zungenschlag zu vernehmen, der auf eine außenpolitische Kehrtwende der deutschen Bundesregierung hindeutete. Demnach sollte es künftig keine Interventionen im Ausland mehr geben, zumindest erst einmal nicht in Syrien. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich für Gespräche mit dem Präsidenten Baschar Al Assad aus. (Washington Post, Deutsche Welle, Deutschlandsfunk, FAZ, Die Welt, 24.9.2015)  Allerdings blieb die Kehrwende nicht vollständig ausgeführt, denn weiterhin gibt es auch heute noch keine diplomatischen Beziehungen zu Damaskus und keine normalen Beziehungen mit Syrien. Die außenpolitische Kehrtwende kam ins Stocken, denn noch immer verhält sich Deutschland wie eine US-Kolonie. Die aktuelle Berliner Regierung aus CDU/CSU/SPD beugt sich dem US-Diktat und bleibt deshalb auf Kriegs- und Vernichtungsweg des irrationalen Weißen Hauses, wie neulich der SPD-Außenminister Heiko Maas extrem unverantwortlich zeigt, als er sich mit US-Atomwaffen auf deutschem Territorium einverstanden manifestierte. Damit stellt er sich nicht nur gegen den gesunden Menschenverstand, sondern auch gegen den Vorstoß seiner eigenen Partei. Vor wenigen Tagen forderte nämlich die SPD-Spitze um Fraktionschef Ralf Mützenich und den Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans, die Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen in Deutschland wieder zur Disposition zu stellen: „Atomwaffen auf deutschem Gebiet erhöhen unsere Sicherheit nicht, im Gegenteil (...). Es wird Zeit, dass Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt", hatte Mützenich erklärt. Die SPD stellt sich somit hinter den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland.

Die Krönung von Maas Peinlichkeiten ist jetzt seine Einmischung in die inneren Probleme, die die USA plagen. Anstatt die deutsche Souveränität anhand einer eigenen rechtmäßigen außenpolitischen Position Deutschlands klarzustellen, wagt er, sich in die US-Wahlkampagne einzumischen und den US-Präsidenten im Sinne der neokonservativen oppositionellen Demokraten zu verurteilen. Dabei klingt Heiko Maas zudem völlig unglaubwürdig: Wäre er wirklich von Gewaltfreiheit überzeugt, hätte er sich niemals für die  gewaltsamen US-Interventionskriege einsetzen dürfen. Heiko Maas schadet seinem Land und wirkt als Schande für die Außenpolitik Deutschlands. Höchste Zeit, seinen Rücktritt zu fordern.

Bisher ist Russland das einzige europäische Land, das dem wilden Westen in Übersee die Stirn bietet. Das auch zu tun, steht bei der deutschen Regierung noch aus, aber das darf deutsche Medien nicht davon abhalten, sich für den richtigen, nämlich für den friedlichen Weg einzusetzen, für die Zivilisation, auch für Syrien.

US-Furien von der Leine nachdem deutsche Position für Gespräche mit Assad klar

Aber gerade als sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel für Gespräche mit dem Präsidenten Baschar Al Assad aussprach, zeigten sich in den Medien alle US-Furien von der Leine gelassen: Schädigendes weltweites Hochkochen einer schlimmen VW-Verfehlung, Nachricht über unverfrorene Stationierung neuer US-Atombomben auf deutschem Territorium gegen den deutschen Willen und Diffamierung des legitimen Staatsoberhauptes Syriens, Präsident Baschar Al-Assad aus allen politischen Ecken, sogar von einer Abgeordneten der Partei DIE LINKE, Christine Buchholz (laut "Abgeschrieben", junge Welt, 22.9.2015). Nichtsdestotrotz sprach sich schließlich auch der damalige SPD-Fraktionschef, Thomas Oppermann, für Gespräche mit  dem Präsident Baschar Al Assad aus (ARD/ZDF-Mittagsmagazin, 24.9.2015). 

2015 ist das Jahr, als sich Russland Mitte September entschloss, der offiziellen Bitte der Regierung Syriens um militärische Hilfe nachzukommen, was den Weg zum Debakel der westlichen Interventionisten vorbereitete.

Bezeichnenderweise zeigte 2015 der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier während seines Besuchs in Bagdad (8.12.15) Verständnis für die irakischen Proteste gegen die Verlegung türkischer Truppen. Der Aufenthalt fremder Soldaten im Land müsse selbstverständlich mit der Regierung abgestimmt werden, erklärte der deutsche Außenminister Steinmeier und mahnte, keinen neuen Konflikt entstehen zu lassen und nicht noch zusätzliche Spannungen durch den Aufenthalt türkischer Soldaten im Irak zu erzeugen. Diese wichtige Mahnung des deutschen Außenminister wurde auffälligerweise in allen ARD-Fernseh-/ZDF-Nachrichten-Sendungen und in der SZ verschwiegen wie auch die Position der Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen den Krieg verschwiegen wurde, was zeigt, wie penetrant deutsche Redaktionen von der Kriegsmafia infiltriert sind.

Unwürdige deutsche Redaktionen im Dienst von US-Interessen

Alle wichtigen Indizien für eine substantielle außenpolitische Wende lassen deutsche Redaktionen völlig beiseite. Stattdessen stellen sie sich ohne jede Würde der NATO-USA zur Verfügung, das heißt, arbeiten gegen das Interesse Deutschlands und beteiligen sich am geschmacklosen primitiven Theater der Kriegsattentäter. Die USA kriminalisieren sich selbst mit ihrem weiteren rabiaten unhaltbaren Versuch, die Regierung in Damaskus für alles Übel im Land zu beschuldigen und weichen ihrer Verantwortung für die Verwüstungen und Massaker aus, die ihr abscheulicher Pakt mit Terroristen den Syrern gebracht haben. Washington missachtet den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) und macht sich mit seiner unkontrollierten Frustration lächerlich, wohl wissend, dass eine grundlegende UN-Präsidialerklärung seit August 2011 und ein einstimmiger erster Genfer Beschluss vom 30.6.2012 vorliegen, die die Grundsätze der Vereinten Nationen in Bezug auf Syrien vollkommen anerkennen und eine Schlappe für den kriminellen US-Versuch darstellen, Syrien weiter zu destabilisieren.

Internationale Vereinbarungen und Beschlüsse zu Syrien


Schon seit 2012 sichern eine Reihe von UN-Beschlüssen und internationalen Vereinbarungen die territoriale Integrität und Souveränität Syriens:
  1. Erste UN-Konferenz in Genf am 30.6.2012
  2. Zweite UN-Konferenz in Montreux und Genf im Januar 2014; 
  3. Wiener Konferenz im Oktober/November 2015; 
  4. Münchner Beschluss im Februar 2016.
Sollten die internationalen Vereinbarungen und Beschlüsse zu Syrien für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von Bedeutung sein, muss er wissen und darauf achten, dass sie nicht den Weggang des syrischen Präsidenten verlangen. Seit der ersten Konferenz in Genf am 30.6.2012 gibt es eine einstimmige Übereinkunft darüber, unterzeichnet von allen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, und auch vom syrischen Präsidenten selbst. Die damalige Außenministerin Hillary Clinton scheiterte komplett mit ihrer hysterischen beharrlichen Forderung nach einem Übergangsprozess ohne Assad. Genauso scheiterte daran ihr Nachfolger, US-Außenminister John Kerry - sowohl bei der zweiten Konferenz in Montreux und Genf im Januar 2014, als auch bei der Wiener Konferenz im Oktober/November 2015 und beim Münchner Beschluss im Februar 2016. Keine dieser internationalen Vereinbarungen, auch keine UN-Resolution zu Syrien verlangt den Weggang des syrischen Präsidenten. Das Blutvergießen verursachen die kriminellen Banden, die ungehindert die Grenze der Türkei zu Syrien passieren und von Saudi-Arabien, Katar und anderen Golfstaaten unterstützt werden.

In Anbetracht der permanenten westlichen Sabotage des Friedens war die Wiener Tagung (Oktober/November 2015) ein Fortschritt. Der Journalist Knut Mellenthin berichtete darüber: <Ein großer diplomatischer Erfolg für Russland und Iran: Die zweitägige Syrien-Konferenz in Wien endete mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung, in der die Vorstellungen der beiden Länder von einer Beendigung des seit 2011 geführten Kriegs weitgehend wiederzufinden sind.... "Einheit, Unabhängigkeit, territoriale Integrität und säkularer Charakter Syriens" als "grundlegend" werden bezeichnet. (Punkt 1) "Die staatlichen Institutionen werden intakt bleiben". (Punkt 2) Das ist eine klare Absage an die Zerschlagung aller bestehenden Strukturen, wie sie 2003 im Irak und 2011 in Libyen praktiziert wurde. Alle Teilnehmerstaaten verpflichten sich, dem IS "und anderen Terrorgruppen" eine Niederlage beizubringen. (Punkt 6) Die UNO wird beauftragt, Vertreter der syrischen Regierung und der Opposition zu einem "politischen Prozess" zusammenzubringen, der letztlich zu einer neuen Verfassung und Wahlen führen soll. (Punkt 7)> ( ("Friedenssignale aus Wien" von Knut Mellenthin, junge Welt, 2.11.2015)

<Die syrische Frage zu lösen heißt, den Krieg sofort zu beenden, so dass die Menschen nicht mehr flüchten, sondern in ihre Heimat zurückkehren können. Die Syriens Regierung muss unterstützt werden, um alle Fragen demokratisch durch das syrische Volk selbst lösen zu können. Das ist das Ziel, was auch Russland verfolgt mit seinem Eingreifen.> (Horst Soberski, Berlin, Neues Deutschland, 30.10.2015) Die Wiener Tagung war unbestreitbar ein großer diplomatischer Erfolg für Russland und Iran. Ein Fortschritt, weil es sie überhaupt gab und weil dort, auf Drängen Russlands, ausdrücklich festgehalten wurde, dass das syrische Volk selbst über die Zukunft des Landes entscheiden soll.

Astana-Prozess für fortdauernde Friedensverhandlungen und Absprachen zu Syrien


Völlig im Klaren darüber, dass die großen westlichen Mächte alle Anstrengungen der Vereinten Nationen für einen Friedenprozess in Syrien behindern und sabotieren, betreibt der Kreml seit Januar 2017 den Astana-Prozess für fortdauernde Friedensverhandlungen und Absprachen. In Astana, Hauptstadt von Kasachstan, sitzen Vertreter der Regierung Syriens mit ihren Kollegen aus Russland, Iran und die Türkei zu Gesprächen zusammen. Auch syrische Oppositionelle sind dabei und Vertreter aus Saudi- Arabien, Katar und die Golfemirate waren auch eingeladen. Nur die kriegsterroristischen Westmächte waren nicht dabei. Die Niederlage Obamas, die Trump beerbte, ist für die USA von einem eklatant riesigen Ausmaß, sowohl militärisch wie auch diplomatisch. Die US-Führungszirkel waren dadurch bis ins Innerste erschüttert. Ihnen blieb nur, sich als Rächer gegen Russland aufzuspielen.

Demokratien im Sumpf der Illegalität - „Schutzverantwortung“ eine perfide Erfindung


Der Verfall der USA erreichte in der Tat unter dem US-Präsidenten Obama eine unvorstellbare Zuspitzung. Eine einmal rechtsstaatliche demokratische Supermacht, die in Komplizenschaft mit Terroristen verfiel und überall mit ihnen hasardierte, ist für niemanden eine Schutzmacht, am wenigsten für freie demokratische Rechtsstaaten und ihre Gesellschaften. Die so genannte „Schutzverantwortung“ ist eine perfide trügerische Erfindung  westlicher Mächte, um sich damit freie Bahn für ihre illegalen Interventionskriege zu verschaffen. Es sind Demokratien, die mit dem Terror paktiert haben, um einen terroristischen Krieg in Syrien und anderswo zu führen. Sie versinken damit im Sumpf der Illegalität und machen sich strafbar.

Zur Revision der deutschen außenpolitischen Position nie zu spät

Russland und China  werden ihre völkerrechtlich einwandfreie Position nicht ändern. Im Gegenteil, die Außenpolitik Chinas und Russlands ist weltweit beispielhaft besonders für eine Bundeskanzlerin, die ihre eigene Position offensichtlich aus falscher Rücksichtnahme nicht konsequent vertreten will. China und Russland haben ihre friedvolle Position gemäß der UN-Charta letztendlich durchgesetzt. Die BRICS-Staaten und die überwältigende Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft vertreten dieselbe völkerrechtmäßige Position bei Regelung von Konflikten. Deshalb ist es nie zu spät, dass Deutschland seine Position revidiert und sich von den Sanktionen und Schritten in Richtung Krieg eindeutig distanziert. Vorausgesetzt CDU/CSU- und SPD-Abgeordnete haben die Courage, sich zu ändern, das heißt die Klarheit und Kompetenz, sich ihren Verfehlungen ernsthaft und ehrlich zu stellen.

Freundschaft verpflichtet nicht zur Torheit

Der Publizist Jakob Augstein, Herausgeber der Wochenzeitung „Freitag“ warnt zu recht: »Die Deutschen werden nun endgültig zur Kriegspartei in diesem Konflikt ohne Hoffnung. Bisher hatte Deutschland sich weitgehend herausgehalten. Nicht aus Feigheit, sondern aus Vernunft. ... Freundschaft verpflichtet nicht zur Torheit. Und dieser Krieg ist töricht. Was wir in Syrien bekämpfen wollen, erzeugen wir selbst: Flüchtlinge und Terror. Krieg erzeugt nur Krieg. ... Und natürlich erhöht diese Beteiligung am Krieg in Syrien die Terrorgefahr in Deutschland.  … «  ("Merkel holt den Terror nach Deutschland" von Rüdiger Göbel, 1.12.2015)

Deutsche gegen militärische Einmischung

Die Bundesregierung hat im Syrien-Einsatz nicht die Mehrheit der deutschen Bevölkerung hinter sich. Am deutlichsten fällt eine Umfrage des Nachrichtenkanals n-tv aus, der zufolge mehr als zwei Drittel der Deutschen ein militärisches Engagement Deutschlands in Syrien ablehnen. Heute ist eine überwältige Mehrheit von 90% der deutschen Bevölkerung, die keine militärische Einmischung will.

Kern-Auftrag der Vereinten Nationen bewahren

Abgesehen von der momentanen Peinlichkeit deutscher Außenpolitik und aktueller außenpolitischer Probleme ist grundsätzlich Klarheit darüber zu gewinnen, dass Kapitel 7 der UN-Charta seit dem Korea-Krieg und aller folgenden Aggressionen der letzten Jahrzehnte verheerende Wirkung hatte und deshalb schon lange obsolet geworden ist. Ein solches Kapitel, das schon zu oft als Instrument für Krieg und militärische Eroberung diente, ist dringend aus der UN-Charta zu streichen, um den Kern-Auftrag der Vereinten Nationen zu bewahren, nämlich den Frieden zu sichern. Hier ist der primäre Reformbedarf, auch wenn das der Rüstungsindustrie, den Militaristen, verirrten Chaoten-Parteien wie die Grünen, ihren Schreiberlingen in Deutschland und anderswo nicht passt.


Verfasst am 10.6.2020

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 747  vom 17.06.2020

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