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Aktueller Online-Flyer vom 19. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Umweltschutz war auf der IAA weniger wichtig als Selbstfahren und Digitalisierung
Die falschen Autos auf der IAA
Von Franz Alt

Steckdose statt Zapfsäulen! Keine röhrenden Motoren! Kein Benzingestank! Keine Klimabelastung! Elektro-Mobilität wird oft auf die Wunderwaffe Elektro-Auto verkürzt. Natürlich ist die Zukunft der Mobilität elektrisch. Denn die fossilen Energieträger gehen zu Ende und belasten Klima und Umwelt. Zudem werden sie langfristig unbezahlbar. Andererseits sind erneuerbare Energien nahezu unendlich vorhanden und fast kostenlos. Sonne und Wind schicken keine Rechnung.


Nissan Leaf, beliebtes Elektroauto in Norwegen
NRhZ-Archiv

Wer heute ein Elektroauto fährt, spart bereits 80% der bisherigen Benzinkosten. Wenn er den Solarstrom selbst erzeugt sogar bis zu 90%. An vielen Elektro-Tankstellen kann man sogar kostenlos tanken. Und dennoch ist E-Mobilität mehr als das E-Auto.
Der öffentliche Verkehr ist bereits weitgehend elektrisch. Diesen auszubauen ist wesentlich billiger als dass alle Menschen sich ein E-Auto kaufen. Hinzu kommt das Stau-Problem. Millionen Menschen, die häufig im Auto unterwegs sind, verbringen mehr Zeit im Stau als beim Sex. Ist das Lebensqualität?
Autofahren ist heilbar. Ich fahre etwa 50.000 Kilometer im Jahr mit der Bahn – natürlich elektrisch. Wenn ich in Hamburg, Berlin oder München Vorträge halte, staunen die Besucher oft, wenn ich ihnen erzähle, dass ich sie elektrisch erreicht habe. Die erste Frage heißt dann oft: „Reicht Ihre Auto-Batterie so weit?“

Öffentlicher Verkehr ist viel sicherer als das Auto

Jährlich sterben auf deutschen Straßen etwa 4.000 Menschen, weltweit sind es 1,5 Millionen. Das sind in 33 Jahren etwa so viele Tote wie im gesamten Zweiten Weltkrieg zusammen. Muss es sein, dass wir einen Krieg gegen uns selbst führen?
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe ich mindestens 50mal mehr Sicherheit als im Auto – egal ob Benzin- oder Elektroauto. Es reicht jedoch für eine wirkliche Verkehrswende nicht, dass wir 44 Millionen derzeitige Benzin-PKW in Deutschland gegen 44 Millionen E-Autos austauschen. Das Stau-Problem, durch das die deutsche Volkswirtschaft pro Jahr Milliarden Euro verliert, bleibt. Entscheidend für eine effektive und humane Verkehrswende ist der rasche Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Heute unternehmen wir 80% aller Fahrten mit dem PKW und nur 20 % mit Bahn oder Bus. Diese Relation sollte in den nächsten 20 Jahren 50:50 werden und bis 2050 zwei Drittel zu einem Drittel zugunsten des Öffentlichen Verkehrs betragen. Dann hätten wir eine intelligente und menschengerechte Verkehrswende, die diesen Namen auch verdient.
Die noch verbliebenen Autos werden dann natürlich elektrisch fahren. Auf langen Strecken wohl mit solar erzeugtem Wasserstoff und Brennstoffzellen. Und außerdem werden wir kürzere Strecken oft mit dem E-Bike zurücklegen. Vor allem Großstädter sagen schon heute oft, dass ihr E-Bike das Auto verdrängen wird.
Und wie spiegelte sich diese wirkliche Verkehrswende  auf der Internationalen Auto-Ausstellung in Frankfurt wieder?
Noch vor zwei Jahren war das bezahlbare und effiziente E-Auto das große Thema auf der IAA. Doch jetzt reden alle von Digitalisierung und selbst fahrenden Autos.
BMW-Chef Harald Krüger schwärmt: „In Zukunft wird Ihnen Ihr BMW sogar die letzten zwei Karten für die Münchner Oper anbieten, weil er weiß, dass Sie gern in die Münchner Oper gehen. Vor der Oper geht es dann fahrerlos in die Tiefgarage, weil der BMW sich selbst einen freien Platz suchen und dort einparken kann“.
Der Mann meint das tatsächlich ernst, ohne sich zu fragen: Wer braucht das und wer will das? Muss mein Auto wirklich mehr wissen als meine Frau/Mann? Diese schiere Digitalisierungs-Fixierung könnte eine teure Fehlkalkulation der gesamten Autobranche werden.
Umweltschutz ist auf der IAA weniger wichtig als Selbstfahren und Digitalisierung. Dabei dringt immer mehr in unser Bewusstsein, dass Klimaschutz die Überlebensfrage der Menschheit ist. Nicht irgendwann, sondern jetzt! Immer mehr Flüchtlinge flüchten, weil sie kein Wasser und keine gesunden Böden mehr haben, auf denen noch etwas wächst. Was muss noch alles passieren, bis auch die Autobosse begreifen, was die Zukunft von uns fordert? Ein Liter Sprit vergiftet schließlich 10.000 Liter Luft.
Bei der Entwicklung von E-Autos und Batterien dafür sind die deutschen Autobauer längst von Kalifornien, Japan oder auch China abgehängt.

Und die Politik?

Angela Merkel hatte angekündigt, dass bis 2020 eine Million E-Autos auf deutschen Straßen fahren sollen. 2015 sind es gerade mal etwas über 20.000. Es gibt hierzulande keine finanziellen staatlichen Anreize für E-Autos wie etwa in Norwegen (15.000 Euros), Japan (13.000 Euros), USA (8.000 Dollar), Frankreich oder Spanien (6.000 Euros). Die meisten Autofahrer klagen über zu hohe Preise für das E-Auto und über zu kurze Reichweiten der bisherigen Batterien. Die besten Batterien werden heute in USA, China, Korea oder China hergestellt trotz erfahrener Batterie-Hersteller hierzulande wie Bosch oder Siemens. Die Batterie-Hersteller der Zukunft heißen Tesla, Nissan, Mitsubishi und General Motors.
Die Zukunft der Autobranche entscheidet nicht das selbst fahrende Auto, sondern das intelligente E-Auto. Und die Zukunft der intelligenten Mobilität insgesamt entscheidet der rasche Ausbau des Öffentlichen Verkehrs. (PK)
Diesen Text haben wir mit Dank von der "Sonnenseite" des ehemaligen REPORT-Moderators Franz Alt übernommen: http://www.sonnenseite.com/de/mobilitaet/lohnt-sich-der-kauf-eines-elektroautos.html
 
 


Online-Flyer Nr. 530  vom 30.09.2015

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