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Inland
Das Recht auf Bildung darf Flüchtlingskindern nicht vorenthalten werden
Sozial- und Erziehungsdienste stärken
Von Thomas Klein und Peter Kleinert

Am 11. und 12. September 2015 sind die Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im EU-Parlament, des Bundes und der Länder in Wiesbaden zusammengekommen, um gemeinsam mit Marlis Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), unter anderen über die neuen Herausforderungen an das Bildungssystems, die durch die stetig wachsende Zahl der Flüchtlingskinder auf die Kindertagesstätten und Schulen zukommen und die Forderungen aus dem KITA-Streik zu sprechen.

Flüchtlingskinder beim Deutschen-Kinderhilfswerk
Quelle: dkhw.de
  
Dazu erklärt Willi van Ooyen, Vorsitzender der LINKEN-Fraktionsvorsitzendenkonferenz: „'Wir sind mehr wert‘". Unter diesem Motto haben 2015 bundesweit Hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen des Sozial- und Erziehungsdienstes für eine bessere Bezahlung und für die Aufwertung ihrer wichtigen und verantwortungsvollen Berufe gestreikt. Der darauf folgende Schlichterspruch blieb weit hinter den Forderungen zurück und fand nicht die Zustimmung der Mitglieder von ver.di und GEW.“
 
Marlis Tepe, GEW-Vorsitzende, betont: „Mit Blick auf die Haushaltsberatungen im Bundestag ist ein umfassender Zugang zu Bildung und Soforthilfen zur Unterstützung der Fachkräfte und Bildungseinrichtungen notwendig. Das Menschenrecht auf Bildung gilt für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen – ohne Ausnahme und ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus. Flüchtlinge müssen ab dem Zeitpunkt ihrer Ankunft in Deutschland Zugang zu Bildungsangeboten bekommen. Bildung ist die wichtigste Bedingung, um Integration zu ermöglichen.“
 
Viele Flüchtlinge würden dauerhaft in Deutschland eine neue Heimat finden. Deshalb müsse Bildung in den Erstaufnahmeeinrichtungen begonnen und ein schneller Zugang zu Kitas, Schulen, beruflicher Bildung, Weiterbildung und Hochschulen gesichert werden.
 
„Dafür benötigen die Bildungseinrichtungen und ihre Beschäftigten zusätzliche personelle und materielle Unterstützung. Der Haushalt 2016 kommt dieser Anforderung nicht nach“, so Marlis Tepe. Als unangemessen und unredlich bezeichnete sie, wenn kommunale Spitzenverbände berechtigte Forderungen nach einer gerechten Bezahlung einer Berufsgruppe, mit den Sorgen und Nöten von Flüchtlingen in Verbindung zu setzen versuchten. Gruppen der Bevölkerung hier gegeneinander auszuspielen, sei nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuell stattfindenden Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gefährlich.
 
Dietmar Bartsch, Stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag ergänzte: "In der Bildung liegt vieles im Argen. Besonders schlimm ist, dass bei uns Kinder aus armen Familien besonders schlechte Bildungs- und Entwicklungschancen haben. Kinder mit Migrationshintergrund betrifft das in besonderer Weise. Wenn es gelingt dies zu überwinden, dann nutzt es allen Kindern.
 
Flüchtlingskindern eine gute Bildung zu sichern, sei eine Investition in die Zukunft. Für alles das müsse Geld in die Hand genommen werden und die Länder und Kommunen dürften nicht allein gelassen werden. Auch deshalb stehe die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf der Tagesordnung.
 
„Und nicht nur an dieser Stelle ist der Bund gefragt. Mit einer steigenden Flüchtlingszahl vergrößern sich auch die Herausforderungen an das Bildungssystem“, so van Ooyen. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf. „Jedes Flüchtlingskind hat von Anfang an das Recht auf Bildung, jedes Flüchtlingskind im schulpflichtigen Alter hat das Recht auf einen Schulbesuch – auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen und somit schon vor Einsetzen der Schulpflicht, die erst beginnt, wenn die Kinder Erstaufnahmeeinrichtungen verlassen. Doch es fehlt an Plätzen und es fehlt an ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten können", hat van Ooyen erfahren.
 
„Die Kultusministerien sind nun gefragt, zeitnah gute Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer anzubieten. Nur mit intensiver Förderung würden die jungen Flüchtlinge dann den Sprung von den Willkommens- bzw. Intensivklassen in die Regelklassen schaffen. Dazu gehört auch die Mitarbeit unter anderem von Schulpsychologen. Die entsprechenden Gelder und Ressourcen müssen ohne Wenn und Aber jetzt in die Lehrerbildung und an die Schulen fließen“, so van Ooyen abschließend.
 
Jeder dritte Flüchtling ist ein Kind
 
Über Flüchtlingskinder weiß das Deutsche Kinderhilfswerk: Viele dieser Kinder sind durch Krieg und Terror aus ihren Heimatländern vertrieben worden. Es sei in unser aller Verantwortung, ihnen hier schnell ein wenig Normalität mit auf dem Weg zu geben. Dazu gehöre ganz sicher auch der Schulbesuch. Und das bedeute, die Willkommens- bzw. Intensivklassen müssten flächendeckend ausgebaut und mit gut ausgebildeten Lehrkräften ausgestattet werden.
 
Kinder verkraften Flucht und die vorangegangenen Erlebnisse noch schwerer als Erwachsene. Sie begreifen die Hintergründe nicht, wurden aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen, sind furchtsam und misstrauisch, fühlen sich ausgegrenzt und können „Gut“ und „Böse“ schwer auseinanderhalten.
 
Unbegleitete Flüchtlingskinder sind gezwungen, den Alltag allein in einem fremden Land und oftmals isoliertem Umfeld zu bewältigen. Haben die Kinder und Jugendlichen die Flucht gemeinsam mit Angehörigen geschafft, fehlt diesen – erschöpft und seelisch schwer verstört – oft die Kraft, sich ausreichend zu kümmern. Hinzu kommt die zermürbende Situation, manchmal monatelang auf die Entscheidung im Asylverfahren warten zu müssen.
 
Insgesamt sind mehr als ein Drittel aller Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, Kinder. Das sind bei geschätzten 800.000 Flüchtlingen, die 2015 nach Deutschland kommen, knapp 267.000 Kinder.(19) Wir alle sind aufgerufen, ihnen zu helfen.
 
Besondere Fürsorge notwendig
 
In der Kindheit bilden Kinder ihre Identität, entwickeln ihre Persönlichkeit, lernen Selbstbewusstsein und Stärke. Wer in dieser Lebensphase extreme Ängste durchleben und grausame Erfahrungen machen muss, braucht besondere Obhut. Flüchtlingskinder brauchen spezielle Fürsorge und nachdrücklichen Schutz in Deutschland. Dazu gehört auch der Schulbesuch von Flüchtlingskindern. Denn ein Kind, das jahrelang nicht in die Schule geht, wird die dadurch entstandenen Bildungslücken nie wieder aufholen können. Bereits rund 170.000 Flüchtlingskinder in Deutschland sind schulpflichtig, das heißt: In jede zweite Schulklasse in Deutschland kommt ein Flüchtlingskind.
 
Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention garantiert Flüchtlingskindern das Recht auf Bildung und Chancengleichheit. Jedoch ist der Schulbesuch in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Das ergibt bei 16 Bundesländern 16 Schulgesetze und ebenso viele Verwaltungsvorschriften, die auf teils sehr unterschiedliche Weise den Zugang der Flüchtlingskinder zu Bildung regeln. (2)
(PK)
 
 
(1) Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(2) www.dkhw
 


Online-Flyer Nr. 528  vom 16.09.2015

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