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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Keine Terrordemagogie kann die Massaker des Staates in Kurdistan reinwaschen
AKP-Regierung lässt die Maske fallen
Von Gürsel Mahallesi und Peter Kleinert

Nach dem langwierigen, einseitigen Friedensprozess und der breit angelegten Wahlkampagne, an der sich nahezu die gesamte Linke in der Türkei beteiligte, lässt nun die AKP Regierung ihre Maske endgültig fallen und veranstaltet einen offenen Krieg mit ihren politischen GegnerInnen. Zum jüngsten Massaker in Sirnak-Silopi (Kurdistan) verfasste das "Anwaltsbüro des Volkes" eine Erklärung, in der es über die Legitimierung von Massakern des Staates mittels "Terrordemagogien" spricht. Darüber hinaus hat die Redaktion weitere Informationen zu Übergriffen des türkischen Staates erhalten.

Makbule Özarslan, Mutter der ermordeten kurdischen Volksfront-Aktivistin Günay Özarslan
Quelle: Anwaltsbüro des Volkes
 
Im Bezirk Silopi in Sirnak üben die bewaffneten Kräfte des türkischen Staates mit dem Vorwand, eine "Operation gegen die separatistische Terrororganisation" zu führen, zügellosen Terror gegenüber unserer kurdischen Bevölkerung aus. Bisher sind dabei der 17-jährige Mehmet Hidir Tanboga, der 58-jährige Hamdin Ulas und der 27-jährige Kamuran Bilin ums Leben gekommen, und es wird von Dutzenden Verletzten, mitunter 7-jährigen Kindern berichtet.
 
Menschen werden von Scharfschützen vor ihren Haustüren niedergeschossen, sie werden mit Gewehrläufen vergewaltigt, Häuser werden in Brand gesteckt, Ambulanzfahrzeuge unter Beschuss genommen, medizinische HelferInnen bedroht und verprügelt, Kameras, auf denen diese Verbrechen festgehalten werden, werden beschlagnahmt und Beweise vernichtet, Aus- und Zufahrten zu Krankenhäusern werden behindert. Ein absoluter Terror.
 
Das Gouverneursamt von Sirnak hat das Massaker im Bezirk Silopi damit begründet, "Leib und Leben seiner BürgerInnen und die öffentliche Sicherheit zu bewahren".
 
Wir fragen: Wer sind diese BürgerInnen, die Ihr schützt? Von welchem Leib und Leben, von welcher Öffentlichkeit sprecht ihr, wenn ihr mordet, niederbrennt, Menschen mit Gewehrläufen vergewaltigt und die Ambulanzfahrzeuge unter Beschuss nehmt?
 
Es liegt auf der Hand: Eure Absicht ist nicht die, die ihr zu verfolgen vorgebt. Ihr wollt damit sagen, "Ich töte, vergewaltige, brenne eure Häuser nieder, aber niemand kann dagegen etwas unternehmen". Und das, indem ihr mit eurer Erklärung offen eure Lüge zugebt.
 
Bei einer Razzia im Viertel Gazi ist der Hausbesitzer gekommen, als er erfuhr, dass die Tür von seinem Haus gerade von Polizisten aufgebrochen wurde und sagte: "Hört auf, brecht die Tür nicht auf. Ich habe einen Schlüssel, ich öffne die Türe." Die Antwort der Polizei war "Nicht nötig, wir brechen sie auf". Die im Namen des Gesetzes von der Polizei umgesetzten Hausdurchsuchungen, werden dazu genutzt, um auf noch offenere Weise Angst, Einschüchterung und Repression auszuüben.
 
In Dersim wurden Dörfer entleert und jene, die ihr Land nicht verließen, wurden gezwungen Protokolle zu unterschreiben, in denen es hieß: "Mir wurde mitgeteilt, dass die Sicherheit für mein Leben nicht gewährleistet ist", obwohl dies überhaupt nicht der Tatsache entspricht.
 
Menschen, die unter einer derartigen Bedrohung leben müssen, wurden zur Zielscheibe des Staates erklärt. Darüber hinaus wurde einer unserer Anwaltskollegen vor dem Gericht mit Pfeffergas angegriffen, was nichts anderes bedeutet als den Entzug des Rechts, eine Presseerklärung abzuhalten und darauf zielte, willkürlich gegen alle Teile der Gesellschaft vorzugehen und deren Rechte durch Einschüchterung zu entziehen. Zügellose physische Repression und Gewalt geht Hand in Hand mit "justiziell" erzwungenen Verhaftungen/Festnahmen.
 
"Der AKP-Faschismus, der mit Lügen, Demagogie, Terror und Massakern regiert, ließ während einer Presseerklärung am 20. Juli in Suruc mitten in der Menschenmenge eine Bombe explodieren und tötete dabei 31 unserer Menschen," so einer der Rechtsanwälte.
 
Die AKP habe mit diesem Massaker offen verkündet, dass sie ihr "Regiment" vorwiegend mit terroristischen Methoden fortsetzen wird. Sie habe den Krieg gegen die Bevölkerung auf ein höheres Level gebracht. Mit einem Beschluss, der in Folge auf ihr "Sicherheitstreffen" gefasst wurde, fanden gleich am nächsten Tag, in zahlreichen Städten der Türkei gleichzeitig "Terroroperationen" statt, welche von den bürgerlichen Medien legitimiert wurden und bei denen allein in Istanbul 5.000 Polizisten im Einsatz waren.
 
Mit der Ermordung der Revolutionärin Günay Özarslan im Zuge dieser Operationen wurde der AKP im Gegenzug zur bedingungslosen Loyalität zum US-Imperialismus genehmigt, "den Anfang einer anderen Periode" zu verkünden.
 
Bei den tagelangen Auseinandersetzungen um den Leichnam der kurdisch-stämmigen Günay Özarslan (Halk Cephesi-Volksfront), die während landesweiten Razzien in einem Familienhaus in Istanbul von der Polizei hingerichtet worden war, wurde das Alevitische Zentrum (Cemevi) im Stadtteil Gazi ständig mit Gasbomben beworfen, teilten die AnwältInnen der CHD mit.
 
Der tagelange Widerstand, den Mitglieder der Volksfront und die Bevölkerung in Gazi geführt hätten, um den Leichnam von Günay Özarslan - der 2 Tage lang im Alevitischen Zentrum (Cemevi) aufgebahrt wurde – um sie nach ihrem Wunsch beizusetzen, habe das gewaltsame Regime um Recep Tayyip Erdogan ein weiteres Mal entblößt.
 
Diverse Alevitische Vereinigungen sowie die Vereinigung Progressiver JuristInnen (CHD) äußerten ebenfalls harte Kritik zu den Angriffen auf das Alevitische Glaubenszentrum in Gazi.
 
Bereits am Morgen des 27. Juli hätten die Alevitenvereine "Alevi Bektasi Föderation", die "Anatolische Kulturstiftung Haci Bektasi Veli", der "Kulturverein Pir Sultan Abdal" sowie der Alevitische Kulturverein Hubyar Sultan" vor dem Istanbuler Gouverneursamt "Klarheit darüber geschafft, dass sie im Bezug auf die Angriffe versucht hätten, mit den verantwortlichen Stellen Kontakt aufzunehmen, dass die Angriffe jedoch zu einer "Massakerübung" ausgeartet seien".
 
Auch die Abgeordneten der Republikanischen Volkspartei (CHP) Aykut Erdogdu und Hilmi Yarayici sowie der Vertreter der HDP, Ali Kenanoglu, nahmen an der Presseerklärung teil, bei der schließlich eine Delegation zum Gespräch mit dem Gouverneur gebildet wurde.
Am Montag davor hatten sich auch die Anwälte der CHD vor dem Caglayan Gericht versammelt, um Anzeige gegen die Polizeiangriffe zu erstatten. Doch auch sie blieben von den Übergriffen der "Sicherheits"kräfte nicht verschont. Die Anwälte erklärten, dass sie von der Polizei mit Schildern abgedrängt wurden und ihrer Kollegin Ebru Timtik von einem Beamten sogar die Tasche entwendet wurde.
 
Allen voran berichteten die JuristInnen über die Art und Weise wie ihre Mandantin Günay Özarslan ermordet wurde, und betonten, dass die angeblichen "Operationen gegen den IS" mit Methoden des Ausnahmezustandes in Wahrheit gegen die revolutionäre Linke und gegen sozialistische Kreise gerichtet seien.
 
Nachdem die Anwälte erneut bekräftigt hatten, dass es keine Auseinandersetzungen mit Günay Özarslan gab, sondern dass diese regelrecht hingerichtet wurde, dass die Beweise an Ort und Stelle verdunkelt und die Geschosse sofort eingesammelt wurden, sprach auch die Mutter der Ermordeten, Makbule Özarslan öffentlich.
 
Sie berichtete, dass ihre Tochter und deren GenossInnen "5 Tage lang in Gas ertränkt" wurden, dass "Wasserwerfern chemische Substanzen beigemengt wurden, welche Verbrennungen auf der Haut auslösten" und dass "zahlreiche Jugendliche bei den Angriffen verletzt" wurden.
 
Dieser Zustand widerspiegelt keine Regierungsfähigkeit, sondern Regierungsunfähigkeit der AKP. Es bedeutet Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit, Mangel an Selbstvertrauen. Wir möchten daher zum Ausdruck bringen, dass es möglich ist, diese Angriffe des Faschismus, der aus diesem Grund seinen brutalen und blutigen Charakter durchscheinen lässt, durch Widerstand zu vereiteln. Es ist nicht möglich, dabei zuzusehen, wie unsere Rechte und Freiheiten durch Staatsterror beschnitten und geraubt werden, während wir erwarten, dass unsere Errungenschaften vergrößert werden.
 
Wir verurteilen alle Angriffe, die sich - angefangen bei unserer kurdischen Bevölkerung in Kurdistan - gegen die Volkskräfte richten. Wir geben bekannt, dass wir uns unter allen Umständen auf der Seite unserer Völker befinden.
 
Der Kampf zum Schutz der eigenen Existenz und für das Überleben im Terror des Staates ist legitim und berechtigt. Davon kann nicht abgewichen werden. Keine Schicht des Volkes kann zum Schweigen und zur Kapitulation verurteilt werden.
Früher oder später werden jene, die im Recht sind und für ihr Recht kämpfen, siegen.

Am Ende der Mitteilung des Anwaltsbüros kann man folgende Zeilen lesen:
 
"NIEDER MIT DEM FASCHISMUS, NIEDER MIT DEM IMPERIALISMUS!
ES LEBE DER KAMPF DER VÖLKER!
KURDISTAN DEM KURDISCHEN VOLK!
WIR WERDEN UNS NICHT AN DIE STAATLICHEN MASSAKER IN KURDISTAN GEWÖHNEN!
WIR WERDEN NICHT VERGESSEN UND NICHT VERGEBEN!
HALKIN HUKUK BÜROSU (Anwaltsbüro des Volkes)" (PK)
 
Gürsel Mahallesi Kumlu Sokak No: 4/10 Kağıthane/İstanbul
e-mail: halkinhukuk@gmail.com
Tel/faks 0212 296 31 59
 


Online-Flyer Nr. 523  vom 12.08.2015

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