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Arbeit und Soziales
Abbruch und Neubau
Zürich verliert wieder hunderte günstige Wohnungen
Von Heinrich Frei
Die À-Porta-Stiftung ersetzt in Zürich zwei Siedlungen durch Neubauten. Viele ältere Menschen sowie alleinerziehende Mütter müssen ihr preiswertes Zuhause in der À-Porta-Siedlung Hohl-/Eglistrasse hinter dem Hardplatz im Kreis 4 in Zürich verlassen. Die Stiftung plant an der Stelle der beiden U-förmigen Gebäude mit nahezu 200 Wohnungen einen Ersatzneubau. Der Grund dafür liegt gemäss Stiftung in der schlechten Bausubstanz. Derzeit bezahlen die Mieter für eine 3-Zimmer-Wohnung zwischen 600 und 800 Franken monatlich. (1) "Die Dr. Stephan à Porta-Stiftung öffnet Türen für viele Menschen. Sie stellt mit ihren Liegenschaften in der Stadt Zürich günstigen Wohnraum bereit und unterstützt mit dem erwirtschafteten Reingewinn wohltätige und gemeinnützige Institutionen in der Stadt Zürich und im Kanton Graubünden." So steht es im Kopf der website, die von der Stiftung betrieben wird. (2)
Aus der Zeitschrift "Mieten und Wohnen", Juli 2018
Mietende geraten in Not
"Mietende geraten in Not, wenn bei Renovationen und Ersatzneubauten günstige Wohnungen verloren gehen", hat auch kürzlich die Journalistin Esther Banz in der Zeitschrift "Mieten und Wohnen" geschrieben. (2)
In der Tat, die Mietzinse in Neubauten, nicht nur bei der À-Porta-Stiftung, sondern auch bei Genossenschaften und Stiftungen die nicht profitorientiert arbeiten, sind oft fast doppelt so hoch wie in Altbauten. Leute, die wenig verdienen und AHV- und IV Rentner (Alters- und Hinterbliebenenversicherung und Invalidenversicherung) können diese Mietzinse in diesen so genannten Ersatzbauten oder totalrenovierten Wohnungen dann nicht mehr bezahlen.
Kinderfreundliche Mehrfamilienhäuser der ASIG Wohnbaugenossenschaft in Zürich-Seebach wurden durch riesige Mietskasernen ersetzt. (Fotos Heinrich Frei)
Gut erhaltene und früher sanierte Wohnungen werden abgebrochen
Als Baufachmann besonders abstoßend finde ich, dass gut erhaltene und schon früher sanierte Wohnungen abgebrochen werden. In Zürich-Albisrieden zum Beispiel hat die Genossenschaft Sunnige Hof vor etwa zehn Jahren sogar eine Siedlung «ersetzt», die eine Auszeichnung „für gute Bauten“ erhalten hatte und die ins «Inventar für schützenswerte Bauten» aufgenommen wurde. Baujahr 1949 und 1952, Renovation 1981-83.
Gut erhaltene Mehrfamilienhäuser der Genossenschaft Sunnige Hof in Zürich-Albisrieden, die so genannten Ersatzbauten Platz machen mussten. (Fotos Heinrich Frei)
Vorstand Genossenschaft: Wohnungen können nicht mehr vermietet werden
Vor vierzehn Jahren wurde ich in Zürich Albisrieden von Genossenschafterinnen des Sunnige Hof in Albisrieden kontaktiert. Genossenschafter hatten einen Verein gegründet und wehrten sich gegen den Abbruch ihrer Siedlung. An einer früheren Generalversammlung wurde der Abbruch der Häuser schon einmal abgelehnt, aber die Leitung der Genossenschaft plante weiter, nahm Sondierbohrungen vor und schloss im Hinblick auf einen künftigen Abbruch schon neue befriste Mietverträge ab. Die Genossenschaftsleitung argumentierte, man können diese alten Wohnungen in Albisrieden nicht mehr vermieten, was nicht stimmte, denn auf ein Inserat der Frauen, die sich gegen den Abbruch wehrten, meldeten sich über hundert Leute, die bereit waren, eine Wohnung in Albisrieden zu mieten.
Ich schaute mir die Wohnungen in Albisrieden an und kam als Baufachmann zum Schluss, der Abbruch dieser früher schon einmal sanierten Wohnungen und von der Genossenschaft sehr gut unterhaltenden Häuser sei nicht gerechtfertigt. Das Schweizer Fernsehen interviewte Bewohner, das Tagblatt der Stadt Zürich publiziere auch einen Bericht. Die Frauen verteilten Flugblätter. Als damaliges Mitglied des Gewerkschaftskartells wurde ich auch dort aktiv, um den Abbruch zu verhindern. Aber alles nützte nichts. Ich konnte an der Generalversammlung im Spirgarten in Zürich-Altstetten zwar dann noch ein Referat halten, aber die Mehrheit der Genossenschafter stimmten dem Abbruch und den Ersatzbauten zu.
Genossenschafter entscheiden über Neubauten und Umbauten
Der Entscheid, alte Häuser zu ersetzten oder umzubauen, wird bei Genossenschaften demokratisch an einer Generalversammlung beschlossen. Solche Beschlüsse werden nicht nur vom Vorstand einer Genossenschaft getroffen. Entscheidend ist bei einer solchen Versammlung dann, wie die Leitung einer Genossenschaft den Anwesenden ein Neu- oder Umbau schmackhaft machen kann. In Zürich-Albisrieden waren die meisten dort wohnenden Genossenschafter an der Versammlung im Spirgartensaal gegen den Ersatz ihrer Häuser, aber sie wurden überstimmt von Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die in anderen Siedlungen der Genossenschaft Sunnige Hof wohnten.
Reiheneinfamilienhäuser der Genossenschaft Sunnige Hof in Zürich-Stettbach die auch abgerissen wurden um eine verdichtete Siedlung zu bauen. (Fotos Heinrich Frei)
Frauen wehren sich gegen den Abbruch ihrer Wohnung
Meist sind es Frauen, die sich gegen so genannte Ersatzbauten wehren, in Albisrieden, Seebach, in Affoltern, in der Enge. Nur in wenigen Fällen gelang es diesen Genossenschafterinnen, die Abbrüche ihrer noch sehr gut erhaltenen Wohnungen zu stoppen. In der Enge wurde einer Frau, einer Architektin, die sich gegen ein unsinniges Umbauprojekt wehrte, von der Genossenschaftsleitung empfohlen, den Psychiater zu kontaktieren.
Ich denke, in anderen Städten, zum Beispiel in Biel, wird man nicht so leichtfertig gut erhaltene Wohnungen abbrechen wie in Zürich, in Zureich.
Fußnoten
(1) «Kahlschlag bei Billigwohnungen» von Silvio Temperli, Tages-Anzeiger 17. Juli 2018
(2) http://www.aporta-stiftung.ch/
(3) Esther Banz, Mieten und Wohnen Juli 2018
Online-Flyer Nr. 669 vom 25.07.2018
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Arbeit und Soziales
Abbruch und Neubau
Zürich verliert wieder hunderte günstige Wohnungen
Von Heinrich Frei
Die À-Porta-Stiftung ersetzt in Zürich zwei Siedlungen durch Neubauten. Viele ältere Menschen sowie alleinerziehende Mütter müssen ihr preiswertes Zuhause in der À-Porta-Siedlung Hohl-/Eglistrasse hinter dem Hardplatz im Kreis 4 in Zürich verlassen. Die Stiftung plant an der Stelle der beiden U-förmigen Gebäude mit nahezu 200 Wohnungen einen Ersatzneubau. Der Grund dafür liegt gemäss Stiftung in der schlechten Bausubstanz. Derzeit bezahlen die Mieter für eine 3-Zimmer-Wohnung zwischen 600 und 800 Franken monatlich. (1) "Die Dr. Stephan à Porta-Stiftung öffnet Türen für viele Menschen. Sie stellt mit ihren Liegenschaften in der Stadt Zürich günstigen Wohnraum bereit und unterstützt mit dem erwirtschafteten Reingewinn wohltätige und gemeinnützige Institutionen in der Stadt Zürich und im Kanton Graubünden." So steht es im Kopf der website, die von der Stiftung betrieben wird. (2)
Aus der Zeitschrift "Mieten und Wohnen", Juli 2018
Mietende geraten in Not
"Mietende geraten in Not, wenn bei Renovationen und Ersatzneubauten günstige Wohnungen verloren gehen", hat auch kürzlich die Journalistin Esther Banz in der Zeitschrift "Mieten und Wohnen" geschrieben. (2)
In der Tat, die Mietzinse in Neubauten, nicht nur bei der À-Porta-Stiftung, sondern auch bei Genossenschaften und Stiftungen die nicht profitorientiert arbeiten, sind oft fast doppelt so hoch wie in Altbauten. Leute, die wenig verdienen und AHV- und IV Rentner (Alters- und Hinterbliebenenversicherung und Invalidenversicherung) können diese Mietzinse in diesen so genannten Ersatzbauten oder totalrenovierten Wohnungen dann nicht mehr bezahlen.
Kinderfreundliche Mehrfamilienhäuser der ASIG Wohnbaugenossenschaft in Zürich-Seebach wurden durch riesige Mietskasernen ersetzt. (Fotos Heinrich Frei)
Gut erhaltene und früher sanierte Wohnungen werden abgebrochen
Als Baufachmann besonders abstoßend finde ich, dass gut erhaltene und schon früher sanierte Wohnungen abgebrochen werden. In Zürich-Albisrieden zum Beispiel hat die Genossenschaft Sunnige Hof vor etwa zehn Jahren sogar eine Siedlung «ersetzt», die eine Auszeichnung „für gute Bauten“ erhalten hatte und die ins «Inventar für schützenswerte Bauten» aufgenommen wurde. Baujahr 1949 und 1952, Renovation 1981-83.
Gut erhaltene Mehrfamilienhäuser der Genossenschaft Sunnige Hof in Zürich-Albisrieden, die so genannten Ersatzbauten Platz machen mussten. (Fotos Heinrich Frei)
Vorstand Genossenschaft: Wohnungen können nicht mehr vermietet werden
Vor vierzehn Jahren wurde ich in Zürich Albisrieden von Genossenschafterinnen des Sunnige Hof in Albisrieden kontaktiert. Genossenschafter hatten einen Verein gegründet und wehrten sich gegen den Abbruch ihrer Siedlung. An einer früheren Generalversammlung wurde der Abbruch der Häuser schon einmal abgelehnt, aber die Leitung der Genossenschaft plante weiter, nahm Sondierbohrungen vor und schloss im Hinblick auf einen künftigen Abbruch schon neue befriste Mietverträge ab. Die Genossenschaftsleitung argumentierte, man können diese alten Wohnungen in Albisrieden nicht mehr vermieten, was nicht stimmte, denn auf ein Inserat der Frauen, die sich gegen den Abbruch wehrten, meldeten sich über hundert Leute, die bereit waren, eine Wohnung in Albisrieden zu mieten.
Ich schaute mir die Wohnungen in Albisrieden an und kam als Baufachmann zum Schluss, der Abbruch dieser früher schon einmal sanierten Wohnungen und von der Genossenschaft sehr gut unterhaltenden Häuser sei nicht gerechtfertigt. Das Schweizer Fernsehen interviewte Bewohner, das Tagblatt der Stadt Zürich publiziere auch einen Bericht. Die Frauen verteilten Flugblätter. Als damaliges Mitglied des Gewerkschaftskartells wurde ich auch dort aktiv, um den Abbruch zu verhindern. Aber alles nützte nichts. Ich konnte an der Generalversammlung im Spirgarten in Zürich-Altstetten zwar dann noch ein Referat halten, aber die Mehrheit der Genossenschafter stimmten dem Abbruch und den Ersatzbauten zu.
Genossenschafter entscheiden über Neubauten und Umbauten
Der Entscheid, alte Häuser zu ersetzten oder umzubauen, wird bei Genossenschaften demokratisch an einer Generalversammlung beschlossen. Solche Beschlüsse werden nicht nur vom Vorstand einer Genossenschaft getroffen. Entscheidend ist bei einer solchen Versammlung dann, wie die Leitung einer Genossenschaft den Anwesenden ein Neu- oder Umbau schmackhaft machen kann. In Zürich-Albisrieden waren die meisten dort wohnenden Genossenschafter an der Versammlung im Spirgartensaal gegen den Ersatz ihrer Häuser, aber sie wurden überstimmt von Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die in anderen Siedlungen der Genossenschaft Sunnige Hof wohnten.
Reiheneinfamilienhäuser der Genossenschaft Sunnige Hof in Zürich-Stettbach die auch abgerissen wurden um eine verdichtete Siedlung zu bauen. (Fotos Heinrich Frei)
Frauen wehren sich gegen den Abbruch ihrer Wohnung
Meist sind es Frauen, die sich gegen so genannte Ersatzbauten wehren, in Albisrieden, Seebach, in Affoltern, in der Enge. Nur in wenigen Fällen gelang es diesen Genossenschafterinnen, die Abbrüche ihrer noch sehr gut erhaltenen Wohnungen zu stoppen. In der Enge wurde einer Frau, einer Architektin, die sich gegen ein unsinniges Umbauprojekt wehrte, von der Genossenschaftsleitung empfohlen, den Psychiater zu kontaktieren.
Ich denke, in anderen Städten, zum Beispiel in Biel, wird man nicht so leichtfertig gut erhaltene Wohnungen abbrechen wie in Zürich, in Zureich.
Fußnoten
(1) «Kahlschlag bei Billigwohnungen» von Silvio Temperli, Tages-Anzeiger 17. Juli 2018
(2) http://www.aporta-stiftung.ch/
(3) Esther Banz, Mieten und Wohnen Juli 2018
Online-Flyer Nr. 669 vom 25.07.2018
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