NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

zurück  
Druckversion

Globales
Russia Today-Interview mit Journalisten über Deutschland und den Nahen Osten
Katar, ISIS und die BRD
Von Nicolaj Gericke

"Ein ganz wichtiger "Player" in der Region ist Katar, dessen Rolle im Zusammenhang mit dem IS weitgehend im Dunkeln bleibt", so Jasmin Kosubek, Moderatorin von Russia Today. "Das kleine Öl-Emirat ist auch in Deutschland wirtschaftlich aktiv - mit 23 Milliarden Euro allein im letzten Jahr mit Beteiligungen bei der Deutschen Bank, Volkswagen und dem Bauunternehmen HochTief. Vielleicht schauen wir deshalb durch eine rosarote Brille auf Katar. Diese Frage kann uns der investigative Journalist, Kenner der Region und Herausgeber des GEHEIM-Magazins, Michael Opperskalski im Interview mit Nicolaj Gericke sicherlich beantworten."
 

Bashar al-Assad – seit 2000 Syriens
Präsident, 2014 wieder gewählt
NRhZ-Archiv
Nicolaj Gericke von "Russia Today": Schauen wir Deutschen gerade deswegen gerade gern einmal weg, wenn es um die Außenpolitik dieses Landes geht?
 
Michael Opperskalski: Sie haben es auf den Punkt gebracht. Man kann sagen: Katar ist ein strategischer Wirtschaftspartner der BRD und von daher sprechen Sie eine "sehr heiße Suppe" an. Eine ,,heiße Suppe" deswegen, weil Katar involviert ist auf den verschiedensten Ebenen in der arabischen Region, zum Teil in Konkurrenz mit Saudi-Arabien und anderen, und das in Kriege, in Destabilisierung, in Rüstungslieferungen, in Geheimdienstoperationen und letztendlich in Terror und Massenmord, siehe Syrien, siehe Irak. Die deutsche Regierung schweigt, man will diesen Handelspartner offensichtlich nicht verärgern, und das nimmt dieser Handelspartner natürlich zum Anlass, immer weiter "drauf zu satteln", um die strategischen Ziele, die er hat und die in Verbindung stehen mit den strategischen Zielen des Westens, weiter durchzusetzten.
 
Gibt es da noch andere Dinge, z.B. Verflechtungen zwischen Deutschland, der ISIS und Katar?
 
Da kann ich Ihnen einiges nennen - auf verschiedenen Ebenen. Zu den Wirtschaftsgeschäften gehören ja auch florierende Rüstungsgeschäfte nach Katar. Natürlich sind die "End-User Certificats" „sauber“, d.h. die offiziellen Besteller sind das Verteidigungsministerium Katars zum Beispiel oder andere offizielle Institutionen, und dahin wird das Zeug auch geliefert, das tödliche Zeug. Und dann geht ein Teil davon, nicht alles, aber ein Teil davon, an die so genannte "Syrische Opposition"; das sind Terroristen, ob sie sich "ISIS" nennen oder "Daesh" oder "Islamische Front" oder "al-Nusra" und so weiter. Und inzwischen sind z.B. auch solche Waffen im Irak gefunden worden. Aber der Irak hat wiederum Schwierigkeiten damit, das zu problematisieren, obwohl er die Beweise in der Hand hat, weil er Deutschland und die deutsche Außenpolitik nicht antagonisieren möchte. Und auch diese Verhältnisse nutzt Katar aus.
 
Aber warum ist das denn kein Skandal geworden in Deutschland, warum schweigen alle darüber?
 
Das ist eine sehr gute Frage. Zwar ist manches bekannt, nicht alles, aber vieles. Bestimmte Meldungen werden aber schlicht und einfach unterdrückt, weil sie nicht ins herrschende Bild passen. Ins herrschende Bild passt, dass es in Syrien angeblich einen Volksaufstand gegen Bashar al-Assad, einen demokratisch legitimierten und gewählten Präsidenten, gibt, dass dort angeblich Oppositionelle darben und unterdrückt werden und dass Katar diese Oppositionellen großherzig unterstützt. Die Tatsache, dass diese so genannten Oppositionellen Terroristen sind, passt nicht ins Bild, genauso wenig wie die Wahrheit über das, was in der Ukraine passiert, nämlich ein Aufmarschgebiet und Provokationsort des Westens gegen Russland zu sein, genauso wie es nicht ins Bild passt, was anderweitig in der Welt passiert und welche Rolle deutsche Geheimdienste und auch deutsche Rüstungsfirmen und Rüstungslobbyisten spielen bei der Destabilisierung verschiedenster Regionen. Das darf nicht bekannt werden. Und weil das nicht bekannt werden darf, wird darüber nicht berichtet, obwohl ausreichend Informationen darüber vorliegen.
 
Fragen an Aktham Suliman: Es liegen Informationen vor, und deshalb habe ich einen weiteren Gast hier, Herrn Aktham Suliman, ehemaliger Deutschlandkorrespondent von Al Jazeera und Kenner der Region, unabhängiger Journalist. Herr Suliman, es wäre doch ein Skandal, wenn Deutschland da irgendwie involviert wäre in dieses Zusammenspiel von Katar und IS.
 
Aktham Suliman: Sie sagen es: es "wäre". Warum sage ich: "wäre"? Weil so ein Skandal nicht öffentlich werden soll, er wird niemals so stattfinden, wie man sich das theoretisch vorstellen mag. Sicherlich hat Deutschland Super-Beziehungen zu Katar, zu dem Staat, dem Emirat Katar. Katar hat unterschwellig, indirekt Super-Beziehungen zu vielen Organisationen im Nahen Osten, wie mein Vorredner bereits dargestellt hat, die sich irgendwann dem IS (oder IS1S) oder anderen Organisationen angeschlossen haben oder anschließen. Das heißt aber: Juristisch würde das nie nachweisbar werden. Aber vom Sinn her, politisch, wie es funktioniert, gibt es Beziehungen, finanzielle und waffentechnische Beziehungen zwischen den Golfstaaten, allen voran Katar, und diesen Organisationen, und natürlich sind sich die westlichen Länder im Klaren darüber, dass das stattfindet und natürlich drücken sie da gern ein Auge zu - und dazu gehört auch Deutschland, aber Deutschland ist da kein Hauptspieler.
 
Trotzdem: Frau Merkel drückt da definitiv ein Auge zu, und das auch bei ihrem Katar-Besuch vor einigen Wochen. Auf die Frage, warum wir die Beziehungen Katars zur IS und die finanzielle Unterstützung nicht näher hinterfragen, gab sie folgende Antwort:
 
Eingespielt wird Angela Merkel in der Tagesschau: "Ich habe auch alle Fragen gestellt, die hier bei uns diskutiert werden und habe jetzt keinen Grund, den Aussagen des Emirs nicht zu glauben.“
 
Relativ unkritisch...
 
In der diplomatischen Sprache heißt das zweierlei: Bitte nicht mehr näher darauf eingehen. Auf der anderen Seite: Ganz übersehen wollen wir das nicht. Und so balanciert man in Deutschland auf einem Feld, was wirklich sehr interessant ist, denn das, was Katar macht, macht Katar nicht eigenwillig, das was die Türkei macht im Augenblick, macht die Türkei nicht eigenwillig. Gerade die Türkei ist ja ein Partner in dieser NATO-Allianz, d.h. man weiß, das ist ein Partner, mit dem arbeiten wir zusammen, und es gibt Punkte, wo man nicht unbedingt übereinstimmt oder Punkte, wo der eine oder andere eine andere Rolle hat. Katar und die Türkei sind eine Front, sind als eine Front zu sehen im Nahen Osten, anders als Saudi-Arabien oder Ägypten zum Beispiel oder einige andere Länder, und sie praktizieren bestimmte Aktivitäten im Zusammenhang mit Organisationen und Gruppen, die sie "Freiheitskämpfer" nennen, die aber von anderen zumindest als terroristisch definiert werden. Aber diese Gruppen bekommen Geld, sie bekommen Waffen, aber nicht bitteschön per Lieferschein, nicht per Überweisungsauftrag, d.h. man kann es nicht nachweisen.
Aber man weiß, wie mein Vorredner dargestellt hat, dass bestimmte Waffen über diese oder jene Wege ankommen, über Mittelsländer wie z.B. auch Kroatien vor kurzem im Fall Syrien. Man hat nach Kroatien Waffen verkauft, und die tauchen auf einmal irgendwo auf, mal in Libyen, mal in Syrien. Es gibt also eine Unterwelt, eine unsichtbare Welt, wo man sich alles erlauben kann, ohne sich erkennbar zu machen. Sie würden niemals den Botschafter Katars oder den amerikanischen oder sonstigen Botschafter erwischen bei so einer Sache. (PK)
 
Quelle des Interviews ist Russia Today (RT Deutsch) vom 14 November 2014 (http://www.rtdeutsch.com/)
Das Transkript der Fernsehsendung von RT Deutsch stammt von der Redaktion des Magazins „offen-siv“ (Redaktion: c/o Frank Flegel, Egerweg 8, 30557 Hannover, Tel & Fax: 0511-5294782). Wir haben es der Geheim-Ausgabe Nr. 10-2014 entnommen
 
Aktham Suliman ist ein syrischer Journalist. Er war nach seinem Studium in Berlin Deutschland-Korrespondent des arabischen Fernsehsenders Al Jazeera in Berlin, verließ den Sender aber vor zwei Jahren wegen dessen einseitiger Berichterstattung. Michael Opperskalski und Kollegen haben vor 30 Jahren das Politik-Magazin "GEHEIM" gegründet und dieses Interview dort ebenfalls veröffentlicht.


Online-Flyer Nr. 491  vom 31.12.2014

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE