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Wirtschaft und Umwelt
Polizei und RWE werden von der NRW-Landesregierung hilfsbereit unterstützt
Gegen "Ende Gelände"-Aktion im Braunkohle-Tagebau Garzweiler
Von Peter Kleinert

Die NRW-Landesregierung verweigerte am 24. September im Innenausschuss eine konsequente Auseinandersetzung mit einem brutalen Polizeieinsatz gegen eine Aktion des Bündnisses "Ende Gelände“, bei dem zehn DemonstrantInnen verletzt worden waren. Am 15. August hatten etwa 1.500 AktivistInnen im Rahmen des Bündnisses große Teile des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler stillgelegt. Mit dieser Aktion zivilen Ungehorsams hatten sie für einen konsequenten Kohleausstieg protestiert, während RWE-Mitarbeiter die mit Pfefferspray, Schlagstöcken und Einkesselungen vorgehende Polizei unterstützten. Wie Aufnahmen des WDR, Presseberichte und -Fotos beweisen, verhielten sich die "Ende Gelände"-AktivistInnen aber konsequent deeskalativ.

Braunkohle-Tagebau Garzweiler - Schaufelradbagger
NRhZ-Archiv
 
Obwohl die Zusammenarbeit zwischen Polizei und RWE klar dokumentiert und nachweisbar ist, wurde sie im Innenausschuss abgestritten und "zeigte einmal mehr die starken Verflechtungen zwischen dem Energiekonzern und der Landespolitik NRW“, so "Ende Gelände"-Pressesprecherin Mona Bricke. In der Innenausschusssitzung behauptete der NRW-Polizeiinspekteur Bernd Heinen, die Polizei sei bei ihren Maßnahmen NICHT von RWE-Mitarbeitern unterstützt worden. Auch Hinweise auf die zahlreichen Beweisvideos, die den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray sowie die Kooperation mit RWE dokumentierten, wurden dabei konsequent ignoriert. Eine politische Aufarbeitung, die von den Piraten-Fraktion im Landtag gefordert wurde, scheint so unmöglich.
 
Ziel ist offensichtlich, die öffentliche Diskussion um den Polizeieinsatz in Garzweiler so klein wie möglich zu halten. Bereits am 25. August hatte Innenminister Ralf Jäger eine parlamentarische Debatte dazu verhindert, indem er die Innenausschusssitzung vorzeitig verließ. Die Forderung von CDU und SPD, der WDR habe sich bei seiner Berichterstattung an Landesrecht zu halten und dürfe „friedliche Straftaten“ daher nicht rechtfertigen, kommt einer Pressezensur gleich. Auch die Aussage des Polizeiinspekteurs Heinen, es habe kein öffentliches Interesse am Geschehen bestanden, ist eine Beschneidung der Pressefreiheit. Heinen rechtfertigte damit den teilweise harten Umgang der Polizei auch mit JournalistInnen im Tagebau. Und SPD-Mann van den Berg behauptete, es habe „einen Überschuss an Presseausweisen“ im Tagebau gegeben und stellte damit indirekt das Recht auf eine objektive Berichterstattung am Ort des Geschehens in Frage. Zu diesem Punkt schwiegen auch die Grünen, welche sich mit kritischen Nachfragen in Düsseldorf grundsätzlich stark zurückhalten. "Gerade wenn solche Forderungen von der Landesregierung gestellt werden und die Mehrheit im Ausschuss dazu schweigt, ist eine kritische Berichterstattung, unbedingt notwendig.“, so Mona Bricke.
 
"Beim Einsatz in Garzweiler war auf Seiten der Polizei keine Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu erkennen“, heißt es in der Pressemitteilung von "Ende Gelände". "Die Polizei ging von Anfang an mit voller Härte gegen die AktivistInnen vor und verhielt sich, als ob sie es mit gefährlichen StraftäterInnen zu tun hätte. Dabei wurde völlig außer Acht gelassen, dass es sich um einen wichtigen und bereits viele Jahre andauernden gesellschaftlichen Konflikt handelt.
Die Polizei hätte auch eine Rolle als konfliktlösende Instanz einnehmen können, statt auf massiven Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken zu setzen… Die Möglichkeit einer anderen Form des Polizeieinsatzes hat die Polizei am vergangenen Wochenende bewiesen. Bei einer Förderbandblockade durch das Orchester "Lebenslaute“ im Tagebau Hambach am 23.8. hat die Polizei die AktivistInnen gewähren lassen. Verletzte gab es keine. In ihrem Bericht an den Landtag zum Einsatz im Tagebau Garzweiler am 15.8. betont die Einsatzleitung der Kreispolizeibehörde Düren dagegen, dass mit dem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt geblieben sei. An keiner Stelle des Berichts wird jedoch eine Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit der AktivistInnen und der Wahrung des Hausrechts von RWE erkennbar. Andere, weniger harte Mittel wurden anscheinend zu keinem Zeitpunkt von der Polizei in Betracht gezogen."
 
Im Zusammenhang mit der Aktion "Ende Gelände" mussten laut Polizeibericht zehn aufgrund der polizeilichen Gewaltmaßnahmen verletzte AktivistInnen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Hingegen enthält der Polizeibericht keinerlei Hinweise auf Sachbeschädigung, und weder der Bericht noch die zahlreichen Bilder und Videos zur Aktion zeigen Angriffe auf Polizeibeamte von Seiten der AktivistInnen. Dagegen erklärte ein Mitarbeiter des von RWE beauftragten Sicherheitsdienstes IWSM in der WDR-Sendung in einem Interview, dass die Gewalt eindeutig von Polizei und Sicherheitsdiensten ausgegangen sei.
 
Laut dieser Sendung wurde die Polizei in Pick-up Trucks von RWE durch den Tagebau gefahren, auch der Einsatz von Pfefferspray fand demnach von den Ladeflächen dieser Fahrzeuge aus statt. Und auch bei Ingewahrsamnahmen der DemonstratInnen in den Polizeikesseln waren danach RWE-Fahrzeuge und -Mitarbeiter beteiligt. Nach den WDR-Recherchen hat sogar der Leiter des IWSM-Sicherheitsdienstes einen der Protestierenden zu Boden gedrückt, obwohl gleichzeitig Polizeikräfte in unmittelbarer Nähe waren. Dazu Mona Bricke: „Wir halten die enge Zusammenarbeit zwischen privaten Sicherheitsdiensten, RWE-Mitarbeitern und Polizei beim Einsatz im Tagebau für äußerst bedenklich. In Nordrhein-Westfalen blieb die Nähe zwischen Landespolitik und Energiekonzernen jahrzehntelang unhinterfragt. Angesichts RWE als Europas Klimakiller Nr. 1 und der Zerstörung der Lebensgrundlage tausender Menschen in unmittelbarer Nähe der Tagebaue dürfen wir dieser Verstrickung nicht weiter tatenlos zusehen.“
 
Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion NRW im Innenausschuss: "Es ist starker Tobak, dass Minister Jäger diese Vorwürfe einfach ignoriert bzw. herunterspielt. Hat er den Ernst der Lage nicht erkannt? Dass vorgetragener Kritik am Polizeieinsatz konsequent nachgegangen würde, ist in der Realität nicht zu spüren. Wir fordern objektive Aufklärung des Sachverhaltes. NRW braucht dringend eine unabhängige Ermittlungsbehörde. Die Fehlerkultur bei der Polizei und im Innenministerium ist inakzeptabel!“ (PK)
 
Mehr Informationen können Sie von Mona Bricke erhalten: Telefon: 01577-0584656, Mail: presse@ende-gelaende.org und über "Ende Gelände" https://www.ende-gelände.org


Online-Flyer Nr. 530  vom 30.09.2015

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