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Der Friede beginnt hier und nirgendwo sonst
Die letzten Tage von Bethlehem
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
„Ich liebe Weihnachtsgeschichten“, schreibt Klaus Liedtke, Chefredakteur von National Geographic Deutschland in der Dezemberausgabe 2007 zum Titelthema „Die Wahrheit über Bethlehem“. „Eine drei Stockwerke hohe, mit Nato-Draht bewehrte Mauer trennt heute die Stadt von ihrem Hinterland, trennt Juden von Muslimen, und sie ist höher als die Mauern israelischer Gefängnisse.“ Die Mauer bildet den Eingang zur Stadt der Pilger, der „Hauptstadt von Weihnachten“ - wie es Hanna J. Nasser, Bürgermeister von Bethlehem, 2003 in einem Hilferuf an Fritz Schramma, Bürgermeister von Köln, Partnerstadt von Bethlehem, formulierte: „Gemäß der israelischen Militärorder (Nr.03/14/T) vom 9. Februar 2003, nach der Besitz von Bethlehemiten rund ums Areal von Rachels Grab enteignet werden soll, verteilte israelisches Militär eine Order, die zusätzlich 44 Grundstücke betrifft und diese unter dem Vorwand ‚für militärische Zwecke’ enteignet.“ Als weiteren „verheerenden Effekt“ bezeichnet Nasser die Mauer, durch die der „einzige sowieso schon enge Eingang Bethlehems, der auch von Besuchern und Pilgern benutzt wurde, geschlossen wird. Da der Tourismus 65 Prozent des Einkommens unserer Bürger ausmacht, wird der Bau dieser Mauer nach allen Kriterien unsere Stadt abwürgen und ihrer Wirtschaft einen tödlichen Schlag versetzen.“
Die Bethlehem umschließende Mauer (alle fotos: arbeiterfotografie.com)
Protest gegen den Mauerbau
Har Homa – Illegale israelische, im Bau befindliche Siedlung - unmittelbar vor den Toren Bethlehems
Israelischer Militärposten am Ortseingang von Bethlehem mit Nato-Draht und Leuchter des Chanukka-Festes (jüdisches Lichterfest)
Blick über Bethlehem
Von den israelischen Besatzern zugemauerte Straße am Ortseingang von Bethlehem
Klostergarten der Geburtskirche von Bethlehem
Die Bethlehem umschließende Mauer trennt die Menschen von ihren Feldern
Protest gegen das illegale israelische Besatzungsregime in Palästina
Öffnet die Mauer! – Protest gegen den Mauerbau
Aufruf zum Widerstand: "Zu existieren heißt, Widerstand zu leisten"
2007 - so Michael Finkel in National Geographic Deutschland - stehen am Eingang der „Hauptstadt von Weihnachten“, der zu einem Checkpoint umfunktioniert ist, „israelische Soldaten mit Sturmgewehren und prüfen die Papiere. Kein israelischer Zivilist darf hinein - auf Befehl des Militärs. Und nur wenige Einwohner von Bethlehem dürfen hinaus.“ Finkel schildert den Eingang, der in die acht Meter hohe, mit noch höheren Wachtürmen bewehrte Betonmauer eingelassen ist, als „Schiebetor aus Stahl, ähnlich wie bei einem Güterwaggon.“ Haben die Besucher den Checkpoint passieren dürfen, dann „bewegt sich das Tor kreischend wieder zurück und schließt mit lautem Dröhnen. Man ist in Bethlehem.“
In der Stadt leben 35.000 Menschen, im gesamten Bezirk Bethlehems ca. 180.000 Palästinenser. Auf diesem Gebiet existieren entgegen der internationalen Gesetzeslage und im Widerspruch zur Genfer Konvention 22 jüdische Siedlungen (und weitere ‘wilde’ Siedlungen), die mit mindestens 80.000 Einwohnern mehr als die doppelte Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner Bethlehems darstellen. Eine der größten Siedlungen auf der Gegenseite der Mauer ist Har Homa. Die ursprüngliche Bezeichnung für die Anhöhe lautet Jabal Abu Ghuneim, das heißt Berg des Schäfers. Im neuen hebräischen Namen Har Homa offenbart sich die Tragik des Besatzungsunrechts: er bedeutet ‘von einer Mauer umgebener Berg’.
Aber auch viele israelische Bürgerinnen und Bürger verschliessen ihre Augen nicht vor dem Unrecht. Sie vertreten den Standpunkt, dass ihr Staat auch den jüdischen Menschen durch dieses Vorgehen erheblichen Schaden zufügt. Yehudit Kirstein Keshet wurde 1943 als Tochter geflüchteter Berliner Juden in England geboren. Seit den späten 50er Jahren lebt sie in Israel, wo sie als Anthropologin und Filmemacherin arbeitete. Sie engagiert sich in der Checkpoint-Watch-Bewegung und hat dazu 2007 ihr Buch mit „Zeugnissen israelischer Frauen aus dem besetzten Palästina“ in der Edition Nautilus veröffentlicht.
„Ich kann ohne Zögern sagen, dass in meiner ganzen Jugend und auch noch zu Beginn meines erwachsenen Lebens Nazi-Deutschland das Gegenbild zu Israel war: so wie ‚die’ würden ‚wir’ nie werden, wir wären niemals fähig, grausam oder böse zu handeln, unfähig auch, stumm dabei zu stehen, wenn in unserem Namen schrecklich Böses begangen würde. Dies ist eine verbreitete israelische Auffassung. Viele der Frauen werden von den Gespenstern des Holocaust verfolgt, Gespenstern, die sie zum Handeln und zum Protest antreiben gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wo immer sie zu finden sind. Deswegen dürfen die Stimmen des Protests und des Widerstandes nicht verstummen: meine Stimme ... und die Stimmen all derer, die sich gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit empören“, will Yehudit Keshet verstanden wissen als eine „Brücke für eine Versöhnung in der Zukunft.“
Auch die Organisation ‘Europäische Juden für einen gerechten Frieden - European Jews for a Just Peace’ bringt 2006 ihr Anliegen zum friedlichen Miteinander in einer Eingabe an die Europäische Union zum Ausdruck: „Wir erklären laut und deutlich: Der Staat Israel fügt mit seinen Taten dem Namen und Ruf von Juden überall auf der Welt schweren Schaden zu... Als Jüdinnen und Juden werden wir nicht denselben Fehler begehen, den wir häufig jenen vorgehalten haben, die sich angesichts von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Schweigen hüllten...“
Was immer die im Dezember begonnenen Friedensverhandlungen im nur neun km entfernten Jerusalem zum Ergebnis haben könnten, formuliert Bethlehems heutiger Bürgermeister Victor Batarseh: „Wenn in der Welt jemals Frieden einkehrt, dann beginnt er hier und nirgendwo sonst.“
Die Fotogalerie (Bilder und Text) wurde in der NRhZ das erste Mal am 19.12.2007 veröffentlicht. Die dramatische Zuspitzung der Situation in Palästina ist Anlass, sie erneut zu zeigen.
Online-Flyer Nr. 688 vom 26.12.2018
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Der Friede beginnt hier und nirgendwo sonst
Die letzten Tage von Bethlehem
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
„Ich liebe Weihnachtsgeschichten“, schreibt Klaus Liedtke, Chefredakteur von National Geographic Deutschland in der Dezemberausgabe 2007 zum Titelthema „Die Wahrheit über Bethlehem“. „Eine drei Stockwerke hohe, mit Nato-Draht bewehrte Mauer trennt heute die Stadt von ihrem Hinterland, trennt Juden von Muslimen, und sie ist höher als die Mauern israelischer Gefängnisse.“ Die Mauer bildet den Eingang zur Stadt der Pilger, der „Hauptstadt von Weihnachten“ - wie es Hanna J. Nasser, Bürgermeister von Bethlehem, 2003 in einem Hilferuf an Fritz Schramma, Bürgermeister von Köln, Partnerstadt von Bethlehem, formulierte: „Gemäß der israelischen Militärorder (Nr.03/14/T) vom 9. Februar 2003, nach der Besitz von Bethlehemiten rund ums Areal von Rachels Grab enteignet werden soll, verteilte israelisches Militär eine Order, die zusätzlich 44 Grundstücke betrifft und diese unter dem Vorwand ‚für militärische Zwecke’ enteignet.“ Als weiteren „verheerenden Effekt“ bezeichnet Nasser die Mauer, durch die der „einzige sowieso schon enge Eingang Bethlehems, der auch von Besuchern und Pilgern benutzt wurde, geschlossen wird. Da der Tourismus 65 Prozent des Einkommens unserer Bürger ausmacht, wird der Bau dieser Mauer nach allen Kriterien unsere Stadt abwürgen und ihrer Wirtschaft einen tödlichen Schlag versetzen.“
Die Bethlehem umschließende Mauer (alle fotos: arbeiterfotografie.com)
Protest gegen den Mauerbau
Har Homa – Illegale israelische, im Bau befindliche Siedlung - unmittelbar vor den Toren Bethlehems
Israelischer Militärposten am Ortseingang von Bethlehem mit Nato-Draht und Leuchter des Chanukka-Festes (jüdisches Lichterfest)
Blick über Bethlehem
Von den israelischen Besatzern zugemauerte Straße am Ortseingang von Bethlehem
Klostergarten der Geburtskirche von Bethlehem
Die Bethlehem umschließende Mauer trennt die Menschen von ihren Feldern
Protest gegen das illegale israelische Besatzungsregime in Palästina
Öffnet die Mauer! – Protest gegen den Mauerbau
Aufruf zum Widerstand: "Zu existieren heißt, Widerstand zu leisten"
2007 - so Michael Finkel in National Geographic Deutschland - stehen am Eingang der „Hauptstadt von Weihnachten“, der zu einem Checkpoint umfunktioniert ist, „israelische Soldaten mit Sturmgewehren und prüfen die Papiere. Kein israelischer Zivilist darf hinein - auf Befehl des Militärs. Und nur wenige Einwohner von Bethlehem dürfen hinaus.“ Finkel schildert den Eingang, der in die acht Meter hohe, mit noch höheren Wachtürmen bewehrte Betonmauer eingelassen ist, als „Schiebetor aus Stahl, ähnlich wie bei einem Güterwaggon.“ Haben die Besucher den Checkpoint passieren dürfen, dann „bewegt sich das Tor kreischend wieder zurück und schließt mit lautem Dröhnen. Man ist in Bethlehem.“
In der Stadt leben 35.000 Menschen, im gesamten Bezirk Bethlehems ca. 180.000 Palästinenser. Auf diesem Gebiet existieren entgegen der internationalen Gesetzeslage und im Widerspruch zur Genfer Konvention 22 jüdische Siedlungen (und weitere ‘wilde’ Siedlungen), die mit mindestens 80.000 Einwohnern mehr als die doppelte Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner Bethlehems darstellen. Eine der größten Siedlungen auf der Gegenseite der Mauer ist Har Homa. Die ursprüngliche Bezeichnung für die Anhöhe lautet Jabal Abu Ghuneim, das heißt Berg des Schäfers. Im neuen hebräischen Namen Har Homa offenbart sich die Tragik des Besatzungsunrechts: er bedeutet ‘von einer Mauer umgebener Berg’.
Aber auch viele israelische Bürgerinnen und Bürger verschliessen ihre Augen nicht vor dem Unrecht. Sie vertreten den Standpunkt, dass ihr Staat auch den jüdischen Menschen durch dieses Vorgehen erheblichen Schaden zufügt. Yehudit Kirstein Keshet wurde 1943 als Tochter geflüchteter Berliner Juden in England geboren. Seit den späten 50er Jahren lebt sie in Israel, wo sie als Anthropologin und Filmemacherin arbeitete. Sie engagiert sich in der Checkpoint-Watch-Bewegung und hat dazu 2007 ihr Buch mit „Zeugnissen israelischer Frauen aus dem besetzten Palästina“ in der Edition Nautilus veröffentlicht.
„Ich kann ohne Zögern sagen, dass in meiner ganzen Jugend und auch noch zu Beginn meines erwachsenen Lebens Nazi-Deutschland das Gegenbild zu Israel war: so wie ‚die’ würden ‚wir’ nie werden, wir wären niemals fähig, grausam oder böse zu handeln, unfähig auch, stumm dabei zu stehen, wenn in unserem Namen schrecklich Böses begangen würde. Dies ist eine verbreitete israelische Auffassung. Viele der Frauen werden von den Gespenstern des Holocaust verfolgt, Gespenstern, die sie zum Handeln und zum Protest antreiben gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wo immer sie zu finden sind. Deswegen dürfen die Stimmen des Protests und des Widerstandes nicht verstummen: meine Stimme ... und die Stimmen all derer, die sich gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit empören“, will Yehudit Keshet verstanden wissen als eine „Brücke für eine Versöhnung in der Zukunft.“
Auch die Organisation ‘Europäische Juden für einen gerechten Frieden - European Jews for a Just Peace’ bringt 2006 ihr Anliegen zum friedlichen Miteinander in einer Eingabe an die Europäische Union zum Ausdruck: „Wir erklären laut und deutlich: Der Staat Israel fügt mit seinen Taten dem Namen und Ruf von Juden überall auf der Welt schweren Schaden zu... Als Jüdinnen und Juden werden wir nicht denselben Fehler begehen, den wir häufig jenen vorgehalten haben, die sich angesichts von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Schweigen hüllten...“
Was immer die im Dezember begonnenen Friedensverhandlungen im nur neun km entfernten Jerusalem zum Ergebnis haben könnten, formuliert Bethlehems heutiger Bürgermeister Victor Batarseh: „Wenn in der Welt jemals Frieden einkehrt, dann beginnt er hier und nirgendwo sonst.“
Die Fotogalerie (Bilder und Text) wurde in der NRhZ das erste Mal am 19.12.2007 veröffentlicht. Die dramatische Zuspitzung der Situation in Palästina ist Anlass, sie erneut zu zeigen.
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