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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Globales
Gilad Atzmon im Gespräch mit Dr. Milena Rampoldi von der Webseite ProMosaik
Der Schabbes Goy
Von Gilad Atzmon

Die deutsche Menschenrechtsaktivistin Dr. Milena Rampoldi, die Frau hinter der pro-palästinensischen Website www.promosaik.com, deren Vorstandsvorsitzende sie auch ist, wurde letzte Woche zur Zielscheibe unschöner Schikane. Überraschenderweise ging diese allerdings nicht von Zionisten, Hasbara-Aktivisten oder Mossad-Agenten aus, sondern von einem „Unterstützer“ der Palästinenser, von Schabbes Goy, einem Nicht-Juden, der jedem Wunsch der Juden schmeichelt, vor allem in der Politik. Das folgende Interview von Gilad Atzmon, einem britischen Jazzmusiker, politischen Aktivisten und Autor satirischer Romane israelischer Herkunft, dessen Erstveröffentlichung Sie hier exklusiv lesen können, ist ein Armutszeugnis für unsere „Denkpolizei“, denn es zeigt das Ausmaß ihrer Verzweiflung. Die Kultur der Stalinschen Säuberung, die symptomatisch für die jüdische Linke ist, und ihr Netzwerk der Schabbes Goyim erwiesen sich einmal mehr als Misserfolg. Die Wahrheit kann auf Dauer nicht unterdrückt werden, sie kommt nicht einmal nur tröpfchenweise zu Tage, sie bricht geradezu hervor.
 

Der Schabbes Goy
Quelle: Gilad Atzmon
Gilad Atzmon: Frau Dr. Rampoldi, Sie sind in letzter Zeit politisch unter großen Druck geraten. Die treibenden Kräfte dahinter scheinen sich selbst als Antizionisten und pro-palästinensische Unterstützer zu sehen. Wissen Sie, wer diese Leute sind und was sie fordern? Warum haben sie ihre Stimme gegen Sie erhoben?  
Dr. Milena Rampoldi: Zensur ist immer das Ergebnis einer Kombination aus Angst und dem Gefühl, zu etwas berechtigt zu sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich – als Chefredakteurin von www.promosaik.com – zensiert werden würde. Unsere Zeitschrift ist relativ klein. Wir kämpfen für Frieden und Menschenrechte. Wir setzen uns für verschiedene Themen ein, nicht nur für Palästina. Wir konzentrieren uns auf den Kampf gegen Rassismus und Islamophobie und stehen für interkulturelle und interreligiöse Empathie. Als Muslimin und Menschenrechtsaktivistin liegt mir Palästina aber in der Tat besonders am Herzen.


Dr. Milena Rampoldi bei Promosaik
NRhZ-Archiv
Mein Gespräch mit Ihnen war das letzte in einer Interview-Reihe zum Thema Antizionismus, Israel und Palästina. In der Einführung warf ich die Frage auf, warum Ihre Position in dem Kontext des Dissenses gegen den Zionismus und Israel einzigartig ist. Ich habe mich gefragt, ob Ihre Argumente deswegen provozieren, weil sie über den gewöhnlichen Zionismus/Antizionismus-Diskurs hinausgehen; schließlich kritisieren Sie ja beide Seiten gleichzeitig.

Gilad Atzmon
Quelle: Gild Atzmon
 
Gilad Atzmon: Das ist ganz einfach. Ich befasse mich mit der Politik der jüdischen Identität. Für mich sind Zionismus und der jüdische Antizionismus von ihrer Natur und Taktik her ähnlich, denn sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide sind eine Gilad Atzmon-Weiterführung derselben exzeptionalistischen Ideologie und Kultur.
 
Dr. Milena Rampoldi: Ich wollte eine Debatte entfachen, die die Leute dazu motiviert, uns zu schreiben, und einen offenen ideologischen, spirituellen und ethischen Austausch erzeugt. Ich stimme nicht mit allem, was ich publiziere, oder allem, was Sie sagen, überein. Wenn ich nur das publizieren würde, was auch meiner persönlichen Meinung entspricht, wäre das Versprechen, eine mosaikähnliche Meinungsvielfalt zu vertreten, eine glatte Lüge. Kaum hatten wir Ihren Artikel auf unsere Website gestellt, wurde ich von E.A., dem Chefredakteur einer etablierten deutschen, pro-palästinensischen Online-Zeitschrift und Verfasser zahlreicher Artikel über Palästina, heftig angegriffen. Er war ein sehr wichtiger Partner für uns, weil er sehr viele unserer Artikel auf seiner Website publizierte.
 
Gilad Atzmon: Frau Rampoldi, ich verstehe, dass Sie E.A. nicht namentlich nennen möchten. Es wäre aber unsinnig, unseren Lesern seine Identität vorzuenthalten. Der Mann, der Sie kontaktiert hat, ist der pro-palästinensische Aktivist Erhard Arendt, den manche auch unter dem Spitznamen Schabbes Goy kennen.(1)
 
Dr. Milena Rampoldi:Ja, das stimmt. Seine Zeitschrift ist für den Erfolg meiner Arbeit von zentraler Bedeutung, weil wir relativ klein sind und mehr Leser erreichen müssen.
 
Gilad Atzmon: Können Sie uns den Namen der Zeitschrift sagen? Lassen Sie sich von diesen Leuten nicht einschüchtern. Den Täter namentlich bekannt zu machen ist Ihre Versicherung.
 
Dr. Milena Rampoldi: Die Zeitschrift heißt „Palästina Portal“ und ist in Deutschland sehr bekannt. Erst sagten sie, dass sie ab sofort nichts mehr von ProMosaik veröffentlichen werden und dass ich – wenn ich weiterhin unabhängig veröffentlichen wolle – die Konsequenzen dafür tragen müsse. Immer wieder warfen sie mir vor, dass ich nicht verstehen würde, worum es den israelischen Palästinensern ginge. Das hat mich sehr getroffen – erstens weil ich Ihr Anliegen sehr wohl verstehe und zweitens, weil ich mich durchaus für einen intelligenten Menschen halte. Sie bestanden darauf, dass ich alle Ihre Beiträge von unserer Website nehme. Ich habe mich teilweise darauf eingelassen, weigerte mich aber, die englische Version des Interviews vom März aus dem Netz zu nehmen.
Zu dem Zeitpunkt wollte ich die Lage einfach entschärfen. Das war ein großer Fehler meinerseits und ich bereue es. Die deutsche Übersetzung unseres Gesprächs habe ich entfernt, genauso wie einen sehr positiven Kommentar über Ihre Arbeit von der bekannten jüdischen Autorin und Publizistin Evelyn Hecht-Galinski. Meine ursprüngliche Absicht war nicht, Sie zu verherrlichen, sondern eine Debatte mit möglichst vielen Stimmen anzuregen.
Herr Arendt „riet“ mir außerdem dazu, diesmal telefonisch, die wunderbare Pazifistin Johanna Heuveling von der Website zu nehmen. Ich mag sie sehr, obwohl ich – und hier wiederhole ich mich – nicht immer ihrer Meinung bin. Ich mag ihren Versöhnungsansatz und ihre Friedensarbeit für Palästina. Herr Arendt nannte sie „eine Kollaborateurin der Israelis“, was einfach nicht stimmt. Dann habe ich Erhard Arendt gefragt, wie es jetzt weitergehen würde. Da merkte ich, dass er sich Schritt für Schritt meiner Funktion ermächtigte.
Am nächsten Tag ging die Schikanierung weiter. Arendt war noch nicht zufrieden. Er war verärgert, dass Gilad Atzmon noch nicht vollständig von der Seite verschwunden war. Unser Interview auf Englisch war immer noch zu sehen. Zudem behauptete er, dass auch andere Posts, unter anderem von Paul Eisen, Spuren Ihres Gedankenguts enthielten. Paul ist ein geschätzter Kollege von mir und ich lese seine Beiträge regelmäßig. Er ist ein Freund von Ihnen. Na und? William Hanna ist auch ein Fan von Ihnen.
 
Paul Eisen im Gespräch mit Gilad Atzmon: https://www.youtube.com/watch?v=5fOJbWtmBFE
 
Und wieder drohte Erhard Arendt mir, meine Beiträge nicht mehr zu veröffentlichen. Ich habe dummerweise gemacht, was er sagte, aber seine Schikane ging immer weiter. Beiträge von Ihnen zu veröffentlichen, das wäre wie „Göbbels zu veröffentlichen“, sagte er. Er nannte Sie einen „Nazi“. Es war abscheulich und falsch. Ich denke, Sie sind Jude und haben das Recht, Ihre jüdische Identität zu hinterfragen.
 
Gilad Atzmon: Ich bin kein Jude, aber Goyim haben genauso das Recht, die jüdische Identität, Politik und Kultur zu hinterfragen.
 
Dr. Milena Rampoldi: Sie haben das Recht, das zu sagen, aber trotzdem hat das nichts mit Nazismus zu tun. Den Nazi-Stempel konnte ich auf keinen Fall akzeptieren. Ich erklärte Arendt, dass ich die deutsche Übersetzung nur deshalb aus dem Netz genommen hatte, weil ich befürchtete, dass das Interview fälschlicherweise als Holocaustleugnung ausgelegt werden könnte, und weil ich wollte, dass er meine Artikel weiterhin veröffentlichte. Das möchte ich an dieser Stelle noch mal betonen: Ich leugne den Holocaust nicht. Ich fühle mit den Menschen, die im Holocaust ihre Verwandten verloren haben. Für mich ist Anne Frank ein Symbol jüdischen Leidens.
Ich siedle mich selbst im linken Flügel an und engagiere mich für eine sehr viel buntere Linke. Es war furchtbar für mich, meine Grundsätze über Bord zu werfen. Gleichzeitig nahm ich an, dass Sie Verständnis für meine Position aufbringen würden, was ja auch der Fall war. Ich entfernte einen Kommentar von Hecht-Galinski über das Interview, weil er „zu positiv“ war. Die ganze Geschichte machte mich langsam krank. Ich hatte das Gefühl, als Mensch und Denkerin herabgesetzt zu werden.
Und die Krise ging noch weiter. Arendt machte mich glauben, die gesamte antizionistische Bewegung hätte sich gegen mich gewandt. Das machte mich traurig, weil ich die Leute, die ich interviewe und mit denen ich zusammenarbeite, wirklich sehr mag; vor allem zwei ältere Damen, die geschätzte Felicia Langer und die großartige und tapfere Ellen Rohlfs, die ich für eine glänzende Dichterin halte. Arendt versuchte mir einzureden, dass Felicia Langer sich gegen mich wenden würde, weil sie in mir eine Holocaustleugnerin sehen würde.
Dann erkannte ich, dass ich nicht alleine dastand. Ich sprach mit dem jüdischen kommunistischen Schriftsteller und Publizisten Giuseppe Zambon. Ich fragte ihn, ob die Veröffentlichung eines Interviews mit Atzmon tatsächlich eine schlechte Idee wäre. Zambon war sehr hilfsbereit und sagte mir, dass es egal wäre, ob ich Atzmons Meinung bin oder nicht; ich solle mich auf keinen Fall darauf einlassen, ihn von meiner Website zu nehmen; die Meinungsfreiheit sei die wichtigste politische Waffe überhaupt. Der Kampf ist für
Palästina, nicht gegeneinander.
Diese ganze Geschichte, das ganze Taktikspiel und das anstandslose Verhalten hatten mich verletzt. Es gibt Leute, die gegen mich sind – das kann ich akzeptieren. Aber ich bin ein ehrlicher und aufrichtiger Mensch. Wenn ich einen Fehler mache, entschuldige ich mich. In diesem Sinne möchte ich mich für mein Verhalten in dieser Sache bei Ihnen entschuldigen.
 
Gilad Atzmon: Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen. Wenn die Zionisten und deren Gehilfen aufhören, mich und meine Unterstützer zu jagen, ist meine Rolle als Whistleblower zu Ende. Dann werde ich mich still und leise zur Ruhe setzen. Aber bis es soweit ist, finde ich es ziemlich unterhaltsam, wie viel Angst ich bei diesem Haufen von heimlichen Zionisten und antizionistischen Zionisten verbreite.
 
Dr. Milena Rampoldi: Ich denke nicht, dass es um Antizionismus, Zionismus oder eine andere Ideologie geht. Bestimmte Leute sehen Sie als ein Hindernis und wollen Sie mundtot machen. Es passt ihnen nicht, dass Sie ein Star sind und die Wahrheit ans Licht bringen.
 
Gilad Atzmon: Damit habe ich kein Problem. Ich bin gerne ein Hindernis.Ich habe oft das Gefühl, dass die Leute versuchen, jemandes Gedanken zu manipulieren. Nicht nur Antizionisten. Gerechtigkeit und Meinungsfreiheit – dafür würde ich sterben.
In unserer Mitte gibt es schon seit einer ganzen Weile eine kontrollierte Opposition. Unsere erste Herausforderung ist, die schädliche Struktur freizulegen, die uns daran hindert, uns unsere Meinung selbst zu bilden und offen auszusprechen. Wenn man sich für Palästina und für Gerechtigkeit einsetzt, begibt man sich automatisch in eine Schusslinie. Ich mache das jetzt schon eine ganze Weile; ich bin ziemlich gut darin und manchmal macht es mir sogar Spaß. Aber diese Rolle eignet sich nicht für jeden. Schließen wir das Thema ab. Wie geht es jetzt für Sie weiter? Sie scheinen besser gelaunt zu sein denn je, was erfreulich ist.
 
Dr. Milena Rampoldi: Ich werde mich mit der Koexistenz von Juden und Türken im Istanbul des 19. Jh. befassen. Ich bin davon überzeugt, dass diese positive Erfahrung noch mal wiederholt werden kann. Außerdem plane ich eine kleine Reihe von Interviews mit Antizionisten, um dem Bild der mosaikartigen Vielfalt vermehrt Rechnung zu tragen. Was mir an Ihrer Denkweise am besten gefällt, ist Ihre Fähigkeit, die eigene Position immer wieder neu zu überdenken. Obwohl wir unterschiedliche Ideologien vertreten, bin ich dennoch der Ansicht, dass wir auf hermeneutischer Ebene die gleiche Methode anwenden. Ihre Meinung zu Netanjahu, die am Ende des Interviews zum Ausdruck kommt, zeigte mir das ganz deutlich: Wir verwenden dieselbe Methode, kommen aber zu gegensätzlichen Schlüssen. Als ich Netanjahu ansprach, hatte ich gehofft, dass Sie sagen würden, die Juden würden Netanjahu nicht unterstützen, weil sie verstanden haben, dass er der denkbar schlechteste Vertreter ihrer problematischen Lage sei. Sie vertraten aber genau den gegensätzlichen Standpunkt. Sie sagten: „Er ist der richtige Mann für sie... Er spiegelt wie kein anderer wider, was "Jüdischkeit" (Jewishness) ist. Netanjahu ist der Archetyp des Juden unserer Zeit.“ Sie konnten die Lage genau einschätzen, genauso wie Paul Eisen, als ich ihn fragte, wer die nächsten Wahlen in Israel gewinnen würde. Er sagte das Ergebnis richtig voraus, während ich selbst über Netanjahus Sieg schockiert war. Einen halben Tag lang war ich nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu schreiben!
 
Gilad Atzmon: Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. Die Wahrheit hat Sie frei gemacht. Sie sind jetzt emanzipiert und Sie sollten Arendt und seinen Leuten dankbar sein. Ich bin es jedenfalls. (PK)

(1) Weil wir von Gilad Atzmon weiter oben in diesem Gespräch erfahren haben, dass Schabbes Goy ein "Nicht-Jude" ist, "der jedem Wunsch der Juden schmeichelt, vor allem in der Politik", habe ich auf der französichen Webseite Dictionnaires et Encyclopédies sur 'Academic' im Internet unter dem Link http://fr.academic.ru/dic.nsf/frwiki/1517671/Schabbes_Goy, mehr über ihn erfahren wollen. Ich erfuhr, dass dieser yiddische Name jüdischen Menschen oder Organisationen gegeben wird, die Handlungen ausführen, die das Jüdische Gesetz ihnen am Sabbat verbietet. "Shabbes" meine den Sabbat, aber "Goy" bedeute "der Fremde" oder "der Nicht-Jude".(PK)
 
Erstveröffentlichung dieses Gesprächs in deutscher Sprache heute in der NRhZ, zeitgleich eine Veröffentlichung in englischer Sprache auf der Website von Gilad Atzmon (www.gilad.co.uk). Kopieren und anderswo veröffentlichen nur mit Genehmigung des Autors und der NRhZ-Redaktion.
 
Übersetzung aus dem Englischen: Übersetzungsbüro Peschel, Freiburg
 


Online-Flyer Nr. 508  vom 29.04.2015

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