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Inland
Uni Köln: Summer School Support für Bundeswehr „Krieg im 21. Jh.“
Akademische Kriegsführungs-Gehilfen
Von Dietrich Schulze

Völlig ungerührt von den vielfältigen Erinnerungen an die von deutschem Boden ausgegangenen verbrecherischen Weltkriege vor 100 und vor 75 Jahren veranstaltet die Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK) in Strausberg bei Berlin gemeinsam mit der Universität Köln in der Zeit vom 1.-12. September 2014 ein Seminar „Krieg im 21. Jahrhundert“ [1].
 

Uni Köln-Referentin Verena Diersch
Foto: Dietrich Schulze
Kaum zu fassen: Beginnend am Antikriegstag und gerichtet an Studierende und Promovierende der Geistes- und Sozialwissenschaften, denen von der Universität Köln mit der Ausstellung von regulären Leistungsnachweisen gewunken wird. Die Referenten des Seminars sind Bundeswehr-Offiziere und an Hochschulen tätige „Friedensforscher“. Im Focus stehen der Soldat als Vorbild („Kämpfer, Helfer, Brunnenbohrer“) sowie die Mittel und Techniken der Kriegsführung ("Cyberwar"). Vorgesehen sind Besuche im Bundesministerium der Verteidigung, im Einsatzführungskommando der Bundeswehr, in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, im Dezernat "Vernetzte Operationsführung" des Planungsamts der Bundeswehr und im Institut für Informatik der FU Berlin.
 
Die mitveranstaltende Universität Köln ist selbstverständlich mit einer Referentin vertreten. Verena Diersch verfügt als Doktorandin am Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen - Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik - Prof. Dr. Thomas Jäger - über die von den Militärs favorisierten Fähigkeiten. Nach einschlägigen Praktika an der Hanns-Seidel-Stiftung München und bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) nahm sie an der gleichen AIK Summer School 2013 „Methoden der sicherheitspolitischen Analyse“ teil und - wie es der Zufall wollte - begann sie kurz darauf ihre Promotion in Köln zum Thema „Cyber Intelligence und Cybersicherheitspolitik“. Das ist auch ihr Vortragsthema. Sie spricht über die Kriegsführung im virtuellen Raum. Eine reizende Doktorandin, die den teilnehmenden Studis ad personam demonstrieren kann, wie man mit Hilfe der Bundeswehr Karriere macht.
 
Weniger reizend ist die bisher fast unbekannte Rolle der Universität Köln bei der Militarisierung der Bildung. In die Schlagzeilen geriet die Uni im Juli letzten Jahres [2]. Der Senat hatte überraschend die beantragte Zivilklausel abgelehnt, weil damit angeblich die "Freiheit der Wissenschaft" gefährdet wäre. Der Pressesprecher hatte damals betont, dass von der Universität Kooperationen mit Rüstungsfirmen ohnehin nicht geplant seien. Jetzt verstehen wir besser, was der tatsächliche Grund war. Die benannte AIK-Kooperation der Universität zum „Krieg im 21. Jahrhundert“ hätte der vom AK Zivilklausel beantragten Selbstverpflichtung „Die Universität trägt als zivile Einrichtung zu einer friedlichen und zivilen Entwicklung der Gesellschaft bei, zu Völkerverständigung und zur Humanisierung der Lebensverhältnisse weltweit…..“ glatt widersprochen.
 
Vor einer Woche hatte der Autor in der Neuen Rheinischen Zeitung [3] im Nachgang zu einer BdWi-Versammlung in Heidelberg vor der systematischen Organisierung der Hochschulen als „Zivil-Militärisch-Industrielle Bildungs- und Forschungskomplexe“ gewarnt. Dafür werden seit langem auch die Geistes- und Sozialwissenschaften eingespannt. Bundesweit bekannt ist der Protest gegen „Military Studies“ an der Uni Potsdam und gegen soziologisch verbrämte Besatzungs- und Kriegswissenschaften an einer Reihe von Hochschulen wie der FU Berlin und der Universität Kiel.
 
Offensichtlich ist die Uni Köln unter dem Motto „Freiheit der Wissenschaft“ dabei, sich als eine weitere Hochschule als akademischer Kriegsführungs-Gehilfe zu etablieren. Dem sollten kräftige Steine in den Weg gelegt werden. Gegen eine solche Entwicklung der Uni Köln muss die Landesregierung NRW mobilisiert werden, die gerade dabei ist, ein Hochschulzukunftsgesetz zu schaffen. In Köln läuft das ganze Gegenteil von Zukunft.
 
Der AK Zivilklausel der Uni Köln hatte angesichts der zitierten Ablehnung durch den Senat im Juli 2013 erklärt, dass damit der Anspruch, die intellektuelle Arbeit aller auf eine Lösung gesellschaftlicher Probleme und auf eine friedliche Entwicklung der Welt zu richten, nicht zurückgedrängt worden ist. Der AK hatte sich auch auf mehrere SenatorInnen berufen, die für eine Weiterführung der Diskussion waren.
 
Es gibt einen direkten Beweis dafür, dass das demokratisch verfasste Organ der Universität, eben jener Senat, betreffend Teilnahme der Universität Köln an dem geplanten Bundeswehr-AIK-Seminar nicht befragt worden ist. Anfang April - wenige Tage vor dem AIK-Aufruf, sich für das Seminar anzumelden - gab es auf Einladung des AK Zivilklausel an der Uni Köln ein bundesweites Zivilklausel-Vernetzungstreffen. Niemand wusste etwas von der skandalösen Rolle der Uni. Das hätte dem Treffen einen vollständig anderen Verlauf gegeben. Glück im Unglück. Am 16. Mai wird es ein weiteres bundesweites Zivilklausel-Vernetzungstreffen an der Uni Potsdam geben, im engen Zusammenhang mit der Konferenz „100 Jahre Erster Weltkrieg: Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden. Militarismus und Militarisierung von Wissenschaft und Forschung damals und heute“ vom 16. bis 18. Mai [4].
 
Übrigens: Einer der Konferenzbeiträge lautet „Krieg heute: Interventionen, Drohnen, Cyberwar“. Das vorweg genommene Kontrastprogramm zu Verena Diersch, vorgetragen von dem bekannten US-Friedenswissenschaftler Subrata Ghoshroy aus dem Massachusetts Institute of Technology MIT. Ghoshroy ist hierzulande aufgrund seines bewegenden Auftritts im Dezember 2009 am Karlsruhe Institute of Technology KIT [5] bekannt geworden. Was spricht eigentlich dagegen, dass der AK Zivilklausel der Uni Köln die Uni-Doktorandin Verena Diersch zum Ghoshroy-Vortrag am 16. Mai, 19 Uhr ins Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte einlädt? Immerhin könnte sie dort hautnah das Neueste über die US-amerikanische Rüstung einschließlich der dort unter der Ägide eines Friedensnobelpreisträgers betriebenen Kriegspolitik lernen. Dazu gab es in der taz am 2. Mai ein bemerkenswertes Interview unter dem Titel „Wir schlittern in einen Krieg“, mit Stephen F. Cohen, einem der bekanntesten Russlandforscher der USA [6]. Dem Kampf gegen die Militarisierung der Hochschulen kommt eine friedenspolitische Schlüsselstellung zu. Potsdam ist die nächste wichtige Etappe. (PK)
 
Quellen:
[1] http://www.kommando.streitkraeftebasis.de/portal/a/kdoskb
[1a] http://german-foreign-policy.com/de/fulltext/58858
[2] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19252
[3] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20280
[4] http://www.natwiss.de/fileadmin/user_upload/Konferenz_Potsdam_Flyer_Stand_140116_web.pdf
[5] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20091204.pdf
[6] http://www.taz.de/Russland-Forscher-ueber-die-Ukrainekrise/!137733/
 
Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe. 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf) und ist heute deren SprecherInnenkreismitglied. Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“, BdWi-Mitglied und publizistisch tätig.
 


Online-Flyer Nr. 457  vom 07.05.2014

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