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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Veranstaltung gegen Casinokapitalismus und Krieg
Ken Jebsen in Aachen
Von Walter Schumacher

Am 12. Februar 2016 fand in Aachen im Haus der evangelischen Kirche, getragen von der Aachener Aktionsgemeinschaft "Frieden jetzt!" und dem Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Aachen, die Vortrags- und Diskussionsveranstaltung "Demokratie oder Markt? – Was kostet uns der Casino-Kapitalismus?" mit Ken Jebsen statt. Den massiven Versuchen, sie zu verhindern, haben die Veranstalter erfolgreich widerstanden. Vor dem Eingang zum Haus der evangelischen Kirche hatten Gegner von Ken Jebsen auf die Strasse geschrieben: "Antisemiten: Jebsen, Luther". Und während der Veranstaltung kam es zu Störmanövern. Die "Kritische Aachener Zeitung" (KRAZ) hat über das Ereignis berichtet. Wir geben den Artikel hier wieder – ergänzt mit Fotos und Bildunterschriften der Arbeiterfotografie.


Ken Jebsen – hört auch bei Zwischenrufen seiner Gegner konzentriert zu (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)

Ken Jebsen hat heute auf einer Veranstaltung in Aachen seine Positionen zum Thema „Demokratie oder Markt? – Was kostet uns der Casino-Kapitalismus?“ vorgetragen. Die Veranstaltung war mit 220 Zuhörern sehr gut besucht. Es gab seinen 45-minütigen Vortrag und anschließend eine 1 1/2 stündige Saal-Diskussion.

Während Jebsens Vortrag – aber auch bei allen seinen Antworten auf Fragen – gab es heftige Zwischenrufe und Störungen durch eine Gruppe, die sich selbst vermutlich als „Antifa“ versteht, die aber ihre politische Identität nicht preisgab. Durch diese Störungen wurde – leider gefördert durch Jebsens Rhetorikstil – die Stimmung im Saal extrem angeheizt, und eine mögliche differenzierte Diskussion wurde so fast unmöglich.

Vielmehr standen zwei Meinungen extrem gegeneinander:


Jebsen vertrat vehement die Forderung nach Beendigung des Kapitalismus, nach Abschaffung aller (westlichen!) Kriege, nach Bekämpfung aller rassistischen, ethnischen und religiösen Diskriminierungen. Getriggert machte er auch einen Schlenker zum Vegitarismus und einem Bekenntnis dazu. Der vom Publikum durch die Zwischenrufe mehrfach erzwungene Schlenker zum Thema „Vegetarier“ und Jebsens Bekenntnis dazu, führte letztlich zu folgendem Zitat „Solange es Schlachthöfe gibt, gibt es auch Schlachtfelder“.


Der gut gefüllte Vortragssaal im Haus der evangelischen Kirche

Die Kritiker beschränkten – abgesehen von klassischen Störmaßnahmen – ihre Beträge ausschließlich auf den Versuch der Beweisführung, dass Jebsen ein Antisemit sei, dass er Verschwörungstheoretiker und ein Populist („Popstar“) sei. Erwartungsgemäß kam es zu keinerlei inhaltlichem Disput seitens der Kritiker, weil ihr Konzept offensichtlich die Behinderung der Diskussion und nicht die Diskussion selber war.

Wirklich erstaunlich aber war, dass die Kritikerseite mit KEINEM Wort die Kriegsfrage oder die Kapitalismus-Frage aufgriffen. Wären die Kritiker im weitesten Sinn „Linke“ gewesen, dann hätte es zumindest HIER Gemeinsamkeiten geben müssen. So aber bleibt für den Beobachter der Eindruck, dass da Leute unter der Flagge eines „linken Antifaschismus“ faktisch das Geschäft der Herrschenden und deren Kriege machen wollten.

Jebsens Auftritt in Aachen

Jebsens Auftritt in Aachen war im Vorfeld innerhalb der linken Szenen äußerst kontrovers diskutiert worden. Im Netz gab es u.a. einen beinharten Verriss der Veranstaltung (siehe hier). Der kraz-Redaktion ist sowohl unklar, wer diesen Artikel geschrieben hat, noch wer sich hinter der entsprechenden Seite verbirgt. (Die/derjenige verstecken sich aber dort sicher nicht deshalb, weil der Text zu staatskritisch wäre.)

Auch Otmar Steinbicker warnt vor Jebsen-Veranstaltung (aixpaix.de). Sogar die Tatsache der Ankündigung dieser Veranstaltung in der kraz wurde (intern) kritisiert. Als dann kurz vor dem 12.2. nochmal eine Einladung über breitere linke Verteiler verschickt wurde, gab es einen heftigen Angriff. (hier als PDF dokumentiert: RG-VorfeldKritik-1) An einer weiteren Anschuldigung gegen Jebsen kann man beispielhaft nachvollziehen, WIE Denunziation von den Kritikern versucht wird (wichtig): RG-VorfeldKritik-2.

Kritiker

Vor Beginn der Veranstaltung hatten sich ca. 20 (meist junge) Leute versammelt, die Flugblätter verteilten. Einige waren von der Linksjugend/SAV, die anderen optisch wie Antifa gekleidet, aber ihre politische Struktur war unklar. Vor dem Eingang wurde mit vielen BesucherInnen rege diskutiert. In den Veranstaltungssaal selber kamen ausschließlich die „Antifa“, die konsequent das Konzept ‚Stören‘ verfolgten und der Politologe R. Gebhardt.

Statt diese Zwischenrufe und Störung zu ignorieren, heizte Jebsen dies leider durch seine Agitationsart noch weiter an. Der Moderator Groneberg bemühte sich redlich, von der  ‚Störung‘ doch noch zur ‚Diskussion‘ zu kommen. Er wollte den „jungen Leute“ die Möglichkeit für Beiträge geben. Die aber hatten daran kein Interesse, es ging um Bekämpfung von Jebsen. Herausragende Situation: die „Antifa“ durfte ihren Flyer (1 1/2 Seiten, der keine Frage sondern Beschuldigungen enthielt) komplett vorlesen. Als Groneberg dann das Mikro an Jebsen für die Antwort gab, verschwand der Fragesteller aus dem Raum! Deutlicher konnte die „Antifa“ nicht zeigen, worum es ihr ging.


Die Gegner von Ken Jebsen wollen unerkannt bleiben

Keiner der Kritiker (NIEMAND!) bezog sich in den Beiträgen oder Zwischenrufen auf das Thema Kapitalismus; kein Wort zu den Kriegen, kein Wort zu den mehreren Millionen Muslimen, die seit 2001 in den (westlichen) Kriegen getötet wurden. Und auch kein Wort zu dem Leid der (syrischen) Flüchtlinge, die aus ihrer, durch die (westlich gestützten) Terrorgruppen zerstörten Heimat fliehen mussten. Nichts! Hatte die „Antifa“ früher vielleicht noch die Kennzeichnung „links“ verdient, so war davon an diesem Abend nichts zu hören oder zu sehen!

Zu den BesucherInnen

Zu Beginn war der Raum im Evangelischen Bildungswerk teilweise überfüllt. Gekommen waren etwa 220 Menschen. Davon waren 1/4 junge Leute, die man auf sonstigen politischen Veranstaltungen (oder gar Aktionen der Friedensbewegung leider) schmerzlich vermisst. Ein anderes Viertel setzte sich zusammen aus bekannten Gesichtern von Linken bzw. der „alten“ Friedensbewegung. Der Rest war ein interessiertes, aber politisch nicht einschätzbares Publikum. Ob auch Anhänger von sehr extremen Verschwörungstheorien im Saal waren, ist unklar. Entsprechende Beiträge gab es aber nicht.

Zu Jebsens Vortrag selber

Mit Spannung wurde natürlich erwartet, ob Jebsen den Vorhersagen der Antifa entsprechen und antisemitischen Unfug, antiamerikanische Plattheiten und dann auch noch diverse Verschwörungen kundtun würde. Einen Tag später würde ich sagen: Nichts von alledem!


Ken Jebsen – argumentiert kenntnisreich und leidenschaftlich

Zu den Inhalten seiner Rede

Er stützte sich auf folgendes Gedankenmuster: Kapitalismus braucht Gewinne, die größten Gewinne erzielt man mit Rüstung, deshalb Krieg, oder … deshalb klaut man Rohstoffe. Das alles zwar ohne sachlich-logische Struktur, sondern immer in Form von Schlagworten, aber immerhin klare Bekenntnisse zu Antimilitarismus, zu Antirassismus, zu Antikapitalismus usw.. Zitat: „Ich bin ein radikaler Pazifist, ich lass mich bei 'unseren' Kriegen nicht zum Mittäter machen.“ Er greift kristallklar die Kriegstreiberei an. Er benennt eindeutig die Verursacher: die westlichen kapitalistischen Staaten!

Zur Kritik am Vortragsstil von Jebsen

Sein extrem hohes Sprachtempo und seine große Lautstärke fördern nicht das Mitdenken, sondern erzwingen unkontrolliertes Nachfolgen – oder aber Ablehnung. Er spricht frei, liest nicht ab. Er springt dabei zwischen den Themen hin und her und zieht dabei auch alle rhetorischen Register. Das macht ihn für viele zum Popstar, andere widert das an, weil sie merken, dass ihre eigene Mit-Denkmöglichkeit und Kontrolle der Argumente nicht mehr gewährleistet ist.

Er verwendet systematisch Polemik und Provokation, um sich so gegen seine Kritiker zur Wehr zu setzen. Aber dadurch heizt auch er die Stimmung auf. „Wenn Du mich für so gefährlich hältst, wieso kannst du dann nur so wenig Leute mobilisieren, um mich zu verhindern? Das muss doch schrecklich für dich sein!“

Verwirrend oftmals sein permanentes Wechseln zwischen einem „wir“ (wir sind verantwortlich ..) und einem klaren „die“ (die da oben machen …). Das führt zu Unklarheiten und erleichtert die (bewussten?) Fehlinterpretationen.

Jebsen geht auf Vorwürfe gegen ihn ein

Zu einigen Vorwürfen macht er eindeutige Rücknahmen von diversen Formulierungen. Er benennt explizit eigene (frühere) Aussagen als Fehler, weil er „damals politisch noch unerfahren und keine Kenntnis der politischen Codierung bestimmter Begriffe“ hatte. Ausdrücklich und explizit distanziert er sich auch von seiner früheren (kurzen?) Zusammenarbeit mit Jürgen Elsässer.

Die kraz will eine faire, offene Diskussion

Durch die Vorgeschichte zur Veranstaltung ist klar geworden, dass man aus dem von Jebsen Gesagten offenbar immer Verschiedenes heraushören bzw. hinein interpretieren kann. Es ist zu erwarten – aber auch zu hoffen! –, dass die „Antifa“ und insbesondere ihr Sprecher Richardt Gebhardt im Nachgang aus Jebsens Worten noch diverse Vorwürfe extrahieren werden. Wir werden diese (und weitere) Stellungnahmen sehr gerne in der kraz veröffentlichen.


Veröffentlichung in der NRhZ mit freundlicher Genehmigung der KRAZ:


Siehe auch:

Artikel vom 10. Februar 2016
Veranstaltung mit Ken Jebsen am 12. Februar 2016 in Aachen
Es wird wieder wild geschossen
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22522

Leserbriefe und Stellungnahmen zum Artikel der KRAZ:
https://kraz.ac/leserbriefe-zur-jebsen-veranstaltung-am-12-2-16-1617

Kurzvideo (Teaser) von newscan-tv:
https://www.youtube.com/watch?v=HkxhUFTRZNI

49-minütiger Video-Mitschnitt von newscan-tv (aus der ca. zweistündigen Veranstaltung):
https://www.youtube.com/watch?v=KkMRoHpVEkU

newscan-tv kommentiert den Video-Mitschnitt wie folgt:
Ken Jebsen, der Betreiber des Youtube-Kanals und der Internetplattform KenFM war eingeladen von der "Aachener Aktionsgemeinschaft Frieden jetzt", am 12.2.2016 in den Räumen der evangelischen Kirche einen Vortrag zum Thema: "Gegen Casinokapitalismus und Krieg" zu halten. Schon nach Ankündigung dieser Einladung standen sowohl der Veranstalter als auch die evangelische Kirchengemeinde als Hausherr in heftiger Kritik, man dürfe ihm keine Plattform für Vortrag und Diskussion bieten. Am Abend der Veranstaltung hatte sich dann eine Gruppe von etwa 20-25 überwiegend jugendlichen Personen eingefunden, teilweise mit Kapuzenpullovern uniformiert, die sich zwar namentlich nicht zu erkennen geben wollten, aber wohl der sogenannten Antifa zugerechnet werden dürfen. Ken Jebsen hatte der Aufzeichnung seiner Rede zugestimmt. Für den Berichterstatter gab es allerdings von Seiten des Hausherrn die Auflage, lediglich die Rede dürfe dokumentiert werden, nicht dagegen die Diskutanten im Publikum, weder im Bild noch mit Ton. Den Auflagen des Hausherrn folgend war es somit für den Berichterstatter unmöglich, Fragen, Vorwürfe und Anfeindungen aus dem Publikum zu präsentieren, zu denen Ken Jebsen Stellung nehmen sollte. Obwohl sich Newscan weitestgehend an diese Vorgaben gehalten hat, war es nicht immer möglich, jeden Zuruf aus dem Publikum herauszuschneiden. Es kann allerdings im Video der fälschliche Eindruck entstehen, Ken Jebsen habe ungestört seinen Vortrag halten können. Dies war nicht der Fall. Schon von Beginn an wurde sein Vortrag immer wieder durch heftigste Zwischenrufe unterbrochen. Auch seine Reaktionen bleiben ohne die Kenntnis der Zwischenrufe aus dem Publikum missverständlich. Vor Beginn der Veranstaltung wurde das Publikum seitens der Veranstalter ausdrücklich zu einer Diskussion ermuntert. Diese Gelegenheit blieb leider ungenutzt. Falls also durch die Auflagen für den Schnitt der Eindruck enstanden sein sollte, Ken Jebsen habe einen Monolog ohne Gelegenheit zur Diskussion gehalten, so ist dieser Eindruck falsch.

Online-Flyer Nr. 549  vom 17.02.2016

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