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Ein langer Blick zurück im Zorn
Das US-Mördersystem
Von Ulrich Gellermann

Das Land war nicht leer, als die Europäer die Gegend betraten, die heute als USA bezeichnet wird. Sechs bis sieben Millionen Menschen, im weißen Sprachgebrauch als Indianer bekannt, besiedelten einst die Weiten Nordamerikas. Ja, es gab auch Überlebende der ersten großen Landnahme, des ersten Völkermordes der USA. Immerhin wurden noch rund 300.000 Nachkommen der indigenen Stämme im Jahr 1940 gezählt. Wenn es jetzt wieder mehr sind, ist das kein Zufall. Indianer stehen dem Landraub kaum noch im Weg, denn sie zu töten bringt nicht mehr den ungeheuren Profit, den die Siedler und deren Nachfahren durch die Enteignungen mit Todesfolge habe ernten können: Fast zehn Millionen Quadratkilometer Land wechselten in einem relativ kurzen, gewaltsamen Prozess den Besitzer. Die Gründungsakte der USA ist mit Blut geschrieben.


Abzeichen der National Rifle Association (NRA)

Quelle: Wikipedia/Logo der
National Rifle Association (NRA)

 

Gewalt ist bis heute wesentlicher Bestandteil der US-Kultur: Rund 30.000 Bürger dieser Kultur starben im letzten Jahr an Schussverletzungen durch Waffen, die in den Wohnungen und Häusern lagern. In den USA befinden sich mehr 300 Millionen Pistolen und Gewehre in Privat-Haushalten. Es gibt über 50.000 registrierte Waffenhändler in den USA – fast viermal soviel wie McDonalds-Filialen. Mehr als vier Millionen US-Amerikaner sind Mitglied der „National Rifle Association“, jener Waffen-Lobby-Organisation, die mit Millionen von Dollars die Wahlkämpfe beeinflusst. Seit 1979 kamen in den Vereinigten Staaten mehr Kinder durch Schusswaffen um als US-Soldaten im Vietnamkrieg. Der Alltag der USA ist mit Blut besudelt. 

Kaum hatte die junge USA das Indianerproblem durch die weitgehende Liquidierung der nordamerikanischen Urbevölkerung zur Endlösung geführt, begriffen sich die USA erneut als Volk ohne Raum. Als erstes war das Nachbarland Mexiko dran: Am 13. Mai 1846 erklärten die USA den Mexikanern den Krieg. US-Truppen besetzten im Juli 1846 Monterey, standen im Januar 1847 im damals mexikanischen Los Angeles und eroberten Mexiko, das sich im Vertrag von Guadalupe Hidalgo gezwungen sah, den gesamten Norden, also Kalifornien, Arizona, New Mexico, Utah, Nevada, Texas und einen Teil von Colorado und Wyoming abzutreten. Weil das den USA immer noch nicht reichte, begann man den Krieg gegen Spanien. Der „Splendid Little War“ endete mit der Besetzung Kubas, Puerto Ricos, Guams und der Philippinen. Natürlich wurde er unter der Flagge der „Befreiung“ geführt, um die den Spaniern abgejagten Länder umgehend in faktische Kolonien der USA umzuwandeln. Das US-Imperium badete erneut in Strömen von Blut.

 


Zentrale der NRA in Fairfax

Quelle: wikipedia.org/wiki/National_Rifle_Association

 

Erst kurz vor Weihnachten wurden mal wieder zwei Schwarze in den USA von Polizisten umgebracht. Im vergangenen Jahr starben deutlich mehr als 1.000 Menschen durch Polizeigewalt im „Land der Freien“. Etwa vierzig Prozent von ihnen waren Afroamerikaner. Männer, Frauen, aber auch gern Kinder. Der Anteil schwarzer Todesopfer übersteigt weit den Anteil der schwarzen Bevölkerung der USA, der bei ungefähr 13 Prozent liegt. Das hat eine gewisse perverse Logik: das US-Gefängnissystem sperrt ja auch fast vierzig Prozent der schwarzen Bevölkerung ein, also etwa das Dreifache des Bevölkerungsanteils. So kann es denn nicht ausbleiben, dass die Zahl schwarzer Todeskandidaten in den Zellen der US-Gefängnis-Industrie noch über vierzig Prozent liegt. Die weiße USA führt einen Bürgerkrieg gegen die schwarze Bevölkerung. Zwar gibt es keine Gesetze zur Apartheid. Doch die Statistik der Gewalt gegen Farbige spricht eine eigene, deutliche Sprache: Umbringen oder Wegsperren ist die Devise. 

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben in den Jahren seit ihrer Gründung insgesamt 219 mal selbst Krieg geführt. Der Gewalt der Staatengründung, der Brutalität des Alltags in den USA, entspricht der Export dieser Gewalt bis in die letzten Winkel der Erde. Rund eine Billion Dollar an Rüstungsausgaben aller Art pro Jahr halten die amerikanische Wirtschaft am Laufen und sichern Millionen von Arbeitsplätzen. Allein das Verteidigungsministerium beschäftigt mehr als zwei Millionen Menschen. Im Rüstungsbereich arbeiten weitere 3,6 Millionen. Der aktuelle Rüstungsetat liegt bei 600 Milliarden Dollar. Nicht eingerechnet sind jene Milliarden, die an Israel, Ägypten, Saudi-Arabien und weitere Verbündete als Waffenhilfe fließen. So, wie die Gefängnis-Industrie Gefangene für ihren Profit braucht, so braucht die Waffen-Industrie Kriege und Tote. 

Deutsche Eliten suhlen sich in einer Freundschaft mit den offiziellen USA, die Deutschland zum Komplizen des großen Bruders macht, die den Medien eine ideologische Blindheit gegenüber den Kriegsverbrechen der Vereinigten Staate verordnet und der deutschen Politik eine ziemlich eklige Untertänigkeit auferlegt. Erst eine Trennung vom US-Mördersystem könnte den Deutschen jenen Spielraum in der Außenpolitik verschaffen, der einem souveränen Staat angemessen wäre.
 

Kommentare

Folgende Leserbriefe wurden zu diesem Artikel geschrieben:


Am 31. Dezember 2015 schrieb Hanne Hoffmeister:

Sie schreiben vom "ersten Völkermordes der USA", welcher war denn der zweite? 

Antwort von U. Gellermann:

Der Genozid in Vietnam.

Am 31. Dezember 2015 schrieb Harry Ruderisch:

Sehr geehrter Herr Gellermann,
ich lese ihre Kommentare und sie sind eine Erweiterung des eigenen politischen Horizonts. Ihre Analyse zu den USA, ist bezogen auf Gewalt und Krieg, nach meiner Auffassung zutreffend. Ihre Schlussfolgerung aber, man möge sich deshalb vom "US-Mördersystem trennen", ist aus meiner Sicht politisch naiv. Die von Ihnen vorgetragenen Aspekte lassen sich von einem anständigen amerikanischen Demokraten genauso beispielhaft für Frankreich, England, Deutschland, Italien und Holland sagen, natürlich mit gleicher Schlussfolgerung man möge sich vom „EU-Mördersystem trennen“. Denn in der EU sind auch Staaten die seit dem 19. Jahrhundert bis heute bestialische Kriege geführt haben und ganze Völker und Religionsgemeinschaften wurden von ihnen ausgerottet. Der Mord durch Krieg, Versklavung und Unterdrückung wohnt nicht den „USA-Mördersystem“ alleinig inne, sondern ist für die imperialen, kapitalistischen Staaten ein wesentliches Merkmal ihrer bisherigen Entwicklung. Allerdings mit nationalen und regionalen Besonderheiten der Mordindustrie. Bemerkenswert ist, dass die Länder die seit dem Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems von den imperialistischen Staaten angegriffen wurden, noch nie Expansionskriege geführt haben (Libyen, Iran, Syrien, Afghanistan, auch Jugoslawien). Es sollte uns gelingen, gemeinsam mit den Kriegsgegner und wirklichen Demokraten der westlichen Demokratie-Länder und der überfallenen Länder ein wirksames Bündnis gegen Krieg und Mord herzustellen. Die Bundesrepublik Deutschland mit einem Großteil ihrer politischen, wirtschaftlichen und geistigen Eliten ist integraler Bestandteil dieser Mord- und Kriegsmaschine. Wir müssen uns als von den Mördern und Kriegstreibern im eigenen Land „trennen“ und zeitgleich ein wirksames internationales Bündnis gegen Gewalt und Krieg mit den Humanisten dieser Welt herstellen.

Antwort von U. Gellermann:

Die USA sind m. E. schon ein Sonderfall: Mir fällt kein europäisches Land ein, dessen Gründung in der Neuzeit auf einem Genozid fusst. Zwar hat das Königreich Spanien einen durchaus ähnlichen Völkermord zu verantworten, aber er war nicht Teil seiner Gründungsakte. Auch die lange historische Linie der Eroberungs- und Unterwerfungs-Kriege bis heute, die den USA anzulasten ist, hat solitären Charakter. Natürlich haben Sie Recht wenn Sie schreiben, dass andere imperialistische Staaten ebenfalls Kriege und Kriegsverbrechen zu verantworten haben. Gerade Deutschland, mit seinen beiden Weltkriegen und dem Mord an den europäischen Juden, darf nicht aus der Verantwortung genommen werden. Aber die Deutschen haben in beiden Deutschländern versucht ihre historische Schuld aufzuarbeiten und sie sind seit Jahrzehnten nur noch sekundär, zumeist im Gefolge der USA, an der kriegerischen Zerstörung anderer Länder beteiligt.

An der Schwelle zu einem neuen großen Krieg, der mit einer geradezu spielerischen Bereitschaft der USA in der Ukraine riskiert wurde und in Syrien riskiert wird, scheint es mir notwendig, für einen Trennung von den USA zu plädieren. Für eine solche Politik, die zu einer Äquidistanz zu den großen Mächten führen könnte, gibt es Bündnispartner über den Kreis der erklärten Anti-Imperialisten hinaus. (PK)

 



Online-Flyer Nr. 544  vom 06.01.2016

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