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Globales
„Bolloré hat uns den Boden genommen und nimmt uns jetzt unsere Freiheit“
Landgrabbing der Luxemburger SOCFIN
Von Georges Hallermayer

Während die imperialistische Propaganda – allen voran die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton – nicht aufhört, mit der Methode „Haltet den Dieb!“ China des Landgrabbings zu bezichtigen, schreitet die Enteignung ganzer Landstriche durch multinationale Unternehmen in Afrika fort. So hat der US-Multi AgrisolEnergy mit 325.077 ha im Westen von Tansania ein Gebiet, das so groß ist wie die beiden benachbarten Staaten Ruanda und Burundi zusammen. Während dieser Vorwurf in Richtung China empirisch widerlegt ist – nur 8 Prozent des in ausländischen Händen befindlichen afrikanischen Bodens gehören chinesischen Unternehmen – beuten US-amerikanische Multis das Dreifache aus.

Demonstration gegen SOCFIN in Kamerun
Quelle: http://www.socfin.com/Public/ProductSummaryPage.php?ID=1053
 
Auch europäisches Großkapital krallt sich afrikanisches Agrarland. Allen voran SOCFIN, früher Socfinal, ein in Luxemburg ansässiges, mit der Schweiz und Belgien verschachteltes internationales Unternehmen. Seit Luxleaks wissen wir warum. Über SOCFINASIA - in Kambodscha und Indonesien - und SOCFINAF - in der RD Congo (17.000 ha), in Nigeria (15.700 ha), Ghana, Liberia (13.600 ha), Cote d’Ivoire (23.300 ha), Sierra Leone (9.000 ha) und Kamerun (52.500 ha) - betreibt der multinationale Krake Kautschuk- und Palmen-Plantagen für Gummi und Biosprit in Europa. Dazu raffen LAC, SAC, SOGB, OKUMU, AGRIPALMA und wie die afrikanischen Töchter von SOCFIN auch heißen, immer mehr Land an sich. Im Jahre 2014 beuteten sie Ölpalm- und Kautschuk-Plantagen auf 108.465 Hektar aus, 2011 waren es noch 87.303 ha. Im europäischen Feudalismus hieß das noch „Bauernlegen“. Aber heute werden in Afrika und Asien die Kleinbauern in Massen von ihrem Land vertrieben.
 
Wie SOCFIN vorgeht, hat in Sierra Leone die lokale ONG MALOA angeprangert. Seit 2011 hatte SAC (Socfin Agricultural Company) 6.500 ha von der Regierung (unter)gemietet, wie blieb im Dunklen. Eine Einwilligung der Grundeigentümer, der Dorfgemeinschaften, und der Bauern, vor allem Frauen, wurde nicht gesucht. Über 10.000 Menschen in 40 Dörfern und ihre Nachkommen wurden praktisch enteignet. SAC speiste sie einzeln mit Unterstützung der Regierung wie der lokalen Behörden ab: „Entweder ihr nehmt das Geld oder ihr verliert das Geld und das Land.“ Bei der Landvermessung wurden sie zudem übers Ohr gehauen, allein ihre Baumbepflanzung zählte, nicht ihr zum eigenen Überleben bebautes Ackerland. SAC zahlte 250 US-$ für jeweils 60 Palmen. Die Bewohner konnten nicht mehr von ihrem Boden leben, und mussten sich wie Sklaven als Plantagenarbeiter verdingen. Davon abgesehen, dass sie von den Stätten ihrer traditionellen Riten ausgeschlossen sind, keine medizinischen Pflanzen mehr sammeln können, verbreitete sich die Prostitution. Und Eltern nahmen ihre Kinder, Töchter zuerst, von der Schule, weil sie das Schuldgeld nicht mehr bezahlen konnten. Vor eineinhalb Jahren hat man sechs Mitglieder von MALOA, darunter einen Abgeordneten, aufgrund einer „gekauften“ Zeugenaussage eingesperrt, um die Proteste zu „befrieden“.
 
Auch in Kamerun, wo sich Safa Cameroun auf 8.800 ha und Socapalm und Safacam auf über 43.700 ha ausbreiten, formierte sich Widerstand. „Dieser Boden wurde uns gestohlen. Wir nehmen ihn jetzt zurück“, erklärte Michel Essonge, einer der 6.000 betroffenen Kleinbauern. Die von ihrem Land vertriebenen Bauern besetzten Plantagen, rissen Palmen aus und blockierten die Eingänge der Werkshallen. „Die Bevölkerung ist zornig“ sagte Emmanuel Elong, der Vorsitzende der „Alliance Internationale des riverains des plantations Socfin Bolloré“, („Internationale Allianz der Anwohner der Socfin Bolloré Plantagen“). Am 16. März schrieb die Alliance einen Brandbrief an Hubert Fabri, den Präsidenten der Socfin-Gruppe, der die Forderung an den Konzern, Verhandlungen aufzunehmen, mit Schweigen überging.
 
Am 27. Mai hielt die SOCFIN-Gruppe und am 4. Juni die Bolloré-Gruppe ihre Heerschau, sprich Aktionärs-Hauptversammlungen ab. Die Luxemburger Holding wies „natürlich“ alle Vorwürfe zurück, sie stehe für „sozialen Fortschritt“, bedroht aber zur gleichen Zeit vor Ort in Afrika Demonstranten mit der Staatsmacht. Multimilliardär Bolloré – Herr über mehrere Containerhäfen, Tausende von Kilometer-langen Eisenbahnstrecken und Autobahnen in Westafrika – mit 38,75 Prozent der Hauptaktionär von SOCFIN, wäscht wie Pontius Pilatus seine Hände in Unschuld. Die Verschachtelung des Konzerns erweist sich politisch opportun: Er habe keinen Einfluss auf die Tagesgeschäfte. Und bei seinem Besuch letzten Herbst in Kamerun verweigerte er Gespräche. 
 
Aber die Kameruner sind nicht allein. Die ONG ReAct bringt die Kleinbauern zusammen. Tausende Bauern demonstrierten aus der gleichen Not heraus in den Plantagen von SOCFIN in Liberia, Cote d’Ivoire und in Kambodscha. Die Bauern fordern ihr Recht ein und wollen die Rückgabe ihres Landes. Damit ihre Verhandlungen mehr Gewicht bekommen, haben sie eine internationale Unterschriften-Kampagne gestartet, auch um ihren eingesperrten Gefährten in Liberia und Kambodscha aus dem Gefängnis zu helfen. "Es liegt an uns, sie zu unterstützen, unterschreiben wir wenigstens auf https://www.sauvonslaforet.org/petitions/1002/bollore-a-pris-nos-terres-et-maintenant-notre-liberte." (PK)
 
 
Georges Hallermayer ist Historiker, mit Berufsverbot verhinderter Gymnasiallehrer, hat 30 Jahre lang internationalen Führungskräften Deutsch beigebracht, lebt seit 20 Jahren in Frankreich in einer bikulturellen Familie und ist Mitglied im Vorstand der Marx-Engels-Stiftung.
 

 


Online-Flyer Nr. 518  vom 08.07.2015

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