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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Jüdischer Rechtsextremismus und Bibis Wahlschlager "Annexion"
Von Evelyn Hecht-Galinski

Wer noch Zweifel hatte, sollte nun endgültig eines Besseren belehrt sein. "Jüdischer Staat", Zionismus und Demokratie schließen sich aus. Wenn am kommenden Freitagabend der Beginn des Pessach-Festes mit dem ersten Seder beginnt, dann wäre es an der Zeit, das Land nicht von Brotkrumen, sondern von rechtsextremen politischen Politikern zu befreien, die nichts anderes wollen, als den religiösen Zionismus zum Kampfmittel der ewigen Judaisierung zu machen. Darunter leiden nicht nur die unterdrückten und besetzten, ihrer Freiheit beraubten Palästinenser, sondern auch die säkularen jüdischen Bürger Israels.

Fromme Lüge – von Gleichstellung weit entfernt

Wie kann sich ein angeblich moderner und weltoffener Staat den jüdischen Gesetzen unterwerfen, und sich von einem Rabbinat, das gleich einer staatlichen Behörde agiert, beherrschen lassen, das Ehe- und Familienrecht diesen Gesetzen unterwirft und damit gerade Frauen bei Scheidungen oder anderen Problemen zu rechtlosen, diesen orthodoxen Männern ausgelieferten, Individuen macht.

Immer wieder wird dem Islam eine Frauen unterdrückende Politik vorgeworfen, das Judentum und Christentum aber als modern und fortschrittlich gegenüber Frauen dargestellt, was sich aber bei genauerem Hinsehen als fromme Lüge erweist. Solange Frauen – auch in Israel – nicht in allen Belangen frei über sich bestimmen können, genau den gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen, also eine echte Gleichberechtigung existiert, solange sind wir von dieser Gleichstellung noch weit entfernt.

Der religiöse Zionismus mit seiner ultranationalistischen, allen zivilen Gesetzen widersprechenden Art konnte sich zu dem Machtapparat im „Jüdischen Staat“  entwickeln, mit dem unaufhaltsamen Aufstieg einer judaistischen Clique, die es immer wieder mit Hinweis auf das „von Gott auserwählte Volk“ geschafft hat, mit Alt-testamentarischem Blick und ganz auf jüdisch-religiöse Belange ausgerichtet, diese jahrzehntelange völkerrechtswidrige Politik mit immer rücksichtsloseren Annexionen durchzuführen.

Ostern und Pessach als zentrale Feste des Jahres sollten Mahnung sein, diese destruktive Politik zu ändern. Das jüdische Pessach erinnert daran, dass Gott die Juden aus der ägyptischen Sklaverei führte. Was für ein Hohn für die unter jahrzehntelanger israelischer Besatzung lebenden Palästinenser! Obwohl es doch wirklich an der Zeit wäre, wenn schon nicht von Gott, so doch zumindest von sich „christlich“ oder „jüdisch“ nennenden Politikern, das palästinensische Volk aus der Besatzung zu führen. Denn würden sie nach den wirklichen "jüdisch-christlichen Werten" handeln, dann würden sie die verbrecherische israelische Politik gegenüber dem palästinensischen Volk niemals zulassen.

Aufbruch des rechtsextremen Lagers

Sollte es jemals eine Linke im "Jüdischen Staat" gegeben haben, so hat sich auch diese Illusion längst aufgelöst. Nach dieser Wahl und der kommenden fünften Amtszeit Netanjahus erleben wir einen Aufbruch des rechtsextremen Lagers, der sich euphorisch im Annexions- und Transferrausch ergötzen kann. "Jüdischer Staat" und "jüdisches Volk" zusammen gefasst in einer jüdischen Hegemonie sind die Zutaten, die zu einer staatlichen Vergiftung führen, die ihresgleichen sucht. Wer spricht noch von der Besatzung, der Besiedlung oder den Palästinensern? Erzogen in einem judaistischen Erziehungssystem, das die zionistische Gehirnwäsche von Geburt an als einzige Wahrheit verbreitet, werden auch junge Menschen schnell begeistert für diese Staatspolitik. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass gerade so viele junge Menschen die rechtsextremen Parteien gewählt haben und sich für diese Ideologie begeistern. Ein Phänomen, das wir gerade vermehrt erleben.

Warum hat Netanjahus Hetzkampagne so viele junge Menschen angezogen? Weil er es meisterhaft verstand, von Beginn an auf sich und seine Belange zuzuschneiden. Nach diversen Gesetzen gegen nicht-jüdische Bürger war das Nationalstaatengesetz dann die Krönung seiner perfiden einseitigen Unrechtspolitik. Palästinenser wurden immer rechtloser und zogen sich immer mehr zurück. So war auch vorauszusehen, dass die Palästinenser die Wahlen mehr und mehr boykottierten, konnten sie doch den Ausgang vorhersehen. Dank der liberalen Zeitung Haaretz wurde bekannt, dass der Likud versucht hatte, mit Hilfe von Kameras die palästinensischen Wähler auszuspähen, vom Wählen abzuhalten, und einzuschüchtern, und die endgültige Delegitimierung der palästinensischen Bürger zu erreichen. "Ortsfremde Wahlbeobachter", sprich Siedler und Nationalreligiöse, „überprüften“ in so gut wie jedem Wahllokal mit ihren Kameras, wie "koscher" gewählt wurde.

Für nicht-jüdische Bürger kein Platz im "Jüdischen Staat"

Allerdings hielt sich die Aufregung über diesen eklatanten Rechtsbruch in Grenzen. Alles das hätte zu einer Annullierung der Wahl führen müssen. Die Polizeibehörde schwieg und der Vorsitzende der Wahlkommission will den Fall "prüfen". Bei der nächsten Wahl soll dann alles besser werden. Nichts Neues im "Jüdischen Staat". Egal wer gesiegt hätte, für die nicht-jüdischen Bürger ist kein Platz im "Jüdischen Staat" vorgesehen. Hauptsache bei seinem Wahlvolk fallen die von Netanjahu angekündigte Annexion des besetzten Westjordanlands auf fruchtbaren Boden, wie schon die Annexion der syrischen Golanhöhen und der Anspruch auf ganz Jerusalem als  „ungeteilte Hauptstadt“ eines „Jüdischen Staates“ – alles völkerrechtswidrig, aber erfolgversprechend in diesem Staat und bei diesem Wahlvolk, welches das Völkerrecht nicht achtet.

Zeigt doch der Vergleich der Blöcke, von rechts-religiös-extremistisch bis weltlich-zionistisch-säkular, dass es so gut wie keine wirklichen Unterschiede mehr gibt, denn beide Lager stehen weder für Frieden noch für ein Ende der Besatzung oder ein Ende des Siedlungsbaus auf geraubtem palästinensischen Boden. Alle vereint die "Sicherheits“- gleich Besatzungspolitik" als Staatsräson dieses bis an die Zähne auch mit Atomwaffen bewaffneten „Jüdischen Staates“.

Dass die Mehrheit dieses Landes eine Politik auf Kosten von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit ohne Schuldbewusstsein verfolgt, ist erschreckend! Gestärkt wird diese verhängnisvolle Politik durch Trump, die USA, die Lethargie der EU und vor allem Deutschlands, das aus seiner Geschichte nichts gelernt hat.

"Totaler Krieg" gegen die Feinde Israels

Nicht nur die Palästinenser müssen mit immer schlimmeren Maßnahmen rechnen, nein auch der Oberste Gerichtshof muss mit Behinderungen seiner Arbeit rechnen. Schon durch die letzte Regierung wurde versucht, im Parlament eine so genannte "Überstimmungsklausel" durchzubringen, was das Ende jeglicher demokratischen Justizkontrolle wäre, denn diese würde der Knesset erlauben, Urteile des Obersten Gerichtshofs zu revidieren, schließlich hatte in der Vergangenheit das Oberste Gericht versucht, ab und zu Einspruch gegen Regierungsentscheidungen zu erheben. Als nächster Schritt käme der Versuch Netanjahus, mit einem ganz auf ihn zugeschnittenen Immunitätsgesetz eine Korruptionsanklage und seine Verurteilung zu verhindern. Das könnte gelingen mit Hilfe eines neuen, willigen Justizministers. Im Gespräch ist Bezalel Smotrich von der "Union der Rechtsparteien", einem Bündnis der rechtsextremen Splitterparteien, die eine vollständige Annexion aller 1967 eroberten Gebiete fordern. Einer ihrer "Führer", der stolze Rassist und bekennende Homophobe Rafi Peretz, will das Amt des Bildungsministers! Sie kündigten im Wahlkampf an, einen neuen jüdischen Tempel auf dem Haram al-Sharif errichten zu wollen, und die dort stehenden Moscheen abreißen zu lassen, und einen "totalen Krieg" gegen die Feinde Israels zu führen.

Sind uns solche Sätze nicht zu vertraut? Gesagt von eventuellen Mitgliedern in einem kommenden Kabinett des Grauens, angeführt vom "ewigen Netanjahu". Jedenfalls ich kriege Gänsehaut!

Groß-Israel: das Land wo der Rassismus blüht

So wie Netanjahu gegen "Araber", "Linke", Medien und Justiz hetzte, brachte es ihm den ersehnten Erfolg. Ohne klare Opposition wird er den "Jüdischen Staat" weiter in den zionistisch-rassistischen Abgrund führen, ganz nach dem Geschmack seiner Jünger. Er ist der rechtspopulistische Messias, der neue König der Juden, der seine große Anhängerschaft in das ersehnte Groß-Israel, das Land wo der Rassismus blüht, führen will. Sein kompromissloser Weg in einen rechtsfreien Apartheidstaat wird uns noch sehr lange begleiten, sein rechtsextremistischer Annexions-Wahlkampf war ein Schlager und führte Bibi zum Erfolg!


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Online-Flyer Nr. 701  vom 17.04.2019

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