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Kommentar
Ein Trauermarsch für die Europäische Union
Seid umschlungen Millionen!
Von Ulrich Gellermann

Die Kinderchöre proben schon. Denn in wenigen Wochen will die Europäische Union ihren 60. Geburtstag feiern. Da muss die Euro-Hymne sitzen: „Alle Menschen werden Brüder“, so klingt die gesungene Hoffnung. Der Subtext aber heißt: Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir den Schädel ein. – Ganz sicher würde die polnische Regierungs-Chefin Beata Szydlo das gern mit ihrer Amts-Schwester Angela Merkel machen. Denn die deutsche Kanzlerin, glaubt man dem polnischen Strippenzieher Jaroslaw Kaczynski, ist dafür verantwortlich, dass der Pole Donald Tusk erneut zum EU-Ratspräsidenten gewählt wurde. Gegen den Willen der polnischen Regierung. Denn die hatte einen Gegenkandidaten zu Tusk nominiert: Einen polnischen Europa-Abgeordneten aus der dritten Reihe.

Aber es gibt keine Hoffnung auf den Austritt Polens aus der EU. Denn auch in Polen singen die Chöre: Seid umschlungen Milli-o-nen! Die Profiteure wissen wovon sie singen: Denn in den zehn Jahren nach dem EU-Beitritt steckte das Land etwa 80 Milliarden Euro aus dem Brüsseler Förderfonds ein. Und die Eurokratie rechnet mit: Denn die 38 Millionen Einwohner Polens erweitern den Absatzmarkt beträchtlich. Von „Humankapital“ wird in der Hymne nicht direkt gesungen. Doch geringe Lohnkosten in Polen sind die hymnischen „Götterfunken“ der europäischen Investoren. Und Sonderwirtschaftszonen, Förderprogramme der Regierung, Steuerbefreiungen oder Steuererleichterungen sind dem Investor schließlich das in der Hymne besungene Elysium, das vollkommene Glück.

Das große Glückslos haben all die Unternehmen gezogen, die sich in Irland ansiedeln können. Das sehen auch die zur Zeit fusionierenden Unternehmen Linde und Praxair so. Rund 30 Milliarden Euro Umsatz will das deutsch-amerikanische Unternehmen in Irland versteuern. Apple und Facebook sind schon da. Denn in Irland zahlen die Konzerne nur etwa zwölf Prozent an Unternehmensteuern. In Deutschland wären es 30 Prozent. Da weiß das Kapital doch, wo es seine Milli-a-rden parkt. Doch neidvoll sehen die Vorstände Linde und Praxair nach Luxemburg. Dort hat man US-Firmen wie Amazon oder McDonald's durch diskrete Deals Steuersätze von weniger als einem Prozent offeriert. Da ist es nur logisch, dass der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, aus Luxemburg kommt.

Profit, Profit, treibt die Räder

Der arme Friedrich Schiller, dem der Text zur EU-Hymne aus der Feder geflossen ist – nicht wissend was aus ihr werden würde – der fabulierte noch „Freude heißt die starke Feder - Freude, Freude treibt die Räder“. Bei den Griechen kommt keinesfalls Freude auf. Denn im Ergebnis der internationalen Banken-Krise im Jahr 2008 wird das Land ausgeraubt. In der Folge der EU-Beschlüsse wird dem griechischen Staat alles weggenommen, was dem Land Einnahmen bringt. An die deutsche Fraport AG mussten 14 griechische Regionalflughäfen verschleudert werden. Unternehmen, die dem Staatshaushalt gutes Geld eingebracht hatten. Das galt natürlich auch für den Hafen von Piräus, der an einen chinesischen Staatskonzern verkauft wurde. Und gefreut hat sich auch das tschechisch-griechische Konsortium Emma Delta, das die staatliche Lotteriegesellschaft OPAP unter Marktwert erwerben konnte. Geradezu Jubel soll bei den italienischen Staatsbahnen ausgebrochen sein, als sie für die Betriebsgesellschaft der griechischen Bahn TRAI-NOSE den Zuschlag erhielten: Ein weiters Monopolunternehmen, das schuldenfrei für kleines Geld den Besitzer wechselte. „Profit, Profit, treibt die Räder“ hätte Schiller texten sollen. Und Beethoven hätte dann einen populären Hip-Hop-Song komponieren können.

„Deine Neigung zu diesem Gedicht“ schrieb Schiller an Christian Gottfried Körner, mag sich auf die Epoche seiner Entstehung gründen: Aber dies gibt ihm auch den einzigen Wert, den es hat, und auch nur für uns und nicht für die Welt, noch für die Dichtkunst.“ Heute liegt der Wert der Hymne in den reinen Kinderchören, die den schmutzigen Deals der Europäischen Union einen Klangteppich verschaffen, unter den die Eurokratie hofft, alles kehren zu können: Die Entstehung der Union ohne die Zustimmung ihrer Insassen. Die völlig ungleiche Sozialpolitik der beteiligten Staaten. Und die Gier nach Markt- und Macht-Ausdehnung, bestens im Fall der Ukraine zu beobachten. – In einer früheren Fassung schien Schiller die wirkliche Lage der EU-Bürger vorausgeahnt zu haben: „Duldet mutig Millionen! - Duldet für die beßre Welt!“ Ein Text der gut zu einem Trauermarsch passen würde und dessen dumpfe Trommeln die Union der Profiteure auf dem Weg zu ihrer verdienten Gruft begleiten sollte.


Erstveröffentlichung am 13. März 2017 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)


Online-Flyer Nr. 604  vom 15.03.2017

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