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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Europäische Bürgerinitiative fordert Verhandlungsstopp bei TTIP und CETA
Mehr Demokratie statt Herrschaft der Konzerne!
Von Ulrike von Wiesenau

Drei Freihandelsinitiativen, die die EU-Kommission lautlos auf den Weg zu bringen versuchte, beschäftigen in diesen Sommertagen Europa und die Republik: Das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP), das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen (CETA) und das plurilaterale Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (TISA), das außerhalb der WTO verhandelt wird. Dass die Verhandlungen parallel geführt werden, ist dabei kein Zufall.

Zweiter bundesweiter Aktionstag gegen TTIP & CETA in Berlin
Quelle aller Fotos: Mehr Demokratie
 
Sobald es zu Blockaden in einem Verhandlungsprozess kommt, können diese durch Fortschritte in einem anderen ergänzt und umgangen werden um das gesetzte strategische Ziel zu erreichen, denn die Zeit drängt. Die neue Generation der EU-Handelsabkommen sollen eine umfassende Liberalisierung von Dienstleistungen erzwingen, eine vollständige Öffnung der Märkte herbeiführen und einmal erreichte Liberalisierungsniveaus festschreiben.
 
Doch der Widerstand gegen die geplanten Freihandelsabkommen wächst. Während in Brüssel die sechste Verhandlungsrunde zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP eingeläutet wird, hat am 15. Juli 2014 das internationale Bündnis gegen TTIP und CETA auf einer Pressekonferenz in Brüssel die Anmeldung ihres Antrags auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) bei der EU-Kommission bekanntgegeben. Die Initiative "Stop TTIP“ fordert die EU-Kommission auf, dem EU-Ministerrat zu empfehlen, das Verhandlungsmandat über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) aufzuheben und auch das umfassende
Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) nicht abzuschließen.


 
Über 150 Organisationen aus 18 EU-Mitgliedsländern umfasst das Bündnis. In Deutschland koordinieren die Organisationen Attac, Campact, BUND, NABU, das Umweltinstitut München und Mehr Demokratie e.V. die EBI. Auch Brot für die Welt, die GEW, der Deutsche Kulturrat, der Wassertisch und der Berliner Wasserrat gehören dem stetig wachsenden Bündnis an. Die Organisationen haben sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: sie sind entschlossen, gemeinsam die notwendigen Unterschriften, mindestens eine Million aus sieben Mitgliedstaaten, zu sammeln. Die europaweite Unterschriftensammlung beginnt voraussichtlich im September.
 
Die Medienresonanz der Pressekonferenz des Bündnisses war überwältigend, der Auftakt ermutigend. Innerhalb von zwei Monaten muss die Kommission nun prüfen, ob die Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative zulässig ist. Schon einmal war die privatisierungskritische Bewegung erfolgreich: Das europäische Bürgerbegehren gegen die Wasserprivatisierung zwang den zuständigen EU-Kommissar Michel Barnier im Januar dazu, die Wasserversorgung aus der EU-Konzessionsrichtlinie herauszunehmen. Nun droht in Gestalt von TTIP und CETA eine Privatisierung durch die Hintertür.
 
Auf der Pressekonferenz des Bündnisses "Stop TTIP" hob Michael Efler vom Bundesverband Mehr Demokratie den demokratiefeindlichen Aspekt der geplanten Abkommen hervor: "Hinter verschlossenen Türen werden Regeln beschlossen, die weitreichende Folgen für über 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den 28 Mitgliedstaaten haben. Besonders kritisch sind die geplanten Regelungen zum Investitionsschutz, mit denen die ausländischen Investoren weitreichende Schutzrechte gegenüber Staaten in Schiedsverfahren (englisch: Investor-State Dispute Settlement, ISDS) durchsetzen können. Gefährlich sind auch die Pläne zur regulatorischen Kooperation, die ebenfalls eine Einschränkung der demokratischen Kontrolle bewirken: Es soll eine Art Frühwarnsystem bei geplanten handelsrelevanten Gesetzen oder Regulierungen eingerichtet werden, das es Vertragspartnern und Lobbyisten ermöglicht, noch vor dem parlamentarischen Prozess ihre Interessen zu platzieren. Unerwünschte Regulierungen, die den Marktzugang erschweren, könnten damit verhindert werden“, erläuterte Efler weiter.


 
John Hilary, Direktor der britischen Organisation War on Want und Mitglied des Bürgerausschusses, stellte klar, dass das TTIP-Abkommen nicht als Verhandlung zwischen den zwei konkurrierenden Handelspartnern EU und USA verstanden werden darf. Es handele sich vielmehr um den gemeinsamen Versuch von transnational agierenden Großkonzernen, die Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks aufzubrechen. John Hilary: "Dies geschieht auf Kosten des Verbraucherschutzes, der Lebensmittelsicherheit, der Umweltvorschriften, der Sozialstandards, der Verordnungen zum Gebrauch von Giftstoffen oder auch der Regeln zur Bankensicherheit."
 
Susan George, Präsidentin des Verwaltungsrates des Transnational Institute in Amsterdam (TNI) und Ehrenpräsidentin von Attac, begrüsste den Start der grenzüberschreitenden Bürgerinitiative. Sie erläuterte, dass bereits hunderte von bilateralen und plurilateralen Handels- und Investitionsabkommen unterzeichnet worden seien. TTIP sei jedoch besonders gefährlich, weil es seit 20 Jahren von transnationalen Konzernen geplant werde. Diese Großkonzerne hätten den Inhalt mitbestimmt und seien auf Einladung der Regierungen offizieller Bestandteil des TTIP-Prozesses geworden – die Bürgerinnen und Bürger dagegen seien ausgeschlossen. „TTIP ist eine große Bedrohung für die Demokratie – die EBI will Demokratie, nicht Konzernherrschaft“, fasste Susan George zusammen.
 

Viele Unterschriften gegen die Konzerne und
ihre Unterstützer in der Politik wurden gesammelt
Ich selbst, die Autorin, Expertin für direkte Demokratie und Pressesprecherin des Berliner Wassertisches, äußerte mich alarmiert angesichts des gravierenden Demokratie-Verlustes durch TTIP und CETA: "Die geplanten Regelungen zum Investitionsschutz, mit denen ausländischen Investoren weitreichende Sonderrechte eingeräumt werden, die sie gegenüber Staaten in geheimen Schiedsverfahren durchsetzen können, führen zu einem dramatischen Demokratieverlust. Die Schiedsgerichte tagen im Geheimen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente. Mit diesen Verfahren werden die nationalen Gesetze, rechtsstaatliche Prozesse und die demokratische Kontrolle ausgehebelt. Eindrucksvolle Erfahrungen mit Geheimverträgen und geheimen Schiedsverfahren konnte der Berliner Wassertisch bereits in seinem Kampf gegen die Teilprivatisierung des Berliner Wassers sammeln. Die Ausschaltung ordentlicher Gerichte ist ein Blankoscheck für Konzerne bei Vertragsunterzeichnungen auf Kosten der Bevölkerung."
 
Ermutigend ist, dass TTIP, CETA und TiSA und das Verwirrspiel um die anderen Freihandelsabkommen heute kritisch diskutiert wird. Ein breiter gesellschaftlicher Widerstand formiert sich mit der Initiative zum Start einer europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA und wird die gesellschaftliche Debatte weiter befördern. Die Europäische Kommission ist in Erklärungsnot geraten und muss nun zu den Einwendungen der privatisierungskritischen Initiativen und Organisationen Stellung nehmen. Die Europäerinnen und Europäer nehmen die Europäische Kommission in die Pflicht, eine Agenda des fairen Handels zu schreiben. (PK)

Wichtiger Hinweis mit Link für unsere Leser:

Am 23. Juli, 2014 waren Wassertisch-Wirtschaftsexpertin Gerlinde Schermer und Pressesprecherin Ulrike von Wiesenau beim ARD-Wirtschaftsmagazin
Plusminus zum Dienstleistungsabkommen TiSA.
http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/sr/2014/23072014-tisa-100.html
 
 
Zur Autorin: Ulrike von Wiesenau ist Expertin für direkte Demokratie und Pressesprecherin des Berliner Wassertisches. Die Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des Berliner Wasserrates berät NGO´s, Organisationen, Verbände und Initiativen bei Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnenentwurf und politischen Aktionen.


Online-Flyer Nr. 468  vom 23.07.2014

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