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Krieg und Frieden
Anmerkungen zur Friedensfahrt Berlin-Moskau vom 7. bis 21. August 2016
Ohne irgendeine Art von Gesinnungsprüfung
Von Klaus-Peter Kurch

"Die Friedensfahrt vom 7. bis 21. August 2016 gehörte zu den intensivsten zwei Wochen meines Lebens. Sie gab mir Anregungen, über die ich nachdenken muss..." Das schreibt Klaus-Peter Kurch, Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und einer der Teilnehmer der Friedensfahrt, deren Hauptorganisator das CSU-Mitglied Dr. Rainer Rothfuß war - von 2009 bis 2015 Professor an der Universität Tübingen und jetzt in Lindau Leiter seines eigenes Unternehmen für transnationales Projektmanagement. Die NRhZ bringt Anmerkungen zur Friedensfahrt von Klaus-Peter Kurch.


Friedensfahrt-Banner


Ist aber doch alles vorbei!?

Während meiner Abwesenheit erzählte meine Frau einer nahen Bekannten (gebildete Dame), dass ich auf Friedensfahrt in Russland sei. Deren Reaktion: „In Russland? Wegen Tschernobyl?“

Beim Abschlussevent am Brandenburger Tor war die Stimmung prächtig. Doch es waren nur wenige hundert Menschen dort. Die FriedensfahrerInnen und ihre  Freunde und Bekannten abgerechnet, hat sich für dieses großartige Ereignis niemand interessiert.

Eine Nachbarin, Physiotherapeutin: „Die sagen, wir sollen uns Vorräte anschaffen. Wozu denn? Gibt es denn Krieg?“

Wir FriedensfahrerInnen, im engen Zirkel unserer Alternativmedien unterwegs, von bedeutenden russischen Medien beachtet, konnten glauben, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen, gar Anfänge von Breitenwirkung zu erleben. Nichts von alledem! Es gab und gibt eine geschlossene Schweigefront aller „seriösen“ Medien. (In dieser Zählung gehören „junge Welt“ und „neues deutschland“ zu den „seriösen“ Medien.)

Es gab und gibt eine geschlossene Schweigefront aller „seriösen“ Politiker. (In dieser Zählung gehören die Politiker der Linkspartei, auch die „linken Politiker in der Linkspartei“ zu den „seriösen“ Politikern.)

Es gab und gibt eine geschlossene Schweigefront aller „seriösen“ Nichtregierungs- und Friedensorganisationen. (In dieser Zählung gehören ALLE Nichtregierungs- und Friedensorganisationen zu den „seriösen“. Einzige Ausnahme: Die Freidenker. Sie haben die Friedensfahrt aktiv unterstützt. FreidenkerInnen arbeiten für den Frieden auch mit mancherlei Rechtsgerichteten zusammen.)

Ich bin nicht böse, wenn mir nachgewiesen wird, dass diese Allaussagen nicht zu 100% zutreffen.

Der Deutsche und die Deutsche, die Untertanenmasse, weigern sich standhaft, den Krieg zu begreifen und dagegen aufzustehen. Gern aber lassen sie sich von der Obrigkeit für den Krieg fit machen („Wasser, Nudeln, Taschenlampe“). Und sie lassen sich von den so genannten zivilgesellschaftlichen Organisation (korrekter: RHO – RegierungsHilfsOrganisationen), ihren eigenen, ruhig stellen.

Die hier konstatierte, fast lückenlose Ignoranz und Passivität des gesamten Spektrums links der Mitte (dem ich leider die „echten Linken in der Linken“ zurechnen muss) steht heute „würdig“ neben, steht gleichrangig neben einer berüchtigten historischen Erscheinung – der stalinistischen Sozialfaschismus-Konzeption, mit der sich die KPD unter Thälmanns Führung in den entscheidenden Jahren im Kampf gegen den aufkommenden Faschismus selbst die Hände band.   

Entwaffnung der Friedenskräfte um jeden Preis, schleichende aber systematische Formierung zum Krieg. Viele – von rechts bis links – arbeiten daran mit; erfolgreich. Wie Anfang der dreißiger Jahre, bis man Hitler die Macht übertrug. UND GERADE DARUM: FRIEDENSFAHRT! – FRIEDENSLAUF! – FRIEDENSSTURM! TROTZ ALLEDEM!

Friedensfahrt 2016 – Willenserklärung und Tat

Bei der Friedensfahrt Berlin-Moskau-Berlin gab es viel Chaotisches. Umso wichtiger scheint es mir, das hervorzuheben und festzuhalten, was klar und eindeutig war. Die TeilnehmerInnen haben ihren Willen erklärt Frieden mit Russland und allen Völkern zu halten, und sie haben sich gegen Krieg und jede Form von kriegerischer Politik ausgesprochen.

Ihre Willenserklärung hat Besonderheiten, die sie von Erklärungen sonstiger Friedensbewegter unterscheidet:
  • Sie stellte eine PERSÖNLICHE ENTSCHEIDUNG dar. Sie war nicht bloße Zustimmung/Unterschrift unter einen Text, der von Anderen (der „Organisation“, den „Vordenkern“, dem „Aktiv“, den „Verdienten“, den „gegensätzlichen Flügeln“ usw.) ausgehandelt worden war.
  • Aus der individuellen Entschiedenheit der TeilnehmerInnen folgte ein erfreuliches Phänomen: Die Bereitschaft, ja geradezu das Bedürfnis, GESICHT ZU ZEIGEN. Die verbreitete Schizophrenie politischer Aktivisten, Partei zu nehmen UND anonym bleiben zu wollen („Keinesfalls darf ich auf dem Foto erkennbar sein!“) gab es nicht.
  • Die Willenserklärung war vordergründig sehr zentriert (Frieden mit Russland – nie wieder Krieg!). WIE jemand  dazu gekommen war, wie er/sie begründete, ob er/sie in sonstigen Belangen „korrekt oder unkorrekt“ dachte, INTERESSIERTE NICHT.
  • Die Friedensfahrerinnen erlaubten sich den „Luxus“, für Frieden und Freundschaft zu sein, ohne irgendeine Art von GESINNUNGSPRÜFUNG zu akzeptieren. Um es noch krasser zu sagen: „Linke“, „Rechte“ und „alle Anderen“ durften gemeinsam für Frieden und Freundschaft mit allen Völkern sein – ein unerhörtes Ereignis in der Arena politischer Verlogenheit unserer Tage.
Ich vermerke am Rande, das beides – die genannte Zentriertheit und die (weithin geächtete („was die Mode streng geteilt!“)) Denkfreiheit – die lebhaftesten Diskussionen und anregendsten Dialoge unter den TeilnehmerInnen ermöglichte, ohne Aggressionen. Es prägte sich immer deutlicher so etwas wie ein humanistischer Umgang miteinander aus.

Hebe ich die Zentriertheit der Willenserklärung hervor, wäre es doch unzutreffend, sie als EIN-PUNKT-ERKLÄRUNG zu bezeichnen. Die Bürgerinitiative „Friedensfahrt“ ist eingebettet in eine „Geopolitik von unten“ der Wahrung und Förderung des Friedens. Insbesondere in der Petition „Frieden mit Russland ist für uns unverzichtbar“, bisher von mehr als 7000 Menschen unterzeichnet, wird in vier Punkten eine umfassend dem Frieden verpflichtete Politik Deutschlands eingefordert. Auf derselben Linie liegt die Unterstützung, die der Aufruf der Freidenker „Sagt NEIN, ächtet Aggressionen, bannt die Weltkriegsgefahr!“ bei den FriedensfahrerInnen gefunden hat.

Soviel zur Willenserklärung. Doch ihre größte Besonderheit sehe ich darin, dass sie nicht Erklärung blieb. Jeder Erklärung haftet ein Moment des Selbstgenügsamen an. Unsere Erklärung leitete direkt zur Tat über, mit der sie von Anfang an verbunden war.

Ganz profan bedeutete „Tat“ zunächst einmal Hinzufahren nach Russland. Mensch musste die Strapazen einer 4000-Kilometer-Reise auf sich nehmen. Das Geld und die Zeit musste Jeder/Jede aufbringen. Ich, Betagter, sagte mir von vornherein, dass ich unterwegs ein Minimum an Ruhe und Erholung brauchen würde – also kam für mich nur Busfahrt und Übernachtung im Einzelzimmer in Frage. Das schlug sich in Gesamtkosten von grob gerechnet 1500 € nieder. Andere, wie ich weiß, fuhren im Pkw mit und übernachteten mit Isomatte und Zelt. Sie hatten natürlich erheblich geringere die Kosten. Aber geschenkt wurde auch ihnen nichts.

Vor allem aber bedeutete „Tat“, der Welt nicht nur eine weitere kluge Erklärung zuzurufen. „Tat“ bedeutete, unser Denken und Wollen konkreten russischen Menschen zu übergeben, es mit ihnen zu teilen und umgekehrt, die Erklärungen und Äußerungen dieser Menschen anzunehmen. Was ich hier schreibe klingt hölzern: Es bedeutete in Wirklichkeit, sich in die Augen zu sehen, den anderen Menschen zu erkennen, sich wahrhaft zu berühren….

Das ist es, was sich ereignete, was uns keiner nehmen kann, was uns erfüllt und weiterwirkt  und von dem wir nach den Wegen suchen, es behütend und fördernd weiterzutragen...


Erstveröffentlichung im opablog am 23. August 2016 und 29. August 2016


Anhang – Was wollen wir?

Die Friedensfahrt von Berlin nach Moskau ist eine Bürgerinitiative zur Förderung der Völkerfreundschaft zwischen Deutschland und Russland.

Wir glauben an die Möglichkeit von Frieden trotz der offensichtlichen geopolitischen Agenda verschiedener Länder und Gruppierungen uns unseren europäischen Nachbarn Russland medial als Feindbild zu präsentieren.

Anstelle von Sanktionen, militärischen Drohgebärden oder gar Krieg setzen wir auf Kennenlernen und Kooperation zwischen den Bevölkerungen beider Staaten, um das alternativlose, höchste Gut, den Frieden, zu sichern.

Wir sind fest entschlossen, eine am Bedürfnis des Menschen orientierte „Geopolitik von unten“, im Sinne tragfähiger Friedenspolitik auf der Grundlage von Empathie und Völkerfreundschaft, selbst in die Hand zu nehmen.

Mit der Friedensfahrt setzen wir ein Zeichen und verbinden Menschen, Vereine, Städte, Firmen und letztlich zwei Völker miteinander.

Diese seitens der Menschen geschaffenen unumstößlichen Fakten der Völkerfreundschaft müssen seitens der Politik respektiert und weiterentwickelt werden.

Quelle: http://www.druschba.info/?S=Friedensfahrt_Unsere-Ziele&lang=DE


Anhang – Sieben Botschaften für den Frieden

1. Wir entschuldigen uns im Namen des deutschen Volkes für über 26 Millionen Tote, die unser Land unter der Nazi-Herrschaft im 2. Weltkrieg dem russischen Volk als unheilbare Wunde beigebracht hat. Russland trug mit seinen Kriegstoten als einzelnes Land die Hälfte allen Leides dieser historisch bislang einmaligen deutschen Aggression.

2. Wir entschuldigen uns im Namen des deutschen Volkes für unsere teilweise abgrundtief verlogenen Politiker und Medien, die das russische Volk und seine offiziellen Vertreter in der Öffentlichkeit vielfach vorsätzlich und verräterisch in ein falsches negatives Licht gerückt haben, um uns zu spalten.

3. Wir entschuldigen uns im Namen des deutschen Volkes für eine mut- und profillose Außenpolitik unserer Regierung, die das Vergehen der Ausgrenzung Russlands aus der internationalen Politik gedeckt und die aggressive NATO-Osterweiterung – entgegen allen Versprechungen im Zuge der Aushandlung der deutschen Wiedervereinigung – mitgetragen hat.

4. Wir danken dem russischen Volk im Namen des deutschen Volkes für die friedliche und faktisch bedingungslose Gewährung der Möglichkeit der Wiedervereinigung unseres Landes vor über 25 Jahren nach jahrzehntelanger schmerzlicher Teilung.

5. Wir danken dem russischen Volk und seinen Vertretern im Namen des deutschen Volkes für den bislang erstaunlich behutsamen und verzeihenden Umgang mit allen erlittenen medialen und politischen Ungerechtigkeiten, Schmähungen und Provokationen der vergangenen Jahre, ohne mit eigener Aggression die angefachten Konflikte gewaltsam zu eskalieren.

6. Wir danken dem russischen Volk und seinen Vertretern im Namen des deutschen Volkes und aller betroffenen religiösen Minderheiten für den essenziellen Beitrag zur Lösung des Syrienkonflikts, der nachweislich vom Westen und seinen Verbündeten Türkei und Saudi Arabien zur Eskalation gebracht worden ist. Wir wünschen uns in unserer multipolaren Welt eine noch zentralere Rolle Russlands in der Verhinderung und Beilegung ähnlicher Konflikte.

7. Für uns ist Frieden mit Russland und Völkerfreundschaft mit den Russen alternativlos.

Quelle: http://www.druschba.info/?S=Friedensfahrt_Botschaften&lang=DE

Online-Flyer Nr. 577  vom 31.08.2016

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