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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Globale Destabilisierung durch westliche Einflussnahme
Von Evelyn Hecht-Galinski

Was wir derzeit an weltweiter westlicher Erschaffung von Feindbildern erleben, übersteigt alles das, was nach dem Ereignis des 11.September 2001 begann. Immer wieder sollen wir auf die "Bedrohung durch den Islam", also natürlich speziell durch „die“ Muslime, aufmerksam gemacht werden. Alles ist erlaubt, wenn es um den "sauberen" Kampf westlicher Staaten gegen die islamistische Bedrohung geht. Es wird suggeriert, dass wir es nur mit einem Feind weltweit zu tun haben, nämlich dem "islamistischen Terror", ohne allerdings zu differenzieren, indem „die Muslime“ insgesamt dafür in Haftung genommen werdent. Immer sind es WIR, also die westlichen "Demokratien", angeführt von den USA, die uns in diesen Kreuzzug führen. Diese gnadenlose Jagd auf fiktive Feinde, natürlich Muslime, Islamisten, haben sich mittlerweile auch verschiedene islamische Staaten angeschlossen, die auf diese Art versuchen, ihre diktatorischen Regime zu stabilisieren und zwar mit westlicher Hilfe.

Mit fiktiver Bedrohung auf den "rechten Kriegskurs"

So konnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nämlich die Feinde von außen und innen zu eliminieren. Wie besser als unter dieser gelogenen Rhetorik konnte man die strategischen und wirtschaftlichen Motive für Kriege und staatliche Unterwanderungen kaschieren. Mit den beliebten Floskeln von der "Selbstverteidigung" und von den „Menschenrechten“ konnte man diese Präventivkriege als gerecht, mit rein humanitärem Anspruch verkaufen!

Inzwischen ist diese Art der Kriegspolitik auch von den Medien verinnerlicht, die immer in vorauseilendem Gehorsam diese schmutzige Politik genau nach Wunsch der daran beteiligten Staaten unterstützen. So wurde die Bekämpfung des uns angeblich bedrohenden Terrorismus zum festen Bestandteil der Kriegspropaganda. Dass sich die Medien dabei nicht scheuen, mit gezielten Falschinformationen, auch aus mehr als zweifelhaften staatlichen oder Geheimdienstquellen, die schwer nachprüfbar sind, zu operieren, macht die Sache noch unappetitlicher. Alles das, was man dem Internet mit Hetze, Hasskommentaren und gezielten Falschinformationen vorwirft, dass die Demokratie "ausgehöhlt" wird, ist doch vor allen Dingen dem Umstand zu verdanken, dass genau mit dieser Art der Kommunikation gearbeitet wird, um uns als Bürger auf den "rechten Kriegskurs" zu bringen. Die fiktive Bedrohung wird inzwischen von einem Teil der Bevölkerung so verinnerlicht, dass diese Art der Politik als gerechtfertigt angenommen wird.

War es früher und heute noch "der Russe", der als Feind Nr.1 vor der Tür stand, gesellen sich immer mehr der Muslim, der Islam und die "Türken" hinzu. So hat der Westen unter Führung der USA, der NATO und des "Jüdischen Staates" es geschafft, diese "Feinde Amerikas" und des "Jüdischen Volkes" und der Zionisten überall als lauernde Gefahr darzustellen. Auch ein angeblich "muslimischer Antisemitismus" wird als gefährliches Phänomen an die Wand gemalt.

"Verteidigung" des brutalsten Apartheid- und Besatzungsregimes weltweit

Was der "Jüdische Staat" schon seit Staatsgründung als Politik der Bedrohung inszeniert, wird inzwischen von allen westlichen "Demokratien" kopiert. Diese Feinddarstellung rechtfertigt für den "Jüdischen Staat" alle Mittel, unterstützt von der Staatengemeinschaft, die den Besatzerstaat Israel als demokratischen Fels in der nahöstlichen Brandung darstellt, ganz im Sinne der Bekämpfung des "islamisch" und "palästinensisch" genannten Terrors. Damit lässt sich, gestützt von "westlichen Demokratien", jede Art der kriminellen zionistischen Unterdrückungs-, Besatzungs- und Angriffspolitik als gerechter Kampf gegen Terror und somit als Akt der "Selbstverteidigung" darstellen.

Dabei ist der "Jüdische Staat" eines der brutalsten Apartheid- und Besatzungsregime weltweit, das vor ethnischer Säuberung, Judaisierung und Völkermord noch nie zurückschreckte. Warum auch? Dieser Staat kann sich doch bis heute immer wieder als Opfer darstellen und damit jede Art von kriminellen Aktivitäten rechtfertigen. Die so genannte „Wertegemeinschaft“ schweigt dazu.

Als am Montag, dem 18.11.2019, ein letztes Tabu der Palästina-Politik der USA fiel, nämlich die Ankündigung von Außenminister Pompeo, in israelischen Siedlungen keinen Verstoß mehr gegen internationales Recht zu sehen, war das klar ein Verstoß gegen die 4. Genfer Konvention, die den Siedlungsbau als Verstoß gegen internationales Recht sieht – eine Konvention, die der „Jüdische Staat“ schon seit Jahrzehnten unterminieren will. Das war nach der Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt des „Jüdischen Staates“ und der Legitimation der Golanhöhen als israelisches Gebiet der Endpunkt jeglicher Verständigung mit den Palästinensern. Es war ein Geschenk an Netanjahu und die etwa 600.000 Siedler in den mehr als 200 jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland, dem annektierten Ost-Jerusalem, neben drei Millionen Palästinensern. Schon sieht Netanjahu sich und sein Regime bestätigt und freut sich über die „Korrektur einer historischen Entscheidung“. Auch Benny Gantz, der Kontrahent und „Oppositionsführer“, begrüßte die Entscheidung der Trump-Regierung. Der israelische Außenminister Katz verband sein Lob noch mit einem Seitenhieb gegen die EU und kritisierte nochmals die Entscheidung des EuGH, die Kennzeichnungspflicht für jüdische Siedlungsprodukte zu fordern.

Antisemitismus durch kriminelle Handlungen des "Jüdischen Staates"

Auch wenn die EU und deren Außenbeauftragte Mogherini ihre klare Position bekräftigten, dass alle Siedlungsaktivitäten nach dem Völkerrecht illegal seien und die Tragfähigkeit der Zwei-Staatenlösung unterhöhlten, klingt das gut, ist aber faktisch ohne Bedeutung, solange keine Änderung in der Politik gegenüber Israel erfolgt. Ebenso wirkt die Kritik von UNO-Generalsekretär Guterres fast hilflos. Wenn der jordanische Außenminister vor „gefährlichen Konsequenzen“ warnt, dann fragt man sich, wie die wohl aussehen, wenn die internationale Staatengemeinschaft nicht mit aller Konsequenz einschreitet und mit Sanktionen und Isolation des „Jüdischen Staates“ reagiert. Schließlich setzt sich die Trump-Regierung mit ihrer Nahost-Politik konsequent vom Kurs internationaler „Partner“ ab, auch im Gegensatz zur Grundlage der US-Position voriger Regierungen, die den Siedlungsbau seit 1967 als „offenkundige Verletzung und unvereinbar mit internationalem Recht“ sahen und sich damit auf die Rechtsauffassung des so genannten Hansell-Memorandums bezogen.

Gerade in Deutschland erleben wir eine Art der Unterstützung, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Weder die Morde ohne Gerichtsverfahren (sog. „gezielten Tötungen“), noch die Besatzungspolitik werden hinterfragt. Alles wird mit der "besonderen Verantwortung für den "Jüdischen Staat" gerechtfertigt und führt zu immer größerer Nähe zu Israel.

Nicht mehr der "Jüdische Staat" wird als Besatzungs- und Expansionsmacht verurteilt, sondern es sind Iran, Hisbollah, der islamische Dschihad und die Hamas, deren religiöse fundamentalistische Ideologie bekämpft und dämonisiert wird, während die judaistische Ideologie als normal und mit unseren Werten als vereinbar unterstützt wird. Wie sonst kann man es sich erklären, dass Völker- und Menschenrechtsverbrechen, die das zionistische Regime verübt, trotz UN-Verurteilungen und international geäußerter Kritik, sanktionslos bleiben, während Russland und Iran mit immer mehr Sanktionen bestraft werden und der Türkei Sanktionen angedroht werden? Diese völlig unglaubwürdige, einseitig das Judentum überhöhende und den Zionismus unterstützende Politik kann nur zu Antisemitismus führen, zu einem Antisemitismus, der nichts mehr mit der "christlichen Ur-Form" gemein hat, sondern heute auf dem "Jüdischen Staat" und seiner kriminellen Handlungen beruht. Der rechtsextreme Antisemitismus hat sich längst gefährlich verlagert auf den Islam-Hass und generell auf Fremdenfeindlichkeit.

Islamophobie und Philosemitismus als religiöser Virus über die Welt verbreitet


Islamophobie und Philosemitismus sind heute verschmolzen zu einer Symbiose der christlich-evangelikalen Politik, eine starke Kraft besonders in den USA, die sich wie ein religiöser Virus über die Welt verbreitet. Diese neuen evangelikalen Freunde des "Jüdischen Staates" und der Juden sind auch treibende Kräfte im Kampf gegen den Islam und Muslime.

Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Israel-Unterstützung der neuen Rechten und Parteien wie der AfD in Deutschland. Sie überbieten sich in ihrer Israel- und Juden-Verbundenheit und verbinden ihre Islam-Aversionen mit der angeblichen Bedrohung der Juden, des "Jüdischen Staates" und der westlichen Zivilisation. Wenn also Israel und der Zentralrat der Juden vor der AfD warnen und deren Politik verurteilen, sollten sie sich doch die Frage stellen, wie weit sie nicht selbst genau diese Politik betreiben, die sie den rechten Parteien vorwerfen.

Die deutsche Regierung sollte sich endlich befreien von ihrer blinden Unterwürfigkeit gegenüber Israel, der eben kein demokratischer Staat ist, wie uns immer wieder weisgemacht wird. Und nein: die Verantwortung aus der Vergangenheit darf Deutschland nicht blind machen vor neuen Verbrechen. Verantwortung heißt eben auch, dafür verantwortlich sein, was den Palästinensern unter illegaler jüdisch-zionistischer Verantwortung widerfährt. Diese Verantwortung heißt auch, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs umzusetzen und Waren aus jüdischen Siedlungen aus dem besetzten Westjordanland als nicht israelisch zu kennzeichnen. Das ist nur eine Minimalumsetzung der BDS-Forderung, die einen Boykott aller Waren aus dem besetzten Palästina erreichen möchte, denn nur durch Druck ist die Freiheit für Palästina erreichbar und kann der Kampf für sie erfolgreich sein.

"Westlich-christlich-jüdische Allianz“ von allen Werten entfernt

Dass nur 70 Jahre nach dem Holocaust deutsche und jüdische "Verteidigungssoldaten" und Eurofighter mit dem "Eisernen Kreuz", sowie israelische Jets mit dem "Davidstern" in einem gemeinsamen Manöver in der Negev Wüste "voneinander " lernen, sollte uns nicht mit Stolz, sondern mit Abscheu erfüllen! Wenn im besetzten Palästina, Soldaten und Kampfjets aus den NATO-Staaten USA, Italien und Griechenland zusammen mit dem "Jüdischen Besatzer-Staat" üben, zeigt das doch nur, wie weit sich diese "westlich-christlich-jüdische Allianz“ von allen Werten entfernt hat.

Für den jüdischen "Verteidigungssoldaten" spielt die Vergangenheit keine Rolle mehr, im Gegensatz zum deutschen Kollegen, der sich über die "positive Stimmung" und das gute Verhältnis zu den israelischen Freunden freut. Aber auch er erwähnt die Palästinenser mit keinem Wort. So ist man sich einig in den "gemeinsamen" Zielen. Und da sind wir wieder beim Thema Islam und Terrorbekämpfung.

Dass weder Gaza noch die ermordeten Mitglieder einer ganzen Familie Thema sind und waren, überrascht nicht, sondern passt genau zur verlogenen deutschen „Merkel-Staatsräson"-Politik. Auch wenn die neue Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer, die in Träumen von Auslandseinsätzen schwelgt und wirtschaftliche Interessen mit Kriegszielen vermengt, was jeder deutschen Außenpolitik widerspricht, fügt sich das genau in dieses Muster.

Endlose Liste der Destabilisierung durch westliche Einflussnahme

Und das führt mich zum Titel dieses Kommentars, der Destabilisierung durch westliche Einflussnahme. Während die Ukraine dank der USA vom demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch "befreit“ und noch unter US-Präsident Obama durch ein rechtsradikales, westlich orientiertes korruptes System unter Poroschenko ersetzt wurde, hat man Russland von der Ukraine isoliert und damit eine "NATO-Osterschleichung" eingeleitet, die bis heute zu immer neuen Verwerfungen, Krieg und Hass führt.

Während der Iran unter den US-Sanktionen massiv leidet, soll das Land mit möglicherweise unterwanderten Demonstrationen zum Regime-Change gebracht werden, wie schon so oft erprobt und von den USA unterstützt.

In Ägypten wurde der gewählte Präsident Mursi vom "Putsch-Pharao" al-Sisi zuerst entmachtet und dann in den Tod getrieben, alles mit westlicher Unterstützung.

Jetzt erleben wir in Hongkong eine Gewaltwelle von so brutalem Ausmaß, die von China noch mehr als milde beantwortet wird. Würde China handeln wie der "Jüdische Staat", dann gäbe es garantiert schon Luftangriffe auf Hongkong, natürlich ohne Rücksicht auf Zivilisten. Während der legale Widerstand der Palästinenser gegen die illegale Besatzung als Terror verurteilt wird, sieht man Oppositionelle und Demonstrationen in Hongkong, Russland, der Türkei und Venezuela mit „Wohlwollen“. Die massive Unterwanderung der chinesischen, russischen, türkischen oder venezolanischen Demonstranten können wir nur erahnen!

In Indien werden Muslime von Hindus verfolgt, und in Birma werden die muslimischen Rohingya von der "ach so friedlichen" buddhistischen Mehrheit vertrieben und verfolgt.

Venezuela wurde und wird durch die USA destabilisiert, mit besonderer Einmischung des deutschen Außenministers Maas, und soll mit Verknappung zum Regime-Change und zum Sturz des gewählten Präsidenten Maduro gebracht werden, was glücklicher Weise missglückte.

Bolivien wurde ebenfalls destabilisiert, und sein gewählter Präsident Morales wurde ins Exil gejagt. Während Chile unter Demonstrationen leidet, Mexiko mit einer Trump-US-Mauer bedroht und ganz Mittel- und Südamerika in Unruhe gebracht wurde, die mit der Wahl eines Faschisten in Brasilien gekrönt wurde, wird Afrika mit Waffen aus Israel und den USA zu immer neuen Bürgerkriegen gebracht. Und obwohl die deutsche Bundeswehr in Mali und in Afghanistan "Friedensarbeit" leistet, läuft die Destabilisierung durch westliche Einflussnahme auf Hochtouren.

Diese Liste der unendlichen Geschichte liest sich wie ein Perpetuum Mobile. Aber ein Erfolg solcher politischen Destabilisierungen wäre für mich erst erreicht, wenn sie denn Palästina und den „Jüdischen Staat“ erreichen würde, damit die Besatzung beendet wird und Palästina endlich frei ist.


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Online-Flyer Nr. 726  vom 20.11.2019

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