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Arbeit und Soziales
Appell an den Verband Deutscher Schriftsteller (VS)
Ohne Preis kein Fleiß
Von Mischi Steinbrück
„Gemeinsam Gewinnen“ war die 3. der so genannten Streikkonferenzen, organisiert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ver.di, in Zusammenarbeit mit der IG-Metall, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, der Gewerkschaft der Lehrer und Erzieher, sowie vieler Gruppen Streikender und Streikunterstützer/innen. In diesen Konferenzen wird der Versuch unternommen, die Streiks der vorangegangenen zwei Jahre in ihrem Umfang, ihren Forderungen, ihren Strukturen, dem Organisationsgrad, ihren Erfolgen und Misserfolgen zu erfassen. 690 Teilnehmer/innen waren am Frankfurter Campus in Bockenheim drei Tage lang von morgens bis abends in insgesamt 28 Seminaren und Vorträgen unterwegs, dazu kamen Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen.
Ich konnte nur an drei Arbeitsgruppen, allerdings an allen Podiums- und Abendveranstaltungen teilnehmen. Gerade wegen der Fülle der Berichte, finde ich, dass mehrere von uns aus dem VS an den nächsten Konferenzen teilnehmen sollten, damit wir als Schriftsteller/innen überhaupt mal einen Eindruck von diesem Teil unserer gesellschaftlichen Realität, der von den Mainstreammedien nicht beachtet wird, bekommen, und damit die Möglichkeit, uns darüber auch auszutauschen.
Worum ging und geht es? Knapp gesagt: Um die Reregulierung der deregulierten Arbeitsverhältnisse, um die Deprekarisierung, um Wert und Würde aller Arbeit, um genügend Personal in den Berufen der Betreuung, der Pflege und Erziehung sowie an den Arbeitsplätzen, wo es um Leben und Tod und Sicherheit geht (also Krankenhäusern, Flug- und Bahn sowie Transportwesen), um Kürzung der Arbeitszeit, um den aufrechten Gang und Solidarität.
Streikberichte und Analysen, Strategiediskussionen, Filme, Videos und last not least die Streiker der Firma Zum Tobel persönlich zeigten, was los ist – und was losgemacht wird.
Gegenwehr zur Gewalt des Kapitals
Streiks erregen immer große Aufmerksamkeit, sind jedoch selten populär – Gegen ihre Diskreditierung durch die Medien müssen wir uns wehren. (Auch ein Grund für Schriftsteller/innen, sich für das Thema zu interessieren) Streiks sind nicht romantisch, nicht heroisch. Immer muss man sich fragen: können wir es, müssen wir es wagen – um der Sache, aber auch um des Prinzips wegen. – Streiks sind nicht nur Gegenwehr zur Gewalt des Kapitals, sondern grundsätzlich politisch, denn sie sind immer öffentlich, immer emanzipatorisch. (In welcher Form sind sie das? Die Konferenz böte jede Menge Gelegenheiten, mit Streikenden darüber ins Gespräch zu kommen)
Streik-Aktion im Januar 2015 (Foto: arbeiterfotografie.com)
Die Arbeitgeber nutzen jede Gelegenheit, um Gewerkschaftsmacht zu schwächen. Und in verschiedenen Ländern Europas ist die Zerschlagung und Entmachtung der Gewerkschaften schon gelungen. In Italien, in Ungarn, besonders in Griechenland. Dort haben die Institutionen (EZB, IWF usw.) die Tarifautonomie abgeschafft. 1100 Tarifverträge wurden mit nicht gewerkschaftlichen Verbänden, zu 98% mit Lohnstopp abgeschlossen.
Gegen diese Entwicklung müssen wir ankämpfen. Die Öffentlichkeitsarbeit stärken, um die Durchsetzungskraft zu erhöhen (VS! Wie wäre es, wenn wir unsere Literaturtage einmal dazu nutzten?)
Im Gespräch mit den Streikskeptikern gilt ein altes kapitalistisches Argument: Die Ware Arbeitskraft wird nicht mehr geliefert, weil die Konditionen nicht stimmen!!! Ohne Preis kein Fleiß.
Im weiteren Verlauf hat Miguel Al Cantara ein spanischer Krankenpfleger gesprochen (Einschub über die span. Krankenpfleger/innen), der in Berlin eine imigrantische Selbstorganisation gründete, die Gewerkschaftssekretärin der Nahrung, Gaststätten-Gewerkschaft, ein Ver.di-Sekretär im Bereich Flugsicherheit und Bernhard Riexinger von der Linken über die große Schwierigkeit, Emigrant/innen zu organisieren, über Rassismus in den Betrieben, über hohe Fluktuation, über die Prekarisierung und über Ideen, wie diese Probleme zu überwinden seien, diskutiert.
Da, wo es Streiks gab, gab es keinen Rassismus. Das gemeinsame Interesse und Handeln verdrängte Sprachschwierigkeiten und Streitigkeiten. Allerdings müssen, wo der Organisationsgrad niedrig ist, auch Aktionsformen gefunden werden, die weit weg von Streik sind, um Vertrauen und damit wieder Mitglieder zu gewinnen.
Gewerkschaft in Gefahr
Wie das Ziel, Gewerkschaft wieder zu stärken, erreicht werden kann, darüber gab es zwei unterschiedliche Vorstellungen. Dass es aber geschehen müsse, darüber war man sich einig. Denn alle sehen die Gewerkschaft in Gefahr.
Michaela Rosenberger, eine Gewerkschaftssekretärin aus den Gaststätten und Hotelgewerbe betonte die Vorrangigkeit, Mitglieder zu gewinnen. Riexinger von der Linken und Metaller skizzierte ein Drei-Schritte-Modell: Betriebliche Kämpfe (Häuserkämpfe), Flächentarifkämpfe und die gesetzliche Regelung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifkämpfen. Er sagt: Es geht darum, den betrieblichen Kampf um die Reregulierung mit dem politischen Kampf zu verbinden.
Am zweiten Vormittag waren vor allem zwei Beiträge beeindruckend. Nämlich die lange Rede des aus Frankreich gekommenen CGT-Funktionärs André Hemmerle einerseits und der Auftritt der ca 30 kämpfenden Arbeiter/innen der Licht-Firma Zum Tobel andererseits.
André Hemmerle wurde nicht müde zu betonen und viele Aspekte der Tatsache zu beleuchten, dass alle unsere sozialen Errungenschaften Ergebnis der langen Kämpfe unserer Vorfahren sind. In Frankreich wurde die 35-Stundenwoche und die Rente mit 60 im Jahr 2000 Gesetz. Die jetzige Zerschlagung des Arbeitsgesetzes basiert auf der ideologischen Grundlage des 19. Jhdts und auf einem gesetzlichen Gewaltstreich. Nun sind wieder 12-Stunden-Tage und 46-Stunden-Wochen möglich, Entlassungen, auch aus Krankheitsgründen leichter und die Entschädigungen geringer. Die Wut in der Bevölkerung ist riesig. Die Mehrheit im Land will die Absetzung und Verhinderung der Umsetzung des Gesetzes. Er schloss mit den Worten: die Unternehmer handeln nach der Logik des Kräfteverhältnisses. Unsere Antwort: „Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Kampf bei Zum Tobel
Über den Kampf bei Zum Tobel berichtete Michael Erhard von der IG Metall. Es sei dies zwar nur ein Häuserkampf – aber eben nicht nur. Denn die Aussperrung, mit der Zum Tobel auf den Streik reagierte, ist in Hessen verboten, der Kampf dagegen mittlerweile politisch. Es sei auch ein Rückzugskampf (wie viele andere übrigens auch), denn der Standort ist verloren. Aber nun ginge es um einen guten Sozialtarifvertrag. ‚“Den machen wir Euch richtig teuer!“ In den ersten Wochen der Aussperrung waren die Kolleg/innen deprimiert. „Wir standen vor dem Zaun. Die Firma war erleuchtet – aber wir waren ausgesperrt!“
Dann aber kam der Zorn und mit steigendem Zorn kamen die Aktionsideen: Z.B. eine gemeinsame Fahrt zur Frankfurter Börse und Rambazamba vor deren Toren. Oder eine Fahrt nach Österreich, wo auch ein Lager der Firma geräumt wurde. Dort gab es Kontakt zur örtlichen Feuerwehr und es wurden die Feuerwehrsirenen eingesetzt.
Ökonomisch können wir Zum Tobel nicht treffen. Seit der Schließung des Werks sind die Aktien um 20% gestiegen!!! (Die Firma hat weltweit Niederlassungen)
Wir müssen die MARKE ZUM TOBEL treffen!!! Dafür brauchen wir Eure Solidarität! Unterstützt uns auf Facebook; SCHICKT UNS MAILS!!!
Ich habe diese Zeilen fett gedruckt, weil ich genau in solchen Zusammenhängen unsere Solidarität vom VS ansprechen möchte.
Hoch die internationale Solidarität!
Nach dem Bericht hat sich der ganze Saal erhoben und wir haben mit den auf der Bühne versammelten und Transparente hochhaltenden ZumToblern die Internationale Solidarität hochleben lassen. --- Dieser kurze Bericht kann das Erleben dieses Augenblicks von Solidarität nicht wiedergeben. Und ich kann nur immer wieder bekräftigen, was für einen unschätzbaren Wert diese Konferenz hat. Das erlebst Du in keinem Fernsehbericht, in keinem Film, in keinem Roman. Das erlebst du eben nur, wenn Du selbst dabei bist. – Umgekehrt aber braucht es Fernsehberichte, Filme, Romane und Stücke, die es darstellen; die die Realität kämpfender Menschen in unserem Land zeigen. Einer Realität, wie ich schon oben sagte, die in den Massenmedien nicht vorkommt. Einer Realität, die uns durch ihr dringend benötigtes Vorhandensein in unserem Bewusstsein ein anderes, vielleicht sogar neues Bild von unserer Gesellschaft zeigt.
Ich habe 80 Seiten meiner Kladde mit kaum lesbaren Notizen über die Konferenz beschrieben. Ich kriege das jetzt nicht mehr zusammen. Ich zähle nur noch auf, bei welchen AGs ich noch war:
Bei der AG über den Poststreik 2015, der, ähnlich wie bei den Zum Toblern nur mehr eine Art Verteidigungskampf war, um die Arbeitsbedingungen und Löhne nicht noch schlechter werden zu lassen.
Bei der AG über den erfolgreichsten und zukunftsträchtigsten aller Streiks, nämlich bei der Charité in Berlin, wo es gelungen ist, die Patienten und die Angehörigen miteinzubeziehen. Hier ging es vor allem um mehr Pflegepersonal. Dieser Kampf, das wurde den Teilnehmer/innen als fester Beschluss zugesagt, wird an allen Unikrankenhäusern in NRW in 2017 fortgeführt werden.
Und zuletzt bei der AG über den endlosen Kampf bei Amazon. Hierzu nochmals die Postkarten und die dringende Bitte der Beschäftigten, Solidarität zu zeigen. (Die Amazon-Aktivisten haben zusammen mit ver.di-Funktionär/innen Kontakt zu einem polnischen Standort aufgenommen. Dort finden noch keine Kämpfe statt. – Auch über solche Mühen, internationaler Solidarität fände ich es hochinteressant, mehr zu erfahren)
Wir bieten dem Kapital die Stirn!
Die Abschlussveranstaltung schloss mit den Worten: Wir bieten dem Kapital die Stirn! Und ich möchte mit der Bitte an unseren Vorstand schließen, sich für unsere Teilnahme an der nächsten Streikkonferenz einzusetzen. Lasst uns näher rücken an die Realität vor unseren Türen und lasst sie in unsere Schreibproduktion einfließen. Lasst uns einen Brief an die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfassen, in dem wir unseren Respekt vor dieser gewaltigen Anstrengung bezeugen, und den Sinn unserer Teilnahme darlegen.
Online-Flyer Nr. 606 vom 29.03.2017
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Arbeit und Soziales
Appell an den Verband Deutscher Schriftsteller (VS)
Ohne Preis kein Fleiß
Von Mischi Steinbrück
„Gemeinsam Gewinnen“ war die 3. der so genannten Streikkonferenzen, organisiert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ver.di, in Zusammenarbeit mit der IG-Metall, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, der Gewerkschaft der Lehrer und Erzieher, sowie vieler Gruppen Streikender und Streikunterstützer/innen. In diesen Konferenzen wird der Versuch unternommen, die Streiks der vorangegangenen zwei Jahre in ihrem Umfang, ihren Forderungen, ihren Strukturen, dem Organisationsgrad, ihren Erfolgen und Misserfolgen zu erfassen. 690 Teilnehmer/innen waren am Frankfurter Campus in Bockenheim drei Tage lang von morgens bis abends in insgesamt 28 Seminaren und Vorträgen unterwegs, dazu kamen Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen.
Ich konnte nur an drei Arbeitsgruppen, allerdings an allen Podiums- und Abendveranstaltungen teilnehmen. Gerade wegen der Fülle der Berichte, finde ich, dass mehrere von uns aus dem VS an den nächsten Konferenzen teilnehmen sollten, damit wir als Schriftsteller/innen überhaupt mal einen Eindruck von diesem Teil unserer gesellschaftlichen Realität, der von den Mainstreammedien nicht beachtet wird, bekommen, und damit die Möglichkeit, uns darüber auch auszutauschen.
Worum ging und geht es? Knapp gesagt: Um die Reregulierung der deregulierten Arbeitsverhältnisse, um die Deprekarisierung, um Wert und Würde aller Arbeit, um genügend Personal in den Berufen der Betreuung, der Pflege und Erziehung sowie an den Arbeitsplätzen, wo es um Leben und Tod und Sicherheit geht (also Krankenhäusern, Flug- und Bahn sowie Transportwesen), um Kürzung der Arbeitszeit, um den aufrechten Gang und Solidarität.
Streikberichte und Analysen, Strategiediskussionen, Filme, Videos und last not least die Streiker der Firma Zum Tobel persönlich zeigten, was los ist – und was losgemacht wird.
Gegenwehr zur Gewalt des Kapitals
Streiks erregen immer große Aufmerksamkeit, sind jedoch selten populär – Gegen ihre Diskreditierung durch die Medien müssen wir uns wehren. (Auch ein Grund für Schriftsteller/innen, sich für das Thema zu interessieren) Streiks sind nicht romantisch, nicht heroisch. Immer muss man sich fragen: können wir es, müssen wir es wagen – um der Sache, aber auch um des Prinzips wegen. – Streiks sind nicht nur Gegenwehr zur Gewalt des Kapitals, sondern grundsätzlich politisch, denn sie sind immer öffentlich, immer emanzipatorisch. (In welcher Form sind sie das? Die Konferenz böte jede Menge Gelegenheiten, mit Streikenden darüber ins Gespräch zu kommen)
Streik-Aktion im Januar 2015 (Foto: arbeiterfotografie.com)
Die Arbeitgeber nutzen jede Gelegenheit, um Gewerkschaftsmacht zu schwächen. Und in verschiedenen Ländern Europas ist die Zerschlagung und Entmachtung der Gewerkschaften schon gelungen. In Italien, in Ungarn, besonders in Griechenland. Dort haben die Institutionen (EZB, IWF usw.) die Tarifautonomie abgeschafft. 1100 Tarifverträge wurden mit nicht gewerkschaftlichen Verbänden, zu 98% mit Lohnstopp abgeschlossen.
Gegen diese Entwicklung müssen wir ankämpfen. Die Öffentlichkeitsarbeit stärken, um die Durchsetzungskraft zu erhöhen (VS! Wie wäre es, wenn wir unsere Literaturtage einmal dazu nutzten?)
Im Gespräch mit den Streikskeptikern gilt ein altes kapitalistisches Argument: Die Ware Arbeitskraft wird nicht mehr geliefert, weil die Konditionen nicht stimmen!!! Ohne Preis kein Fleiß.
Im weiteren Verlauf hat Miguel Al Cantara ein spanischer Krankenpfleger gesprochen (Einschub über die span. Krankenpfleger/innen), der in Berlin eine imigrantische Selbstorganisation gründete, die Gewerkschaftssekretärin der Nahrung, Gaststätten-Gewerkschaft, ein Ver.di-Sekretär im Bereich Flugsicherheit und Bernhard Riexinger von der Linken über die große Schwierigkeit, Emigrant/innen zu organisieren, über Rassismus in den Betrieben, über hohe Fluktuation, über die Prekarisierung und über Ideen, wie diese Probleme zu überwinden seien, diskutiert.
Da, wo es Streiks gab, gab es keinen Rassismus. Das gemeinsame Interesse und Handeln verdrängte Sprachschwierigkeiten und Streitigkeiten. Allerdings müssen, wo der Organisationsgrad niedrig ist, auch Aktionsformen gefunden werden, die weit weg von Streik sind, um Vertrauen und damit wieder Mitglieder zu gewinnen.
Gewerkschaft in Gefahr
Wie das Ziel, Gewerkschaft wieder zu stärken, erreicht werden kann, darüber gab es zwei unterschiedliche Vorstellungen. Dass es aber geschehen müsse, darüber war man sich einig. Denn alle sehen die Gewerkschaft in Gefahr.
Michaela Rosenberger, eine Gewerkschaftssekretärin aus den Gaststätten und Hotelgewerbe betonte die Vorrangigkeit, Mitglieder zu gewinnen. Riexinger von der Linken und Metaller skizzierte ein Drei-Schritte-Modell: Betriebliche Kämpfe (Häuserkämpfe), Flächentarifkämpfe und die gesetzliche Regelung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifkämpfen. Er sagt: Es geht darum, den betrieblichen Kampf um die Reregulierung mit dem politischen Kampf zu verbinden.
Am zweiten Vormittag waren vor allem zwei Beiträge beeindruckend. Nämlich die lange Rede des aus Frankreich gekommenen CGT-Funktionärs André Hemmerle einerseits und der Auftritt der ca 30 kämpfenden Arbeiter/innen der Licht-Firma Zum Tobel andererseits.
André Hemmerle wurde nicht müde zu betonen und viele Aspekte der Tatsache zu beleuchten, dass alle unsere sozialen Errungenschaften Ergebnis der langen Kämpfe unserer Vorfahren sind. In Frankreich wurde die 35-Stundenwoche und die Rente mit 60 im Jahr 2000 Gesetz. Die jetzige Zerschlagung des Arbeitsgesetzes basiert auf der ideologischen Grundlage des 19. Jhdts und auf einem gesetzlichen Gewaltstreich. Nun sind wieder 12-Stunden-Tage und 46-Stunden-Wochen möglich, Entlassungen, auch aus Krankheitsgründen leichter und die Entschädigungen geringer. Die Wut in der Bevölkerung ist riesig. Die Mehrheit im Land will die Absetzung und Verhinderung der Umsetzung des Gesetzes. Er schloss mit den Worten: die Unternehmer handeln nach der Logik des Kräfteverhältnisses. Unsere Antwort: „Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Kampf bei Zum Tobel
Über den Kampf bei Zum Tobel berichtete Michael Erhard von der IG Metall. Es sei dies zwar nur ein Häuserkampf – aber eben nicht nur. Denn die Aussperrung, mit der Zum Tobel auf den Streik reagierte, ist in Hessen verboten, der Kampf dagegen mittlerweile politisch. Es sei auch ein Rückzugskampf (wie viele andere übrigens auch), denn der Standort ist verloren. Aber nun ginge es um einen guten Sozialtarifvertrag. ‚“Den machen wir Euch richtig teuer!“ In den ersten Wochen der Aussperrung waren die Kolleg/innen deprimiert. „Wir standen vor dem Zaun. Die Firma war erleuchtet – aber wir waren ausgesperrt!“
Dann aber kam der Zorn und mit steigendem Zorn kamen die Aktionsideen: Z.B. eine gemeinsame Fahrt zur Frankfurter Börse und Rambazamba vor deren Toren. Oder eine Fahrt nach Österreich, wo auch ein Lager der Firma geräumt wurde. Dort gab es Kontakt zur örtlichen Feuerwehr und es wurden die Feuerwehrsirenen eingesetzt.
Ökonomisch können wir Zum Tobel nicht treffen. Seit der Schließung des Werks sind die Aktien um 20% gestiegen!!! (Die Firma hat weltweit Niederlassungen)
Wir müssen die MARKE ZUM TOBEL treffen!!! Dafür brauchen wir Eure Solidarität! Unterstützt uns auf Facebook; SCHICKT UNS MAILS!!!
Ich habe diese Zeilen fett gedruckt, weil ich genau in solchen Zusammenhängen unsere Solidarität vom VS ansprechen möchte.
Hoch die internationale Solidarität!
Nach dem Bericht hat sich der ganze Saal erhoben und wir haben mit den auf der Bühne versammelten und Transparente hochhaltenden ZumToblern die Internationale Solidarität hochleben lassen. --- Dieser kurze Bericht kann das Erleben dieses Augenblicks von Solidarität nicht wiedergeben. Und ich kann nur immer wieder bekräftigen, was für einen unschätzbaren Wert diese Konferenz hat. Das erlebst Du in keinem Fernsehbericht, in keinem Film, in keinem Roman. Das erlebst du eben nur, wenn Du selbst dabei bist. – Umgekehrt aber braucht es Fernsehberichte, Filme, Romane und Stücke, die es darstellen; die die Realität kämpfender Menschen in unserem Land zeigen. Einer Realität, wie ich schon oben sagte, die in den Massenmedien nicht vorkommt. Einer Realität, die uns durch ihr dringend benötigtes Vorhandensein in unserem Bewusstsein ein anderes, vielleicht sogar neues Bild von unserer Gesellschaft zeigt.
Ich habe 80 Seiten meiner Kladde mit kaum lesbaren Notizen über die Konferenz beschrieben. Ich kriege das jetzt nicht mehr zusammen. Ich zähle nur noch auf, bei welchen AGs ich noch war:
Bei der AG über den Poststreik 2015, der, ähnlich wie bei den Zum Toblern nur mehr eine Art Verteidigungskampf war, um die Arbeitsbedingungen und Löhne nicht noch schlechter werden zu lassen.
Bei der AG über den erfolgreichsten und zukunftsträchtigsten aller Streiks, nämlich bei der Charité in Berlin, wo es gelungen ist, die Patienten und die Angehörigen miteinzubeziehen. Hier ging es vor allem um mehr Pflegepersonal. Dieser Kampf, das wurde den Teilnehmer/innen als fester Beschluss zugesagt, wird an allen Unikrankenhäusern in NRW in 2017 fortgeführt werden.
Und zuletzt bei der AG über den endlosen Kampf bei Amazon. Hierzu nochmals die Postkarten und die dringende Bitte der Beschäftigten, Solidarität zu zeigen. (Die Amazon-Aktivisten haben zusammen mit ver.di-Funktionär/innen Kontakt zu einem polnischen Standort aufgenommen. Dort finden noch keine Kämpfe statt. – Auch über solche Mühen, internationaler Solidarität fände ich es hochinteressant, mehr zu erfahren)
Wir bieten dem Kapital die Stirn!
Die Abschlussveranstaltung schloss mit den Worten: Wir bieten dem Kapital die Stirn! Und ich möchte mit der Bitte an unseren Vorstand schließen, sich für unsere Teilnahme an der nächsten Streikkonferenz einzusetzen. Lasst uns näher rücken an die Realität vor unseren Türen und lasst sie in unsere Schreibproduktion einfließen. Lasst uns einen Brief an die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfassen, in dem wir unseren Respekt vor dieser gewaltigen Anstrengung bezeugen, und den Sinn unserer Teilnahme darlegen.
Online-Flyer Nr. 606 vom 29.03.2017
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