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Zum mörderischen Überfall auf Charlie Hebdo
Anschlag auf freies Denken
Von Harald Schauff
Alle, die wir den Stift zum Schreiben und Zeichnen in die Hand nehmen, um den Finger in Wunden zu legen und so kritisch wie humorvoll auf Missstände hinzudeuten, alle waren wir Charlie an jenem schlimmen 7.Januar. Allen waren wir entsetzt und unsagbar traurig über den Mordanschlag in Paris, dem 12 Menschen zum Opfer fielen, darunter 8 Kollegen von uns.
Titelblatt von Charlie Hebdo nach dem
Anschlag an einer Haltestelle in Paris
Politik und Presse überschlugen sich in Betroffenheitsbekundungen und schärfsten Verurteilungen des Anschlags. Man interpretierte diesen als Angriff auf die Presse- bzw. Meinungsfreiheit und Demokratie bzw. unsere ‘offene Gesellschaft’. Die rechtslastige PEGIDA- Bewegung sah ihre propagierte überstrapazierte Bedrohung des christlichen Abendlandes durch den Islam bestätigt.
Online-Flyer Nr. 497 vom 11.02.2015
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Zum mörderischen Überfall auf Charlie Hebdo
Anschlag auf freies Denken
Von Harald Schauff
Alle, die wir den Stift zum Schreiben und Zeichnen in die Hand nehmen, um den Finger in Wunden zu legen und so kritisch wie humorvoll auf Missstände hinzudeuten, alle waren wir Charlie an jenem schlimmen 7.Januar. Allen waren wir entsetzt und unsagbar traurig über den Mordanschlag in Paris, dem 12 Menschen zum Opfer fielen, darunter 8 Kollegen von uns.
Titelblatt von Charlie Hebdo nach dem
Anschlag an einer Haltestelle in Paris
NRhZ-Archiv
Dem allen ist zu entgegnen: Wenn Freiheit hier das Angriffsziel war, dann vornehmlich die Freiheit des Geistes. Jene drückt sich nicht nur aus in Phantasie, im Spiel mit Sprache, wie man es aus Literatur und Lyrik kennt, sondern auch im kritischen Blick über den Tellerrand hinaus und im Denken um die Ecke, wie es die Satire pflegt. Sie provoziert dabei mit Anspielungen und Überspitzungen in Bild und Text. Diese wollen den besagten Blick über den Tellerrand wach kitzeln. Nicht immer werden sie so wahr genommen, stattdessen als aggressiv und beleidigend empfunden. Besonders seitens ihres traditionellen Gegenparts, dem von Dogmen geleiteten Denken, das sich auf Begriffe und Symbole fixiert und unter bestimmten Bedingungen zu blindwütigem Fanatismus entarten kann.
Je radikaler, fundamentalistischer diese Denkhaltung daher kommt, desto weniger versteht sie Spaß und desto stärker fühlt sie sich angegriffen, sobald eines ihrer Glaubenssymbole Gegenstand von Satire wird. Das sieht sie als Tabubruch an. Der Fanatismus empfindet es in seiner verzerrten Wahrnehmung und seinem engstirnigen Tunnelblick sogar als gewaltsame Attacke. Er macht für sich das Recht geltend, diesen mit tödlicher Gewalt zu beantworten. Deshalb greifen islamistische Terroristen zur Waffe.
‘Charlie Hebdo’ karikierte häufiger den Propheten Mohammed. Nicht wenige denken deshalb: Das haben sie nun von dieser Provokation. Doch jene war ihr gutes demokratisches Recht, das Recht der Satire, die alles darf und keine Tabus kennt, eben das Recht der geistigen Freiheit.
Die Politik darf sich fragen lassen, was genau sie unternimmt zum Schutz dieses und anderer Grundrechte,sofern man sie überhaupt als umgesetzt betrachten darf. Man hört immer nur Lippenbekenntnisse. Dem Akt der Barbarei folgt der Akt der Laberei. Allenfalls am Rande kommt die Hauptwurzel des Übels zur Sprache: Die wachsende soziale Ungleichheit. Sie fördert Ausgrenzung und bildet damit den Nährboden für Fanatismus, Gewalt und Terror. Sie produziert nur wenige Gewinner und viel zu viele Verlierer, die nichts mehr zu verlieren haben und auch nicht vor Anschlägen zurückschrecken. Hier sollte man ansetzen, endlich für eine Umverteilung von oben nach unten sorgen, anstatt nebulös von ‘Teilhabe-Chancen’ zu schwadronieren. Damit allen fanatischen Wahnvorstellungen, gleich ob rassistischer, nationalistischer oder religiös-funda-mentalistischer Prägung, der Boden entzogen wird.
Die Bleistifte der Satire werden nach der Untat von Paris erst recht gespitzt, um ordentlich für Denkanstöße zu sorgen. Sie werden allem Terror zum Trotz der geistigen Freiheit weiter die Bahn bereiten. Jetzt erst recht. (PK)
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf" und hat diesen Beitrag in deren aktueller Februar-Ausgabe Nummer 205 veröffentlicht.
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